Unionszollkodex: Wirkung des neuen Zollrechts auf umsatzsteuerrelevante Sachverhalte

PrintMailRate-it
Mit der EU-Verordnung Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates – dem sog. Unionszollkodex (UZK) – wurden zum 9. Oktober 2013 die ersten Grundlagen zur Erneuerung des europäischen Zoll­rechts gelegt. Die für die Umsetzung notwendigen weiteren Rechtsakte, der Durch­führungs­rechtsakt (UZK-IA) sowie die Delegierte Verordnung zum UZK (UZK-DA), wurden im Amtsblatt der Europäischen Union am 29. Dezember 2015 nach langen Ver­hand­lungen veröffentlicht. Damit wurden die wesentlichen Regelungen zur Neugestaltung des Europäischen Zollrechts festgelegt. Ihr Inhalt und deren Auswirkung auf die Geschäfte müssen nun umgehend bei Unternehmen analysiert werden, um notfalls anstehende Änderungen zeitnah angehen zu können. Das insbesondere vor dem Hintergrund, dass das neue Zollrecht bereits am 1. Mai 2016 Anwendung finden wird.
 
Auswirkungen wird das neue Zollrecht auch auf damit verbundene Rechtsgebiete haben, z.B. auf die (Einfuhr-)Umsatzsteuer, da das Umsatzsteuergesetz (UStG) für die meisten verfahrensrechtlichen Regelungen unmittelbar auf das Zollrecht verweist:
 

Zollwert und Einfuhrumsatzsteuer

Durch Inkrafttreten des UZK und vor allem des UZK-IA ergeben sich Änderungen in der Bemessungsgrundlage des Zollwerts. Der Zollwert wird mit dem auf einer Ware ruhenden Zollsatz multipliziert, um so die zu zahlende Zollabgabe errechnen zu können. Analog hierzu wird die Einfuhrumsatzsteuer im Wesentlichen nach dem Zollwert einer Ware bemessen. Änderungen im Zollwertrecht führen tendenziell zu einer Erhöhung der Einfuhrumsatzsteuer durch Steigerung der einfuhrumsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage.
 
Bspw. regelt Art. 128 UZK-IA künftig, dass sich der Zollwert einer Ware an dem Preis des Kaufgeschäfts zu orientieren hat, das unmittelbar der Verbringung der Waren in das Zollgebiet vorausging. Auf den ersten Blick ist der Vorschrift nichts Nachteiliges zu entnehmen. Wenn man nun aber die bisherige Regelung des Art. 147 Abs. 1 ZK-DVO (der alte Durchführungsrechtsakt) vergleichend hinzuzieht, wird man feststellen, dass es doch Abweichungen gibt, die das ein oder andere Unternehmen teilweise erheblich treffen werden. Die Rede ist vom Wegfall des sogenannten Vorerwerbspreises als Grundlage des Zollwerts.
 

Beispiel „Vorerwerbspreis”

Unternehmen A mit Sitz im Drittland (Algerien) verkauft an Unternehmen B mit Sitz in Brasilien Elektroartikel zu 500 Euro je Stück. Unternehmen B wiederum verkauft diese Waren zu 600 Euro je Stück an Unternehmen C mit Sitz in Deutschland. C ist gemäß den Vertragsbestimmungen für die Einfuhrverzollung der Waren in der EU verantwortlich und möchte diese Waren in den freien Verkehr der EU überführen.
 
Zollwertgrundlage nach dem UZK ist ab 1. Mai 2016 der Verkauf, der unmittelbar vor dem Verbringen der Waren in das Zollgebiet der EU erfolgte, im Beispielfall 600 Euro.
 
