Änderungen des estnischen Handelsgesetzbuchs und das neue separate Handelsregistergesetz

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veröffentlicht am 5. Januar 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Ein wichtiges Datum für private juristische Personen, die nach estnischem Recht gegründet sind, ist der 1. Februar 2023, an dem das Handelsregistergesetz in Kraft tritt. Nämlich werden wesentliche Änderungen zum geltenden Handelsgesetzbuch eingeführt, wobei die Bestimmungen betreffend dem Handelsregister in ein eigenes Handelsregistergesetz überführt werden.

 

     

Hauptziel der Änderungen ist die Harmonisierung der Registervorschriften für private juristische Personen, da die derzeitigen Vorschriften zersplittert und uneinheitlich sind. Ziel ist es, die Verlässlichkeit und Rechtssicherheit bei der Nutzung von Registerdaten zu erhöhen und die Tätigkeit der Registerführer und Unternehmen zu vereinfachen.

 

Im Folgenden werden wir auf die wichtigsten Änderungen eingehen, die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach estnischem Recht betreffen.

    

Die wichtigsten Änderungen für GmbHs („osaühing") in Estland

Abschaffung der Mindestkapitalanforderung für GmbHs

Heute wird bei der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Regel automatisch das gesetzlich vorgeschriebene Stammkapital von 2.500 Euro gewählt. Da das geltende Handelsgesetzbuch jedoch keine Frist für die Einzahlung des Stammkapitals vorsieht, war es bisher möglich, dass das Stammkapital über einen langen Zeitraum nicht eingezahlt wurde oder dass überhaupt keine Einzahlung erfolgte.

Die Gesetzesänderung zielt darauf ab, die Verantwortung der Gründer zu erhöhen und sie dazu zu bringen, sorgfältiger über die Höhe des Kapitals nachzudenken, das sie für die Gründung ihrer GmbH tatsächlich benötigen. Die Abschaffung des Mindestkapitals bedeutet, dass es nicht mehr möglich sein wird, eine GmbH ohne Einlage zu gründen. Es wird aber gleichzeitig möglich sein, eine GmbH beispielsweise mit einem Stammkapital von nur einem Cent zu gründen.

 

Mit der Änderung soll allerdings sichergestellt werden, dass das von den Gründern gewählte und eingezahlte Stammkapital künftig auch Dritten Aufschluss über die Zuverlässigkeit des Unternehmens und über eine durchdachte Gründung gibt. Außerdem ist das derzeitige Mindestkapital von 2.500 Euro seit seiner Einführung im Jahr 1995 in Kraft und hat daher an Wert verloren.

  

Veränderung des erforderlichen Nettovermögens

Nach geltendem Recht muss das Nettovermögen mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft mit beschränkter Haftung betragen, und das Nettovermögen muss mindestens so hoch sein wie das gesetzlich festgelegte Mindeststammkapital, d.h. mindestens 2.500 Euro. Durch die Änderung wird die Anforderung, dass das Nettovermögen (Eigenkapital) mindestens so hoch sein muss wie das gesetzlich festgelegte Mindeststammkapital, gestrichen.

 

Die Liste der Gesellschafter wird im Handelsregister geführt

Nach geltendem Recht wird die Liste der Gesellschafter von der Geschäftsführung der Gesellschaft geführt. Die Angaben zu den Gesellschaftern sind im Handelsregister öffentlich zugänglich, aber es handelt sich nicht um Eintragungen im Handelsregister, sondern nur um informative Daten.

Die Änderungen sehen vor, dass die Liste der Gesellschafter künftig im Handelsregister geführt wird. Da die in die Gesellschafterliste eingetragenen Angaben den Stellenwert eines Handelsregistereintrages haben werden, werden diese Angaben fortan öffentliche Glaubwürdigkeit genießen. Es wird daher möglich sein, sich auf die im Handelsregister eingetragene Gesellschafterliste zu verlassen, und ein gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen wird möglich sein.

 

Vereinfachung der Löschung aus dem Register im Falle der Nichtvorlage des Jahresabschlusses

Die Pflicht zur Vorlage eines Jahresberichts ist gesetzlich vorgeschrieben und daher kommt die Vorlagefrist nicht als Überraschung. Nach den neuen Vorschriften steht es dem Registerführer frei, einer juristischen Person, die ihren Jahresbericht nicht fristgerecht eingereicht hat, ohne Abmahnung ein Bußgeld aufzuerlegen. Bei der Festsetzung der Höhe des Bußgeldes kann der Registerführer unter anderem berücksichtigen, wie lange der Jahresbericht überfällig ist sowie wie oft der Jahresbericht überfällig war.

