Whistleblowing in Polen

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veröffentlicht am 29. Juli 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

  1. Wie ist der Stand der Umsetzung? »
  2. Welche gesetzlichen Grundlagen gelten aktuell? »
  3. Welche Rolle kommt dem Betriebsrat zu? »
  4. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine Meldung abzugeben oder liegt es in seinem Belieben? »
  5. Muss der Hinweisgeber schon heute vorrangig firmenintern nach Abhilfe suchen? »
  6. Wann hat der Hinweisgeber selbst mit Sanktionen zu rechnen oder ist dieser generell geschützt? »
  7. Wie muss sich der Arbeitgeber gegenüber dem Verdächtigen verhalten? »
  8. Gibt es bereits die Pflicht ein Hinweisgebersystem und externe Meldebehörden ein­zu­richten? »

    

1. Wie ist der Stand der Umsetzung?

Die Frist für die Implementierung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, ist am 17. Dezember 2021 abgelaufen. Trotzdem befindet sich der Entwurf des polnischen Gesetzes zum Schutz von Personen, die Rechtsverstöße melden, erst in der Phase der Begutachtung, die am 18.10.2021 begonnen hat und bis heute andauert. Der Gesetz­geber teilt mit, dass zu dem Entwurf sage und schreibe 800 Anmerkungen eingegangen sind, die er bei der Erstellung eines neuen Gesetzentwurfes berücksichtigen möchte. Einstweilen ist nicht abzusehen, wann die Arbeiten an dem Entwurf abgeschlossen sein werden.

 

2. Welche Gesetzlichen Grundlagen gelten aktuell?

In der gegenwärtigen Phase der Implementierung der Richtlinie ins polnische Rechtssystem ist diese Richtlinie in den Beziehungen zwischen Rechtsträgern und Staat nur indirekt wirksam, und dies auch nur dann, wenn sie für den betroffenen Rechtsträger nicht zu zusätzlichen Pflichten führt. Es ist ebenfalls bereits bekannt, dass das für die Entgegennahme externer Meldungen zuständige Zentralorgan der Bürgerrechtsbeauftragte (poln. Rzecznik Praw Obywatelskich) sein wird.
 
Bisher haben die gegenwärtig geltenden Vorschriften der Richtlinie – von einem begrenzten Bereich ihrer An­wen­dung abgesehen – zerstreuten und fragmentarischen Charakter, d.h. sie wurden in verschiedene Rechts­akte aufgenommen (z.B. Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, Bank­recht, Flugrecht oder Arbeitsrecht) und gewährleisten keinen effektiven Schutz von Hinweisgebern.  
 
Die endgültige Version des Entwurfs des Gesetzes zum Schutz von Personen, die Rechtsverstöße melden, soll die o.g. Gesetze vereinheitlichen und ein einziges Gesetz schaffen, das das gesamte Whistleblowing-Verfahren detaillierter regelt.

  

3. Welche Rolle kommt dem Betriebsrat zu?

Der Entwurf des polnischen Gesetzes sieht keine Teilnahme des Betriebsrates am Whistleblowing-Verfahren vor.

 

Gemäß dem Gesetz gilt jedoch Folgendes: Arbeitgeber, die eine Regelung für interne Meldungen einführen, sind verpflichtet, diese jeweils nach Absprache mit der betrieblichen Gewerkschaftsorganisation oder mit den Arbeitnehmervertretern (wenn bei dem Arbeitgeber keine betriebliche Gewerkschaftsorganisation tätig ist) abzustimmen, die gemäß dem bei dem betreffenden Arbeitgeber geltenden Verfahren bestellt wurden.

 

Das Gesetz sieht somit eine Rolle der Gewerkschaftsorganisation bzw. eines Arbeitnehmervertreters vor.

 

4. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine Meldung abzugeben oder liegt es in seinem Belieben?

Gemäß dem Entwurf des polnischen Gesetzes werden Arbeitnehmer zu Meldungen nicht verpflichtet sondern nur berechtigt sein. Gleichzeitig legt er die Bedingungen fest, zu denen Arbeitnehmer und sonstige Personen, die eine Information über Rechtsverstöße öffentlich melden bzw. offenlegen, Schutz genießen, und nennt die Maßnahmen, die angewandt werden, um Arbeitnehmern und anderen Personen, die Hinweise geben, diesen Schutz zu gewährleisten. 
 
Ein Arbeitnehmer kann somit einen Rechtsverstoß melden und in bestimmten Fällen den ihm zustehenden Schutz vor Repressalien genießen.
 
Nicht zu vergessen ist jedoch, dass die Pflicht, einen Rechtsverstoß zu melden, sich aus sonstigen Gesetzen ergeben kann. Die Vorschriften des Gesetzes finden jedoch keine Anwendung, wenn die Information über den Rechtsverstoß auf der Grundlage von anderen Vorschriften gemeldet wurde – insbesondere, wenn Beschwerde eingelegt oder Strafanzeige erstattet wurde (Art. 5 Abs. 2).

 

5. Muss der Hinweisgeber schon heute vorrangig firmenintern nach Abhilfe suchen?

Der Entwurf des polnischen Gesetzes zum Schutz von Personen, die Rechtsverstöße melden, schreibt unmittel­bar vor, dass der Hinweisgeber eine externe Meldung erstatten darf, ohne zunächst eine interne Meldung erstat­tet zu haben. Werden interne Meldekanäle bzw. sonstige interne Lösungen, die zur Vorbeugung von Verstößen vorgesehen sind, nicht in Anspruch genommen, so wird der Arbeitnehmer weiterhin den Schutz genießen, der sich aus dem Entwurf des polnischen Gesetzes zum Schutz von Personen, die Rechtsverstöße melden, ergibt. Dies stellt eine analoge Lösung zu derjenigen dar, die in der Richtlinie (EU) 2019/1937 ange­nommen wurde. Diese Richtlinie lässt es zu, eine Meldung direkt über externe Meldekanäle zu erstatten, ohne dass es notwendig ist, zunächst unternehmensinterne Abhilfemaßnahmen in Anspruch zu nehmen. 
 
