Neues zur SE: aktuelle Rechtsprechung hilft der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungspraxis

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​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 16. Juli  2025 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Die SE (Kurzform für Societas Europaea, die Europäische Aktiengesellschaft) ist seit geraumer Zeit eine beliebte und gerne genutzte Rechtsform, nicht zuletzt, weil sie die individuelle Gestaltung der unternehmerischen Mitbestimmung ermöglicht. In einer bisher offenen Gestaltungsfrage führt das Bundesarbeitsgericht nun zu mehr Klarheit in der Unternehmenspraxis.


Die SE unterliegt nicht den deutschen Mitbestimmungsgesetzen. Die unternehmerische Mitbestimmung in der SE richtet sich vielmehr nach einer mit einem eigens zu gründenden Arbeitnehmergremium auszuhandelnden Vereinbarung. Dadurch lässt sich ein gefundener mitbestimmungsrechtlicher Status einfrieren, ohne dass weiteres Unternehmenswachstum daran etwas ändert. Darüber hinaus bietet die SE mit den verschiedenen möglichen Leitungsstrukturen (dualistisch und monistisch) noch einen weiteren Hebel für eine möglichst passende Ausrichtung auf die individuellen Unternehmensbedürfnisse. Zusätzlich spiegelt die Wahl der Rechtsform der SE eine europäische Internationalität wider, die sich immer größerer Beliebtheit erfreut. 

Meilenstein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren 

Allerdings gilt es bei dem Gang in die SE einige Spezialthemen zu berücksichtigen. So bildet z.B. regelmäßig einen zentralen Punkt auf dem Weg in die SE das sog. Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren. Das Ziel dieses Verfahrens ist, eine einvernehmliche und individuell auf die Bedürfnisse der Gesellschaft zugeschnittene Regelung zwischen Arbeitnehmern und der Gesellschaft über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE zu erzielen. Für diese Verhandlungen ist auf Seiten der Arbeitnehmer eigens ein Gremium, das Besondere Verhandlungsgremium (BVG), zu bilden. Allein hierbei kommt es schon zu vielfältigen Fragestellungen: Wie ist dieses Gremium zu bilden und zu besetzen und wer kann Mitglied des BVG sein? Wie verlaufen die Verhandlungen und gibt es dabei Fristen zu berücksichtigen? Und was ist eigentlich, wenn die Gesellschaft anfangs gar keine Arbeitnehmer hat, später aber Arbeitnehmer dazubekommt – ist dieses Verhandlungsverfahren dann nachzuholen? 

Die letzte Frage ist – jedenfalls in groben Zügen – bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) gewandert und wurde dort unlängst entschieden (Beschluss vom 26.11.2024, Aktenzeichen 1 ABR 37/20). Grundlage der Entscheidung war eine Holding-SE, die ohne Durchführung eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens gegründet wurde, weil die Gründungsgesellschaften keine Arbeitnehmer beschäftigten und über keine Tochtergesellschaften verfügten, bei denen Arbeitnehmer beschäftigt waren. Die Holding-SE wurde alleinige Gesellschafterin einer Holding-GmbH, die wiederum durch einen Formwechsel in eine KG umgewandelt wurde. Die KG beschäftigte einige hunderte Mitarbeiter und hatte Tochtergesellschaften in mehreren EU-Mitgliedstaaten, bei denen insgesamt einige tausende Mitarbeiter tätig waren. Persönlich haftende Gesellschafterin der KG war eine Management-SE – deren Alleingesellschafterin war die Holding-SE, die zudem auch alleinige Kommanditistin der KG war. Der Konzernbetriebsrat der Gesellschaft hatte die Auffassung vertreten, dass die Holding-SE gegenüber der KG eine beherrschende Stellung innehabe und ihr daher die Arbeitnehmer der KG und ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen seien und damit das – grundsätzlich bei Eintragung der SE durchzuführende – Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren nachzuholen sei. 

Das BAG lehnte die Nachholung eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens in diesem Fall ab. Das Bundesarbeitsgericht schließt sich damit dem EuGH an (Urteil vom 16.05.2024, Aktenzeichen C-706/22) und schafft weitere Rechtssicherheit im Bereich der vielfältigen SE-Themen auf nationaler Ebene. Bereits der EuGH entschied auf die Vorlagefrage des BAG hin, dass die spätere Nachholung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens nicht allein deshalb zu erfolgen habe, weil die Holding-SE ein herrschendes Unternehmen von Arbeitnehmer beschäftigenden Tochtergesellschaften in einem oder mehreren EU-Mitgliedstaaten geworden ist.


§ 18 Abs. 3 SEBG – Gehen Sie zurück auf Los?

Wurde der kleine Meilenstein des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens gemeistert und erfolgreich abgeschlossen, sollte nichtsdestotrotz § 18 Abs. 3 SEBG nicht aus den Augen verloren werden. Diese Vorschrift wurde auch in der vorgenannten BAG-Entscheidung relevant. Gemäß § 18 Abs. 3 SEBG sind die Verhandlungen mit den Arbeitnehmern wiederaufzunehmen, sofern strukturelle Änderungen geplant sind, die geeignet sind, Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern. Wann derartige Änderungen vorliegen, wird gesetzlich nicht näher definiert. Ist es schon die Verlegung des Gesellschaftssitzes? Was ist mit Unternehmensstrukturierungen und Akquisitionen? Stellt ein Wechsel der Leitungsstruktur (dualistisch/monistisch), der jederzeit per Satzungsänderung möglich ist, eine solche strukturelle Änderung dar? 

Das BAG hat diskutiert, ob § 18 Abs. 3 SEBG analog anzuwenden ist, um im dargestellten Fall die Nachholung des Verhandlungsverfahrens zu begründen und kam zu dem Ergebnis, dass keine planwidrige Regelungslücke existiere, die für eine solche analoge Anwendung erforderlich wäre. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber eine Pflicht zur Nachholung von Verhandlungen im Fall der Gründung einer arbeitnehmerlosen SE hätte regeln wollen. Das BAG bewertet die bestehenden Regelungen im SEBG somit als eine bewusste und lückenlose Entscheidung des Gesetzgebers.

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