Nach derzeit noch gültigem Zollrecht räumt Art. 147 Abs. 1 2. Unterabsatz ZK-DVO bei der „Anmeldung eines Preises aus einem Verkauf, der dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft geführt hat, vorausgeht” die Möglichkeit ein, dass der Anmelder (hier C) nachweist, dass gerade dieser Verkauf bereits mit der Bestimmung für das Zollgebiet abgeschlossen war. C müsste in dem Fall also durch Unterlagen und Buchführungsbelege nachweisen, dass die von B erworbenen Waren bereits beim Verkauf von A an B für das Zollgebiet der EU bestimmt waren. Erbringt er den Nachweis, kann als Grundlage des Zollwerts derzeit noch der Wert des ersten Verkaufs, also 500 Euro als Grundlage des Zollwerts angemeldet werden.
 
Das faktische Erhöhung der Zollwertgrundlage im Rahmen des UZK führt bei Waren, die mit einem Zollsatz belegt sind, natürlich zu einer Erhöhung der zu zahlenden Zollabgaben und somit auch der zu entrichtenden Einfuhrumsatzsteuer.

Praxishinweis

Derzeit wird diskutiert, inwiefern es möglich ist, den Preis des heutigen Vorerwerbs (500 Euro im Beispiel) dadurch verwenden zu können, dass der nachgelagerte Verkauf (600 Euro im Beispiel) erst nach Abgabe und Überlassung der Zollanmeldung abgeschlossen wird. Das soll unter gewissen Voraussetzungen möglich sein, bedarf jedoch vor der Umsetzung einer rechtlichen Prüfung und Machbarkeitsanalyse.

Zollschuldner und EUSt

Eine weitere Änderung wird sich im Bereich des Schuldners der Zollabgabe ergeben. So wird künftig (Art. 77 Abs. 3 UZK) bei der rechtskonformen Durchführung der Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr Schuldner des Zolls neben
  • dem Anmelder und
  • dessen Indirektem Vertreter
  • auch derjenige Schuldner des Zolls, welcher unter gewissen Umständen Angaben geliefert hat, die zu verminderten Zollabgaben geführt haben, und der gewusst hat oder vernünftigerweise wissen hätte müssen, dass diese Angaben unrichtig waren.
     
Bisher wurde nur der Anmelder und dessen Indirekter Vertreter, nicht aber ein „Datenlieferant“, zum Zollschuldner. Spannend wird sein, wie die Zollbehörden diese „Datenlieferanten“ definieren werden. Insbesondere für 2 Bereiche wird das Thema wohl besonders relevant:
  • Beim direkten Vertreter (z.B. ein Spediteur), der Daten für die Zollanmeldung selbst generiert hat, was in der Praxis doch recht häufig vorkommt.
  • Beim Lieferant der Ware, der Rechnungspreise auf den warenbegleitenden Dokumenten möglichst niedrig ausweist, um seinem Vertragspartner Zollabgaben in der EU „zu sparen”.
      

Das hat natürlich auch Einwirkungen auf das Umsatzsteuerrecht, v.a. dann, wenn der „Datenlieferant“ nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Denn wie bereits anfangs erwähnt, sind nach § 21 Abs. 2 UStG die Regelungen des Zollrechts für das Umsatzsteuerrecht anwendbar – insbesondere auch bei der Person, die die Abgaben schuldet.    
 

Praxishinweis

Das neue Zollrecht kommt, und zwar bald. Deshalb ist es notwendig, die ab 1. Mai 2016 gültigen Regelungen genau zu prüfen um Auswirkungen auf den Geschäftsalltag und auf die Geschäftsmodelle abschätzen zu können.

  

Bereits diese beiden Gegenüberstellungen zeigen, wie die Änderung des Zollrechts auch auf das Umsatzsteuerrecht, hier v.a. die Bemessungsgrundlage der Einfuhrumsatzsteuer und die Einfuhrumsatzsteuerschuld einwirkt. Im gesamten Regelwerk sind natürlich noch weitere solcher relevanten Änderungen enthalten.

zuletzt aktualisiert am 07.09.2016

Kontakt

Contact Person Picture

Ewald Plum

Dipl. Finanzwirt (Zoll), Experte für Zoll-, Verbrauchsteuer- und Außenwirtschaftsrecht

Partner

+49 711 7819 144 97

Anfrage senden

Profil

Deutschland Weltweit Search Menu