Die zunehmende Bedeutung des Abkommensschutzes deutscher Personengesellschaften in Indien

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veröffentlicht am 7. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Indien ist ein sehr attraktiver Markt. Für deutsche Personengesellschaften wird der Verkauf von Waren und Dienstleistungen nach Indien aus steuerlicher Sicht jedoch zunehmend schwierig. Der indische Gesetzgeber weitet die Besteuerung auslän­di­scher Unternehmen aus. Gleichzeitig fehlt deutschen Personengesellschaften die Möglichkeit, sich unter den Schutzschirm des mit Indien geltenden Doppelbe­steuer­ungs­abkommens zu stellen. Maßnahmen auf unternehmerischer wie auch auf politi­scher Ebene sind notwendig.



Das Problem der steuerlichen Transparenz

Deutsche Personengesellschaften sind aus einkommensteuerlicher Sicht transparent. Zwar wird ihr Gewinn auf Ebene der Gesellschaft festgestellt, versteuert wird er aber bei ihren Anteilseignern. Diese Besonderheit schafft in Indien abkommensrechtliche Probleme.

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) schützen nur Personen, die in einem der beiden Vertragsstaaten steuer­lich ansässig sind. Und Personen, einschließlich Personengesellschaften, gelten grundsätzlich nur in dem Staat als steuerlich ansässig, in dem sie unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Für Indien folgt das aus den Artikeln 1 und 4 DBA D-IND. Nur in wenigen – v.a. neueren – DBAs werden transparente Personen­gesellschaf­ten selbst einem Abkommensschutz unterstellt (z.B. Art. 4 Abs. 1 b DBA IND-UK, im Anklang an Art. 4 Abs. 1 b DBA IND-USA).
 
Die indische Finanzverwaltung weiß um die einkommensteuerliche Transparenz deutscher Personengesell­schaf­­ten und schließt daraus, dass ihnen die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland fehlt. Entsprechend verweigert sie ihnen den Abkommensschutz. Gleichzeitig lehnt sie es in Abweichung zur Auffassung der OECD ab, auf die Ebene hinter der Personengesellschaft zu blicken und die Abkommens-Vorteile bei Erfüllung der not­wendigen Voraussetzungen ihren Gesellschaftern zu gewähren. Entscheidungen indischer Rechtsmittel­in­stanzen, wonach eine transparente Personengesellschaft selbst als abkommensberechtigt anzusehen ist, wenn all ihre Anteilseigner im Sitzstaat ansässig sind, blieben eher vereinzelt (u.a. ITAT Mumbai im Fall Linklaters, 2010; abweichend Authority for Advance Ruling Mumbai, im Fall ABC, 2010).


High Court Mumbai

Für deutsche Personengesellschaften, die der Gewerbesteuer unterliegen, gibt es noch ein Rettungsanker. Sie können sich auf eine Entscheidung des High Court Mumbai aus dem Jahre 2013 berufen. Er hielt das deutsche Unternehmen Chiron Behring GmbH & Co. KG als vom DBA D-IND geschützt und begründete das mit der Tatsa­che, dass das Unternehmen für Zwecke der Gewerbesteuer ein eigenes Steuersubjekt sei. Die Entschei­dung wurde auch in der deutschen Fachliteratur diskutiert (Jacob/Hagena IStR 2013, 485). Eine für ganz Indien gel­tende höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt jedoch. Im Gegenteil, es gibt auch abweichende Entscheidun­gen z.B. in Bezug auf Schweizer Unternehmen (Authority for Advance Ruling im Fall Schellenberg-Wittmer, 2012).


Das Problem verschärft sich

Verschärft wird die Problematik durch zwei Tendenzen: Die deutsche Finanzverwaltung versagt Personen­ge­sellschaften zunehmend die Ausstellung steuerlicher Ansässigkeitsbescheinigungen, die in Indien als ein wich­tiges Dokument gelten. Nur (unzureichende) Bescheinigungen über den Ort der Geschäftsleitung werden aus­gestellt. Das erschwert deutschen Personengesellschaften die Argumentation gegenüber der indischen Finanz­verwaltung erheblich.

Ferner scheint eine aktuelle Gesetzesänderung in Indien das Argument, sich auf die Gewerbesteuerpflicht einer Personengesellschaft berufen zu können, einzuschränken. Sect. 2 (29A) Income Tax Act, definiert eine auslän­dische Person als dann in einem Staat steuerlich ansässig, wenn sie dort der “Income Tax” unterliegt. Und die Gewerbesteuer (englisch „Trade Tax“) steht nun leider nicht im deutschen Einkommenssteuergesetz, sondern in einem gesonderten Gesetz. Ein spitzfindiges Argument, das aber mit Sicherheit von der indischen Finanz­ver­wal­tung vorgebracht werden wird.

An dieser Stelle ist ein Blick notwendig auf die Konsequenzen, die sich aus der Versagung des Abkommens­schutzes in Indien ergeben können.


Dividenden

Dividenden unterliegen in Indien einer Quellensteuer von etwas über 20 Prozent. Das DBA D-IND deckelt sie auf 10 Prozent. Für nicht abkommensgeschützte Personengesellschaften fällt diese Deckelung weg.


Betriebsstätten

Das DBA D-IND regelt in Art. 5, wann eine sogenannte ertragsteuerliche Betriebsstätte entsteht und deutsche Unternehmen mit ihrem in Indien erwirtschafteten Gewinn der indischen Income Tax unterliegen. Dabei schützt das DBA vor einer zu weiten Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte. Montagen gelten z.B. nur dann als be­triebsstättenbegründend, wenn sie länger als 6 Monate andauern. Eine feste Geschäftseinrichtung gilt nur dann als eine Betriebstätte, wenn das ausländische Unternehmen tatsächlich Verfügungsmacht über sie hat. Auslieferungslager sind von dem Betriebsstättenbegriff ausgenommen. Die Liste ließe sich verlängern.


