Der Austausch von Informationen zwischen ehemaligen und künftigen Arbeitgebern

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veröffentlicht am 24. Oktober 2022 | Lesedauer ca. 6 Minuten

   

Arbeitsverhältnisse sind die Beziehungen des Berufslebens. Auch hier gilt, dass sich – metaphorisch – eine neue Liebe wie ein neues Leben anfühlt. Das Arbeitsverhältnis ist nicht selten zu Beginn neu, aufregend und wird positiv beurteilt. Mit zunehmender Dauer sowie insbesondere nach Kündigung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann jedoch eine gänzlich konträre Gefühlslage vorherrschen. 

  

   

Trotz der eventuell vorhandenen negativen Erfahrungen mit ehemaligen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (nachfolgend: Arbeitnehmern) werden in der Praxis allerdings weit überwiegend Zeugnisse ausgestellt, die Arbeitnehmern gute bis sehr gute Leistungen sowie Verhaltensweisen attestieren. Das liegt meist daran, dass sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (nachfolgend: Arbeitgeber) im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs oder Aufhebungsvertrags hierzu verpflichtet haben. Mit der beschönigenden Darstellung des Sachverhaltes geht zugleich der Drang mancher Ex-Arbeitgeber einher, künftige Arbeitgeber vor negativen Erfahrungen zu warnen. Künftige Arbeitgeber haben zudem bisweilen das Bedürfnis im eigenen Einstellungsverfahren nach gemachten Erfahrungen bei dem Ex-Arbeitgeber nachzufragen. Im Rahmen dieser häufig informellen telefonischen Anfragen machen sich jedoch die wenigsten Arbeitgeber Gedanken zu der Frage: Darf ich eigentlich Auskunft erteilen?

 

Diese Frage wurde in jüngerer Vergangenheit auch durch eine Entscheidung des Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 5. Juli 2022, Az. 6 Sa 54/22, virulent. Die Entscheidung zum Anlass genommen greift der Beitrag einige ausgewählte Facetten der Thematik auf.


    

Ausgangslage: Der Schutz des arbeitnehmereigenen Persönlichkeitsrechts

Bei der Suche nach der Antwort auf die eingangs gestellte Frage ist zunächst festzuhalten, dass eine genau für diese Fälle konzipierte gesetzliche Regelung, die explizit eine Auskunft erlaubt oder versagt, nicht existiert. Dass keine solche Regelung existiert, schützt den Arbeitgeber jedoch nicht vor etwaigem folgenbehaftetem Fehlverhalten. Bei der Frage, was der Arbeitgeber wann „sagen" darf, sind bestimmte gesetzliche Regelungen und Wertungen der Rechtsprechung dennoch in den Fokus zu nehmen. Wichtig ist insoweit zunächst, dass Arbeitgeber ein Bewusstsein für die rechtliche Konfliktsituation entwickeln, in der sie sich tatsächlich bewegen. Dann können sie im Einzelfall besser bewerten, wie sie sich – im Idealfall – risikofrei verhalten dürfen bzw. können.

 

So haben Arbeitnehmer bei objektiv rechtswidrigen Eingriffen in ihr Persönlichkeitsrecht gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) i.V.m. Art. 1, 2 des Grundgesetzes (GG) einen Anspruch auf Unterlassung der Äußerungen, gegebenenfalls sogar auf Richtigstellung. Diesen können sie gerichtlich geltend machen und durchsetzen.

 

Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts liegt bei einem Eingriff in die individuelle Privatsphäre des Arbeitnehmers vor. Das durch Art. 1 und 2 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Arbeitnehmer nicht nur vor einer unzulässigen Ausforschung seiner Persönlichkeit, sondern umfasst ebenfalls den Schutz vor Offenlegung personenbezogener Daten. Dieser Schutz gilt sogar für solche Daten, die der Arbeitgeber in zulässiger Weise erlangt. Im Ergebnis gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht, dass Arbeitnehmer grundsätzlich selbst entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Juli 2022 – 6 Sa 54/22).

 

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann allerdings im Einzelfall eingeschränkt werden. Wann das der Fall ist, also wo die Grenze eines unantastbaren Bereichs privater Lebens- und Informationsgestaltung endet, bestimmt sich nach dem sogenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Er besagt, dass das Persönlichkeitsrecht durch die Wahrnehmung überwiegend schutzwürdigender Interessen eingeschränkt werden kann. Wann dies der Fall ist, ist im konkreten Einzelfall anhand einer Güter- und Interessenabwägung zu klären. In dieser wird geprüft, ob dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gleichwertige und schutzwürdige Interessen anderer entgegenstehen.

 

Zulässigkeit der Auskunftserteilung umstritten

Aus dieser – zugegebenermaßen insbesondere für juristische Laien – schwerlich zu handhabenden Interessenabwägung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits sehr früh mehrere Grundsätze abgeleitet.

