OLG Hamm: Angemessene Entschädigung bei funktionaler Leistungsbeschreibung

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Der öffentliche Auftraggeber hat eine Entschädigungspflicht, wenn er in einer Bauausschreibung Aufgaben auf den Bieter verlagert, die eigentlich ihm selbst obliegen.
Das OLG Hamm (Urteil vom 6.8.2015 – 17 U 130/12) bestätigte im Rahmen eines zivilen Schadenersatzprozesses, dass der bieterseitige Rechtsanspruch auf Festsetzung einer Entschädigung nach § 8 Abs. 8 Nr. 1 VOB/A-EG bzw. VOB/A nicht durch Vergabebedingungen ausgeschlossen werden kann. Nach dieser Vorschrift steht den Bietern ein Anspruch auf angemessene Entschädigung zu, wenn sie Entwürfe, Pläne, Zeichnungen, statische Berechnungen, Mengenberechnungen oder andere Unterlagen, insbesondere bei funktionalen Leistungsbeschreibungen, ausarbeiten müssen, die einen Umfang aufweisen, der nicht zu einer regelmäßig zu erwartenden ordnungsgemäßen Angebotsbearbeitung zählt. 
   

Wichtige Aspekte für die Beschaffungspraxis

  • Der nicht zu entschädigende Regelfall liegt vor, wenn die ausschreibende Stelle die erforderlichen Planungs- oder Berechnungsleistungen selbst erbringt und der Bieter sich darauf beschränken kann, das vom Auftraggeber erstellte Leistungsverzeichnis zu bepreisen.
      
  • Hat der Bieter hingegen – wie bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung – die technisch, wirtschaftlich und gestalterisch beste und funktionsgerechte Lösung der Bauaufgabe zu erarbeiten, so werden ihm umfangreiche Vorarbeiten abverlangt, bevor er die Preise berechnen kann. Diese Vorarbeiten, die in den Aufgabenbereich der Vergabestelle fallen, lösen die Entschädigungspflicht nach § 8 Abs. 8 Nr. 1 VOB/A-EG bzw. VOB/A aus.
      
  • Die einheitlich festzusetzende Entschädigung umfasst allgemein den Aufwendungsersatz ohne Gewinnanteil. Die HOAI, welche Gewinnanteile enthält, stellt deshalb keine taugliche Berechnungsgrundlage dar.
      
  • Geeigneter Maßstab sind die üblicherweise für die Angebotsbearbeitung als Teil der allgemeinen Geschäftskosten kalkulierten Aufwendungen, die für die überobligationsmäßig erbrachten Leistungen unter normalen Umständen anzusetzen sind. Hierzu sind der voraussichtliche durchschnittliche Zeitaufwand für die geforderte Ausarbeitung sowie die normalerweise kalkulierten Personal- und Materialkosten zu ermitteln.
      
  • Die Festsetzung der Entschädigungshöhe durch den öffentlichen Auftraggeber unterliegt einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB.
       

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