Anwaltliches Berufsrecht und Legal Tech: Eine Bestandsaufnahme

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veröffentlicht am 12. Februar 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten


In der digitalen Welt erfreuen sich Legal Tech-Anwendungen einer immer größer werden­den Beliebtheit. Das kürzlich ergangene Urteil des BGH im Fall „weniger­miete.de” hat hinsichtlich der Rechtslage für Legal-Tech Anbieter in auf­sichts­rechtlicher Hinsicht zwar punktuell Klarheit geschaffen, insgesamt herrscht jedoch weiterhin Rechtsunsicherheit auf dem Gebiet.



Legal Tech – was wird darunter verstanden?

Unter dem schillernden Begriff Legal Tech fallen einerseits Hilfestellungen etwa für Rechtsanwälte, wie bspw. Vertragsgeneratoren, andererseits auch Anwendungen, die Rechtsdienstleistungen vollständig oder teilweise automatisieren. Die Anzahl der Anbieter von Anwendungen letzterer Fallgruppe wird stetig größer. So gibt es Tools, die den Anwender durch Eingabe weniger Parameter mittels eines Algorithmus Kündigungsschreiben erstellen lassen. Über die Smartphone-App „Flugärger” der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen können sich Nutzer die Höhe einer etwaig wegen einer Flugverspätung zustehenden Entschädigung berechnen lassen, ohne hierfür auch nur einmal in die – für den juristischen Laien nur schwerlich verständliche EU-Fluggast­rechterichtlinie – einen Blick geworfen zu haben. Über das in den Fokus der Medien geratene Portal „wenigermiete.de”, das kürzlich Gegenstand einer Grundsatzentscheidung des BGH zu Legal Tech war, können sich Mieter ausrechnen lassen, ob und in welcher Höhe ihnen wegen zu viel gezahlter Miete (Stichwort: Mietpreisbremse) Rückforderungsansprüche gegen ihren Vermieter zustehen. In einem weiteren Schritt kann der Verbraucher die Ansprüche dann auch durch den Anbieter durchsetzen lassen.


Die Rechtslage für Anbieter in aufsichtsrechtlicher Hinsicht

Die Mehrzahl der Dienstleister, die Rechte auch für den Verbraucher durchsetzen, agiert auf der Basis einer Inkassoerlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Das bedeutet, dass – anders als bei Rechtsanwälten – Erfolgshonorare vereinbart werden können. So fallen etwa bei der (auch gerichtlichen) Durchsetzung von Fluggastrechten durch Portale wie „flightright.de” oder „fairplane.de” nur im Erfolgsfall Gebühren für den Verbraucher an. Hat eine Klage keinen Erfolg, trägt der Anwender keine Kosten. Weiterhin unterliegen Inkassounternehmen keinen bedeutsamen Einschränkungen bei der Werbung für ihre Dienstleistungen. Zwar wurden die Beschränkungen für Werbung durch Rechtsanwälte mittlerweile gelockert, es sind jedoch noch immer strengere Vorgaben zu beachten als bei Gewerbetreibeden – also auch Inkasso­dienstleistern. Schließlich können sich – anders als es das Berufsrecht der Rechtsanwälte regelt – auch Investoren an Inkassodienstleistern beteiligen.

Die Inkassoerlaubnis nach dem RDG erlaubt dem Inkassodienstleister jedoch nach dem Gesetzeswortlaut nur die Einziehung von Forderungen. Nur zugelassene Rechtsanwälte, deren Tätigkeit durch das anwaltliche Berufsrecht einer weitreichenden Regulierung unterliegt und umfangreiche Pflichten vorhält, die letztlich dem Wohle des Mandanten dienen sollen, dürfen Rechtsdienstleistungen erbringen.


Grundsatzurteil des BGH?

Kürzlich hat sich der BGH mit Urteil vom 27. November 2019 (Az. VIII ZR 285/18) erstmals im Zusammenhang mit dem eingangs erwähnten Portal „wenigermiete.de” zur Zulässigkeit eines Legal Tech-Geschäftsmodells durch einen Inkassodienstleister geäußert, insbesondere zu der Frage, welche Rechtsdienstleistungen – über die reine Einziehung von Forderungen hinaus – einem Inkassodienstleister (noch) erlaubt sind.

Die Betreiberin des Portals hatte sich von einem Mieter Ansprüche gegen seinen Vermieter wegen zu viel gezahlter Miete (Stichwort: Mietpreisbremse) abtreten lassen. Nachdem außergerichtlich keine Einigung erzielt werden konnte, machte die Betreiberin als Klägerin und Inhaberin einer Inkassobefugnis den Anspruch im eigenen Namen gegenüber dem Vermieter geltend. Der Vermieter wand als Beklagter u.a. ein, dass die zwischen Mieter und der Betreiberin geschlossene Vereinbarung über die Abtretung und auch Durchsetzung der Ansprüche wegen Verstoßes gegen das RDG nichtig sei und die Betreiberin somit auch nicht Inhaberin der Forderung geworden sei, da die Inkassobefugnis überschritten werde.

Der BGH erteilte der Ansicht der Beklagten jedoch eine Absage. Die Tätigkeit der Betreiberin sei nach der gebotenen „großzügigen Betrachtung” vom Begriff der Inkassodienstleistung noch umfasst. Begründet wird das damit, dass der Zweck des RDG letztlich der Schutz des Rechtssuchenden vor unqualifizierten Rechtsdienst­leistungen sein soll. Bei der Änderung des RDG sei es dem Gesetzgeber darum gegangen, außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu deregulieren und zu liberalisieren. Dabei solle das RDG die Entwicklung neuer Berufsfelder erlauben und die Entwicklungen des Rechtsberatungsmarktes zukunftssicher ausgestalten.

Dass Inkassodienstleister anders als Rechtsanwälte Erfolgshonorare vereinbaren dürfen und einer in ihrer Intensität und Dauer wesentlich geringeren Ausbildung für die Erlangung einer Zulassung bedürfen, stelle nach Ansicht des BGH auch keinen Wertungswiderspruch zum anwaltlichen Berufsrecht dar. Zum einen stellen Inkassodienstleister nach Ansicht des BGH keine Organe der Rechtspflege dar, zum anderen sei es ihnen auch nicht ausdrücklich verboten, erfolgsbezogene Honorare zu vereinbaren.


Fazit und Ausblick

Auch wenn das Urteil das gegenständliche Geschäftsmodell im Ergebnis billigt, kann es nicht ohne weiteres auf andere Legal Tech-Anbieter übertragen werden. Es ist, wie der BGH feststellt, stets eine Einzelfallbe­trachtung geboten. Ein „letztes Wort” des BGH ist damit nicht gesprochen. Die Rechtslage für Legal Tech-Anbieter bleibt somit auch weiterhin weitestgehend unklar. Ein Stück weit mehr Klarheit könnte durch die bevorstehende Entscheidung des BGH zum „MyRight”, einem Legal Tech-Anbieter, über den Schadensersatz­ansprüche zahlreicher Verbraucher gegen VW geltend gemacht wurde, ergeben. Die weitere Entwicklung bleibt also spannend. Letztlich liegt es aber auch am Gesetzgeber, einen verbindlichen Rechtsrahmen zu schaffen und somit für mehr Rechtssicherheit für Legal Tech-Anbieter zu sorgen.

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Moritz Sippel

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