 

Konkret konstatierte das BAG einerseits, dass der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der nachwirkenden Fürsorgepflicht gehalten sei, über die Erteilung des Zeugnisses hinaus im Interesse des ausgeschiedenen Arbeitnehmers Auskünfte über ihn an solche Personen zu erteilen, mit denen der Arbeitnehmer in Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages steht (BAG, Urteil vom 18.12.1984 - 3 AZR 389/83). Mit anderen Worten bedeutet das, dass Arbeitgeber im Grundsatz sogar zur Erteilung einer Auskunft gegenüber dem neuen Arbeitgeber verpflichtet sind, sofern der Arbeitnehmer das verlangt. Der insoweit statuierte Grundsatz ist jedoch nicht allein für Arbeitnehmer interessant. So dürfen Arbeitgeber ausweislich der Rechtsprechung des BAG Auskünfte auch gegen den Willen des ausgeschiedenen Arbeitnehmers erteilen. Konkret könne ein Arbeitgeber nämlich nicht daran gehindert werden, andere Arbeitgeber bei der Wahrung ihrer Belange zu unterstützen.  

 

Dennoch ist die Auskunftserteilung in der Praxis aus aktueller Perspektive risikobehaftet. Konkret wurde die zuvor konturierte Rechtsprechungslinie bereits vor Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) in der juristischen Literatur teilweise kritisch bewertet. Überdies wurden im Einzelfall instanzgerichtliche Entscheidungen gefällt, die vorsahen, dass ein potenzieller Arbeitgeber Auskünfte von früheren Arbeitgebern nur mit Zustimmung des Bewerbers einholen dürfe (ArbG Stuttgart, Teilurteil vom 1. Februar 2001 – 28 Ca 8988/00). Zwar haben Instanzgerichte insbesondere in jüngerer Vergangenheit die durch das BAG aufgestellten Grundsätze auch nach Inkrafttreten von BDSG und DSGVO weiter explizit angewandt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Juli 2022 – 6 Sa 54/22). Höchstrichterlich geklärt ist die Frage allerdings bisher nicht. Im Ergebnis spricht dennoch viel dafür, dass Arbeitgeber grundsätzlich dazu berechtigt sind, Auskünfte zu erteilen.

 

Ob etwaige Auskünfte ohne ausdrückliche Einwilligung des Arbeitnehmers zulässig sind, wird nach heutiger Rechtslage auch anhand von § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG beurteilt. Er verlangt, dass die Auskunftserteilung für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Auch insoweit wird eine Interessenabwägung durchgeführt, die zu selbigem Ergebnis führen dürfte.

 

Auskünfte gegen den Willen des Arbeitnehmers wohl nur in Ausnahmefällen

Trotz grundsätzlicher Zulässigkeit ist eine Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers gegen den Willen – jedenfalls im Grundsatz – nicht ratsam. Zwar mag ein nachvollziehbares Bedürfnis des ehemaligen Arbeitnehmers dahingehend existieren, künftige Arbeitgeber vor Schäden zu bewahren. Hierbei darf jedoch nicht vergessen werden, dass die teilweise empfundene „Schicksalsgemeinschaft" rechtlich nur in Ausnahmefällen zu verargumentieren ist.

 

In Betracht kommt etwa im Einzelfall eine Auskunft, wenn der Bewerber oder die Bewerberin lügt, nicht die volle Wahrheit sagt, per se nicht vertrauenswürdig ist oder unternehmensschädigend wirkt. In der unternehmerischen Praxis sind derartige Fälle allerdings eher die Ausnahme.

 

Unproblematisch zulässig ist die Erteilung einer Auskunft dann, wenn der Arbeitgeber zur Auskunft verpflichtet ist. Exemplarisch hierfür ist etwa § 42f des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 840 der Zivilprozessordnung (ZPO) oder § 98 des zehnten Sozialgesetzbuchs (SGB X).

 

Vorsicht bei Gefälligkeitszeugnissen ratsam

Kritischer ist ebenfalls die Ausstellung von sogenannten Gefälligkeitszeugnissen. Hierbei handelt es sich um ein Arbeitszeugnis, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten besonders positiv darstellt. Exemplarisch für derartige Fälle ist etwa die Zeugniserteilung auf Basis eines im Rahmen eines Kündigungsschutzrechtsstreits geschlossenen Vergleichs oder aber zur Ermutigung des Arbeitnehmers, sich anderweitig zu bewerben.

 

Fraglich ist in diesem Zusammenhang etwa, ob eine später erteilte Auskunft mit einem zuvor ausgestellten Arbeitszeugnis korrelieren muss. Für diese Annahme spricht in praktischer Hinsicht, dass sich Arbeitgeber anderenfalls unglaubwürdig machen. Anders ist es natürlich, wenn das zu bewertende Verhalten des Arbeitnehmers, über das Auskunft erteilt werden soll, in einen Zeitraum nach Erstellung des Zeugnisses fällt. 