Gemäß dem Entwurf des polnischen Gesetzes zum Schutz von Personen, die Rechtsverstöße melden, ist es hingegen zulässig, dass der Arbeitgeber eine Einzelaufstellung der Arten der Rechtsverstöße erstellt, bezüglich derer er dazu ermutigt, die Meldung zunächst an ihn unter Anwendung des in der Regelung für interne Mel­dun­gen vorgesehenen Verfahrens zu richten.

  

6. Wann hat der Hinweisgeber selbst mit Sanktionen zu rechnen oder ist dieser generell geschützt?

Laut dem Gesetzesentwurf wird eine Person (darunter auch der Hinweisgeber), die bei der Anmeldung von Unregelmäßigkeiten das Wissen hat, dass die gemachten Angaben falsch sind, mit einer Geldstrafe belegt. 
 
Sonst wird generell der Hinweisgeber geschützt. Die Anmeldung von Unregelmäßigkeiten, die in gutem Glauben und im öffentlichen Interesse unter Einhaltung der im Gesetzesentwurf vorgesehenen Regeln und Verfahren erfolgt, sollte keine Verletzung der Persönlichkeitsrechten des Betroffenen darstellen und kann auch nicht als Grundlage für eine Haftung im Sinne des Deliktrechts des polnischen Zivilgesetzbuches oder Artikel 266 des Strafgesetzbuches (Weitergabe von Informationen im Zusammenhang mit der Funktion) dienen.
 
Zu bemerken ist, dass wegen der Schutz des Hinweisgebers es keine Gegenmaßnahmen für die Anmeldung von Verstößen gegen Regeln oder Gesetze innerhalb der Organisation ergriffen werden dürfen. Dies bedeutet Verbot von Veränderungen im Arbeitsverhältnis, die sich nachteilig auf einen Arbeitnehmer auswirken würden, darun­ter Entlassung, Herabstufung, Änderung des Arbeitsortes. 
 
Weiterhin zu betonen ist, dass der Hinweisgeber für die Verletzung von Betriebsgeheimnisse oder Vertrau­lich­keitspflichten in Bezug auf Unternehmensdaten oder Geheimnisse nicht haftet. Der Hinweisgeber hat weiterhin das Recht diese Verstöße ohne weitere Konsequenzen zu veröffentlichen, falls Verstoß gegen diese Regeln ein Bestandteil der Anmeldung ist. 

 

7. Wie muss sich der Arbeitgeber gegenüber dem Verdächtigen verhalten?

Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass der Arbeitgeber Folgendes tun muss: 
  • er muss unverzüglich einen organisatorisch unabhängigen Rechtsträger berufen, der befugt ist, die Folge­maß­nah­men zu ergreifen, wozu u.a. die Überprüfung der Meldung und die weitere Kommunikation mit dem Hinweisgeber sowie zusätzliche Informationen und die Weitergabe der Rückmeldung an den Hinweisgeber gehören;
  • er muss gegenüber dem Hinweisgeber den Eingang der Meldung binnen 7 Tagen nach dessen Eingang bestätigen;
  • er muss unter Wahrung der gehörigen Sorgfalt die Folgemaßnahmen ergreifen, also den Wahrheitsgehalt der in der Meldung erhobenen Vorwürfe überprüfen und gegebenenfalls – um den Rechtsverstößen, die Gegen­stand der Meldung sind, entgegenzuwirken – weitere Maßnahmen ergreifen, z.B. interne Ermittlungen, Ermitt­lungsverfahren, Klageerhebung, Maßnahmen zur Wiedererlangung von Finanzmitteln oder zum Abschluss des Verfahrens zur Annahme und Überprüfung von Meldungen;
  • er muss eine Frist festsetzen, innerhalb derer der Hinweisgeber spätestens Rückmeldung erhalten muss; diese Frist darf max. 3 Monate nach Bestätigung des Eingangs der Meldung oder, wenn der Hinweisgeber keine Bestätigung erhält, max. 3 Monate nach dem Ablauf von 7 Tagen nach Tätigung der Meldung betragen. 

  

8. Gibt es bereits die Pflicht ein Hinweisgebersystem und externe Meldebehörden ein­zu­richten?

Gegenwärtig besteht keine solche Pflicht, da das Gesetz noch nicht verabschiedet wurde und noch nicht in Kraft getreten ist. Sollte die gegenwärtige Fassung des Gesetzentwurfes verabschiedet werden, so wird die Pflicht, ein Hinweisgebersystem einzurichten, Arbeitgebern obliegen, die über 50 Arbeitnehmer beschäftigen. 
 
Im Rahmen des Verfahrens bei dem betreffenden Arbeitgeber kann man vorsehen, dass die Meldung in jedem Fall auch an eine öffentliche Behörde oder ein externes Unternehmen erfolgen kann – unter Umgehung des Verfahrens, das bei dem betreffenden Arbeitgeber in der Ordnung für interne Meldungen vorgesehen ist, aber das ist nicht obligatorisch. 
 
Nichtsdestoweniger kann jeder Hinweisgeber sich immer an das Zentralorgan, den Bürgerrechtsbeauftragten, wenden. 
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