Significant Economic Presence

Während das Konzept der Betriebsstätte auch nach nationalem indischen Recht eine Besteuerung stets an eine Geschäftseinrichtung, Tätigkeit (z.B. Montage) oder Handelsvertretung vor Ort knüpft, geht das neue Konzept der Significant Economic Presence (SEP) hierüber weit hinaus. Anknüpfungspunkt ist allein der Absatz auf dem indischen Markt oder die Zahl der indischen Kunden. Die relevanten Größen sind entweder ein Jahresumsatz von mindestens INR 20 Mio. (ca. 250.000 Euro) oder 300.000 Kunden („User Interactions“). Werden sie über­schritten, so wird das ausländische Unternehmen mit dem hieraus erzielten Gewinn in Indien steuerpflichtig. Unklar ist, wie die Gewinnermittlung erfolgen soll. Nicht geklärt ist ferner, ob die Regelung überhaupt darauf abzielt, eine Besteuerung jedweder größeren Umsätze mit Indien herzustellen oder ob sie nur die Gewinne der ausländischen digitalen Wirtschaft besteuern will. Denn gerade diese Wirtschaftsform entzieht sich durch das immanente Fehlen physischer Präsenzen geschickt der Besteuerung über den klassischen Begriff der Betriebs­stätte und gab so auf Ebene der OECD den Anstoß zu neuen Besteuerungs­konzepten. Leider gibt der indische Gesetzgeber zum Anwendungsbereich keinerlei Interpretationshilfe. Aktuell legen alle Beteiligten in Indien das Konzept jedoch weit aus, so dass es auch die ganz „normale“ Industrie erfasst.


Digitale Form 10F

Deutsche Personengesellschaften stehen auch vor ganz praktischen Problemen. Indische Kunden müssen ihnen verschiedene steuerliche Nachweise einholen, bevor sie Zahlungen veranlassen dürfen. Unter anderem eine Ansässigkeitsbescheinigung der deutschen Finanzverwaltung. Sie ist zusammen mit einer kurzen Erklä­rung (sog. Form 10F) mittlerweile digital bei der indischen Finanzverwaltung einzureichen. Bislang war der Vor­gang vor allem für die Höhe von Quellensteuern auf technische Dienstleistungen oder Lizenzgebühren relevant. Es ging meist nur um Bruchteile von Prozenten. Mit Einführung des Konstrukts der SEP hat der Nachweis des Abkommensschutzes jedoch erheblich an Bedeutung gewonnen.


Konsequenzen ergeben sich in vielen weiteren Feldern, bei der Besteuerung indirekter Veräußerungen von An­teilen an indischen Gesellschaften oder bei der Auslegung abkommensrechtlich definierter Begriffe wie Lizen­zen für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Güter (z.B. Softwarelizenzen).


Lösungsansätze werden komplizierter

Insbesondere deutsche Familienunternehmen, die oft in Personengesellschaften organisiert sind, müssen über die Problematik informiert sein.


Sofern sich in Deutschland keine Strukturierungsalternativen ergeben, einschließlich einer eventuellen Option zur Körperschaftsbesteuerung nach dem neuen § 1a KStG, muss eine individuelle Risikoanalyse erfolgen. Argu­mentationslinien müssen aufgebaut werden. Sie werden sich weiter an der Gewerbesteuerpflicht der deutschen Personengesellschaft orientieren, wobei jetzt ihre Verwandtschaft zur Einkommensteuer begründet werden muss. Zudem ggf. an der Tatsache, dass die Anteilseigner der Personengesellschaft ebenfalls in Deutschland steuerlich ansässig sind und mithin an einer am OECD-Kommentar zum Musterabkommen und dem Partner­ship Report angelehnten Auslegung des DBAs.

Stets sind aber Diskussionen mit indischen Kunden und der indischen Finanzverwaltung zu erwarten. Vor allem, falls für die Personengesellschaft nicht doch noch eine deutsche Ansässigkeitsbescheinigung vorgelegt werden kann.


Resümee und ein Auftrag an die Politik

Deutschland hat die Möglichkeit im Rahmen von Verhandlungen auf eine Änderung oder Klarstellung zum DBA D-IND hinzuwirken. So könnte gefordert werden, dass Indien für Zwecke der Besteuerung auf die Anteilseigner einer transparenten Personengesellschaft abstellt. Das kann gegebenenfalls als Protokollzusatz erfolgen und erfordert keine Änderung der deutschen Verhandlungsgrundlage. Die Umsetzung im indischen Steuer- und Devisenkontrollrecht kann jedoch schwierig werden. Alternativ kann der Abkommensschutz der Personen­ge­sell­­schaft selbst, ähnlich dem amerikanischen und britischen Abkommen, mit der Ansässigkeit der Anteils­eig­ner verknüpft werden. D.h. die deutsche Personengesellschaft würde insoweit als abkommens­berechtigt gelten, als ihre Anteilseigner in Deutschland ansässig sind.

In jedem Fall ist das Thema wichtig und eilig. Schwellenländer wie Indien werden zunehmend versuchen, uni­lateral eine absatzorientierte Besteuerung durchzusetzen. Der Abkommensschutz wird damit immer relevanter. Die Thematik wird derzeit mit den für Indien zuständigen Stellen in der deutschen Finanzverwaltung bespro­chen. Rödl & Partner ist Knowledge Partner des “Make in India Mittelstand!”-Programms der indischen Bot­schaft in Berlin und damit zentraler Anlaufpunkt für deutsche Investitionen in Indien.

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