 

Legt eine juristische Person den Jahresbericht auch innerhalb der vom Registerführer gesetzten Frist nicht vor und sind seit der gesetzlich vorgeschriebenen Frist für die Einreichung des Jahresberichts mindestens drei Monate vergangen, kann die juristische Person aus dem Register gelöscht werden. Um aus dem Register gelöscht zu werden, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, wie z.B. dass die juristische Person kein Vermögen hat und nicht Beteiligte an einem anhängigen Verfahren ist.

 

Da die Löschung aus dem Handelsregister die extremste Maßnahme gegen eine juristische Person ist, wird die Möglichkeit einer erneuten Eintragung innerhalb von drei Jahren geschaffen, um die Löschung sozusagen auszugleichen.

   

Löschung aus dem Register, wenn kein Ansprechpartner benannt ist

Neben dem vereinfachten Verfahren zur Löschung einer juristischen Person aus dem Handelsregister wegen Nichtvorlage eines Jahresberichts ist die Löschung auch dann möglich, wenn eine juristische Person mit ausländischer Anschrift keine Kontaktperson (keinen Ansprechpartner) im Register hat. Wenn die juristische Person keine estnische Anschrift hat, muss ein Ansprechpartner jedoch benannt werden.

Der Gesetzentwurf sieht eine Verpflichtung zur Benennung eines Ansprechpartners für eine bestimmte Frist vor. Ist die Frist abgelaufen, kann sie verlängert werden, oder der Ansprechpartner wird aus dem Register gestrichen.

 

Hat eine juristische Person die Daten nicht übermittelt, kann eine Geldbuße verhängt werden. Allerdings ist zu beachten, dass nach den neuen Vorschriften, wenn eine juristische Person es versäumt, einen Ansprechpartner innerhalb der vom Registerführer gesetzten Frist zu benennen, der Registerführer das Recht hat, die juristische Person aus dem Register zu streichen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Auch hier sieht der Gesetzesentwurf die Möglichkeit vor, innerhalb von 3 Jahren wieder in das Register eingetragen zu werden.

  

Möglichkeit einen Firmennamen zu reservieren

Als eine Änderung, die am 1. März 2024 in Kraft treten soll, wird die Möglichkeit vorgesehen, einen Firmennamen zu reservieren. Bei der Reservierung eines Firmennamens müssen die Tätigkeit, für die der Firmenname verwendet werden soll, und die Rechtsform des Unternehmens angegeben werden.

Die Zulässigkeit eines Firmennamens wird zum Zeitpunkt seiner Reservierung geprüft, und der Registerführer trifft zum Zeitpunkt der Reservierung eine endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit des Firmennamens, die nicht überprüft oder geändert werden kann, wenn der Firmenname eingetragen ist.

 

Es ist möglich, einen Firmennamen für bis zu sechs Monate zu reservieren und die Reservierung aus wichtigem Grund einmal um drei Monate zu verlängern. Dieselbe Person darf denselben Namen nicht ein zweites Mal reservieren, um böswillige Reservierungen von Firmennamen zu vermeiden. Nach den Erläuterungen zum Gesetzentwurf beträgt die Staatsgebühr für die Reservierung eines Firmennamens 150 Euro, wobei zu beachten ist, dass die Staatsgebühr nicht zurückerstattet wird, wenn die Reservierung storniert wird.

   

Eintragung zu einem bestimmten Datum

Nach der Neuregelung kann aus triftigem Grund eine bestimmte Frist für die Eintragung in das Handelsregister beantragt werden. Diese Möglichkeit ist u.a. für die Festlegung der Folgen von Verschmelzungen und Spaltungen vorgesehen. Zum Beispiel in Fällen, in denen eine Verschmelzung zu einem bestimmten Datum wirksam werden soll und damit rechtzeitig feststeht, ob der eingereichte Antrag Mängel aufweist oder die Eintragung zum gewünschten Zeitpunkt erfolgen kann.

 

Ein solcher Antrag kann nur für die Änderung von Daten gestellt werden, und nicht bei Ersteintragungen. Das beantragte Eintragungsdatum kann innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten ab dem Datum des Antrags liegen.

  

Ansprechpartner oder estnische Adresse des ausländischen Unternehmens

Nach dem geltenden Handelsgesetzbuch ist eine Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens verpflichtet, einen Ansprechpartner zu ernennen, wenn mindestens die Hälfte der Geschäftsführer der Zweigniederlassung nicht in Estland wohnhaft ist. Diese Pflicht zur Ernennung eines Ansprechpartners durch den Wohnsitz der Geschäftsführer der Zweigniederlassung wird jedoch in Zukunft abgeschafft. Das bedeutet, dass die Ernennung eines Ansprechpartners für die ausländische Zweigniederlassung freiwillig sein wird.

Nach der neuen Regelung ist die Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens jedoch verpflichtet, die estnische Anschrift der Zweigniederlassung in das Register einzutragen, unter der Dokumente zugestellt werden können.