 

Überdies besteht das Risiko, dass sich der Arbeitgeber potenzielle Handlungsoptionen abschneidet. Stellt der Arbeitgeber etwa trotz Kenntnis aller Umstände, die eine Kündigung rechtfertigen, ein Gefälligkeitszeugnis aus, so darf er sich wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nach teilweise vertretener Auffassung im Kündigungsschutzprozess nicht mehr auf diese Gründe berufen.

 

Worüber darf ein Arbeitgeber also Auskunft erteilen?

Fragt ein Unternehmen im Bewerbungsverfahren Informationen beim ehemaligen Arbeitgeber ab, so erstreckt sich die Auskunft auf Informationen über die Leistung und das Verhalten des in Rede stehenden Arbeitnehmers.

 

Dabei hat sich der Arbeitgeber aber an zeugnisrechtliche Grundsätze zu halten und die Herausgabe von Arbeitsbedingungen oder das Teilen der Personalakte ist nicht gestattet. Aufgrund der Tatsache, dass das Zeugnis und damit verbundene Auskünfte die berufliche Zukunft des Arbeitnehmers fördern und nicht konterkarieren soll, müssen sich Arbeitgeber wohlwollend äußern. Auch muss der Arbeitgeber die Auskunft so objektiv wie möglich erteilen. Dennoch ist das oberste Gebot auch für Erteilung der Auskunft die Wahrheit der Gesamtbeurteilung. Hintergrund ist, dass künftige Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Zuverlässigkeit der Aussage haben. Wie dargestellt, kann ein bereits erteiltes Zeugnis eine gewisse Bindungswirkung entfalten.

 

Ferner ist die Überlassung von Teilen der Personalakten von Arbeitnehmern an Dritte rechtlich nicht zulässig. Hierzu gehört insbesondere die Einsicht in den Arbeitsvertrag, Arbeitgeberdarlehen oder Daten zur Krankheitshistorie.

 

Risiko etwaiger Schadensersatzforderungen bei falschen Auskünften

Unzweifelhaft abzuraten ist es Arbeitgebern, gemäß dem Sprichwort „schmutzige Wäsche waschen" zu verfahren. Falsche Angaben, eine Fokussierung auf negative Aspekte oder aber sogar eine verunglimpfende Darstellung des ehemaligen Arbeitnehmers resultieren gegebenenfalls in einer Klage auf Ersatz entstandenen Schadens.

 

Konkret führt gemäß Art. 92 DSGVO zunächst jeder Verstoß gegen die DSGVO zu einem Anspruch auf Schadensersatz. Außerdem bedingt eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Eigenschaft als sogenanntes „Rahmenrecht" grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens.

 

Sogar spätere Arbeitgeber können nach unrichtig erteilter Auskunft Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn der frühere Arbeitgeber vorsätzlich in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gehandelt hat (§ 826 BGB).

 

Ob und wie potenzielle Anspruchsteller von einer fehlerhaften Aussage Kenntnis erlangen, ist zugegebenermaßen fraglich. In den seltensten Fällen werden Absagen mit der Auskunft eines ehemaligen Arbeitgebers begründet. Darüber hinaus wird der Prozess der Auskunftserteilung typischerweise diskret, mithin via Telefon oder im persönlichen Austausch, erfolgen. Deswegen kann es für den Anspruchsteller in einem etwaigen Gerichtsverfahren schwierig sein, seinen behaupteten Schadensersatzanspruch darzulegen und zu beweisen. Darauf verlassen sollten sich Arbeitgeber jedoch nicht.

 

Rechte der Arbeitnehmer bei Auskunft über personenbezogene Daten

Erteilt der ehemalige Arbeitgeber Auskunft über etwaige personenbezogene Daten, so ist er gemäß Art. 15 DSGVO auf arbeitnehmerseitige Anfrage verpflichtet, über den Inhalt der Auskunft fristgemäß zu unterrichten. Überdies sind die Arbeitnehmer über die Verarbeitung ihrer personenbezogener Daten gemäß den Art. 13 und 14 DSGVO zu informieren. Missachtet der Arbeitgeber diese Pflichten, kann das wiederrum zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers führen.

 

Fazit

Resümierend ist Arbeitgebern im Grundsatz zu raten, dass sie Auskünfte nur nach vorherigem Einverständnis des ehemaligen Arbeitnehmers erteilen. Liegt dieses nicht vor, so ist es vorzugswürdig, lediglich auf den Inhalt des Zeugnisses zu verweisen. Außerdem ist die Ausstellung von Gefälligkeitszeugnissen, insbesondere wenn es keine vertragliche Grundlage hierfür gibt, ebenso wenig empfehlenswert, wie die Herausgabe ganzer Datensätze an den potenziellen künftigen Arbeitgeber. 

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