 

Es ist zu beachten, dass nach der Neuregelung bei der Ernennung eines Ansprechpartners auch anzugeben ist, für welchen Zeitraum der Ansprechpartner ernannt wird. Die Angaben zum Ernennungszeitraum müssen zusammen mit dem Antrag auf Ernennung eines Ansprechpartners eingereicht werden, und der Registerführer muss über die Verlängerung des Ernennungszeitraums informiert werden. Wird der Zeitraum nicht verlängert, wird der Ansprechpartner aus dem Register gestrichen.

   

Änderung beim Verfahren zur Liquidation juristischer Personen

Das Erfordernis, dass mindestens ein Liquidator seinen Wohnsitz in Estland haben muss, wird abgeschafft. Das Erfordernis gilt auch nicht für die Mitglieder der Geschäftsführung, die häufig Liquidatoren sind.

Es werden Bedingungen festgelegt, unter denen ein Unternehmen bei Beendigung der Liquidation nicht aus dem Register gelöscht werden darf. Nach der Gesetzesänderung müssen die Liquidatoren, die die Löschung der Gesellschaft aus dem Register beantragen, unter anderem bestätigen, dass der Löschung des Unternehmens aus dem Register keine anderen rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Insbesondere darf eine juristische Person, die Beteiligte an einem laufenden Verfahren ist, nicht aus dem Register gestrichen werden, wenn die Streichung dieses Verfahren verhindern würde.

 

Es gibt auch einige terminologische Änderungen. So wird zum Beispiel der Begriff „die Eröffnungsbilanz der Liquidation" durch „Liquidationsbericht" ersetzt und „die Schlussbilanz" in „Abschlussbericht der Liquidation" geändert.

 

Nach der Gesetzesänderung ist eine Wirtschaftsprüfung des Abschlussberichts der Liquidation erforderlich, wenn eine solche Verpflichtung für den letzten Jahresbericht vor dem Auflösungsbeschluss bestanden hat oder für den Abschlussbericht der Liquidation unter Berücksichtigung der Anforderungen des Wirtschaftsprüfergesetzes bestehen würde.

   

Aufhebung des Erfordernisses der Prüfung von Sacheinlagen in eine „osaühing"

Die Bewertung der Sacheinlage obliegt der Geschäftsführung. Nach geltendem Recht muss die Bewertung der Sacheinlage durch einen Wirtschaftsprüfer geprüft werden, wenn das Stammkapital der Gesellschaft mit beschränkter Haftung mindestens 25.000 Euro beträgt und der Wert einer Sacheinlage 1/10 des Stammkapitals ausmacht oder wenn alle Sacheinlagen einer solchen Gesellschaft zusammen mehr als die Hälfte des Stammkapitals ausmachen. Das Erfordernis der Prüfung der Bewertung der Sacheinlage durch einen Wirtschaftsprüfer soll nach den neuen Regelungen nur für Aktiengesellschaften gelten. Der Gesetzgeber ist der Ansicht, dass nur Prüfungen von Sacheinlagen mit einem höheren Wert (ab 50.000 Euro) gerechtfertigt sind.

  

Änderungen der Gruppenregeln

Für Unternehmensgruppen werden neue Regeln eingeführt, insbesondere in Bezug auf die Führung der Gruppe und die Haftung der Muttergesellschaft sowie die Haftung der Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft.

Nach dem allgemeinen Grundsatz muss jedes Mitglied des Leitungsorgans eines Unternehmens in erster Linie im Interesse dieses Unternehmens handeln. Mit der Änderung wird aber das Gruppeninteresse eingeführt, da das Handeln im Interesse des eigenen Unternehmens den Interessen der gesamten Gruppe zuwiderlaufen kann. So wird die Muttergesellschaft künftig das Recht haben, einem Mitglied des Leitungsorgans der Tochtergesellschaft Weisungen zu erteilen. Mit den Änderungen wird auch die Haftung der Muttergesellschaft für den Fall eingeführt, dass eine Tochtergesellschaft auf ihre Weisung hin geführt wurde und sich diese Tochtergesellschaft in einer finanziellen Lage befindet, die in Zukunft zu einer Insolvenz führen kann.

  

Inkrafttreten

Das Inkrafttreten der Gesetzesänderungen ist aufgrund des großen Umfangs der Entwicklungen von Informationssystemen in drei Phasen unterteilt:

  • Das allgemeine Inkrafttreten des Gesetzes ist der 1. Februar 2023.
  • Die Änderungen der Gesellschafterliste werden am 1. September 2023 in Kraft treten.
  • Möglichkeit, einen Firmennamen zu reservieren und die Eintragung zu einem bestimmten Datum zu beantragen wird am 1. März 2024 in Kraft treten.
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