Dauerbrenner Mindestbesteuerung – das erwartet Sie 2023

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veröffentlicht am 7. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 7 Minuten


Internationale Erstanwendung in 2023 – das war das ambitionierte Ziel, das sich im Oktober 2021 136 Staaten des Inclusive Framework on BEPS (IF) für die Einführung einer internationalen Mindestbesteuerung gestellt hatten, als Teil (sog. Pillar 2) eines Zwei-Säulen-Konzepts zur Bewältigung der steuerlichen Herausforderungen, die sich aus der Digitalisierung der Wirtschaft ergeben.



Der Start war durchaus dynamisch: am 20. Dezember 2021 wurden vom Inclusive Framework bei der OECD die GloBE Model Rules veröffentlicht, und bereits zwei Tage später legte die EU den Entwurf einer Richtlinie zur Einführung der Mindestbesteuerung in allen Mitgliedstaaten der EU vor. Seitdem zieht sich das Projekt auf internationaler und EU-Ebene hin: politische Uneinigkeit bis hin zu Stolperfallen im Detail haben dazu geführt, dass eine internationale Mindestbesteuerung am Jahresende 2022 noch in einiger Ferne liegt. Wir geben ein Update zum Verfahrensstand und machen Sie mit neuen Einzelheiten der zukünftigen Steuerwelt vertraut.

Mit den GloBE Model Rules haben sich die beteiligten Staaten des Inclusive Framework (IF) auf die Grundsätze einer internationalen Mindestbesteuerung geeinigt. Die Mindestbesteuerung in Europa und damit auch Deutschland wird sich jedoch vorrangig an der Richtlinie 10497/22 (Entwurf) ausrichten. Diese soll für alle EU-Staaten einheitlich eine möglichst 1:1-Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung in den europäischen Rechtsrahmen gewährleisten. Zum Redaktionsschluss für diesen Beitrag haben die Mitgliedstaaten dem Richtlinienentwurf der EU-Kommission noch nicht zugestimmt. Die folgende Übersicht basiert daher auf dem „Kompromisstext“ des Ratsvorsitzenden vom 17./21.6.2022.


Anwendungsbereich

Die Mindestbesteuerungsregeln finden Anwendung auf alle Einheiten einer multinationalen Unternehmens­gruppe, wenn nach dem Konzernabschluss der obersten Muttergesellschaft ein Umsatz von 750 Mio. EUR überschritten wird. In Europa gilt die Besonderheit, dass auch große rein nationale Unternehmensgruppen erfasst werden.

Auch der Anwendungsbereich der IIR und UTPR wird gegenüber den Model Rules ausgedehnt. Der europäische Mindeststeuer erfasst nicht nur die internationalen Konzerneinheiten einer multinationalen Unter­neh­mens­gruppe, sondern auch die europäische oberste Muttergesellschaft selbst sowie ihre in demselben Land belegenen Konzerneinheiten, wenn es sich dabei um ein Niedrigsteuerland handelt.


Gegenstand

Es werden drei verschiedene Erhebungsformen für die Mindeststeuer eingeführt. Vorrangig wird die Mindest­steuer auf Basis der Income Inclusion Rule (IIR) bei der obersten Konzernmuttergesellschaft für alle niedrig­besteuerten Konzerneinheiten erhoben. Insbesondere bei Minderheitsanteilen kommt auch eine Vor-Erhebung auf unteren Konzernebenen mit Anrechnung bei der obersten Muttergesellschaft in Betracht (Vermeidung Doppelbesteuerung). Nur wenn bzw. soweit die errechnete Mindeststeuer im Wege der IIR nicht/nicht vollständig erhoben werden kann, werden einzelne Konzerneinheiten selbst, soweit sie einem qualifizierten Mindeststeuersystem unterliegen, für den Differenzbetrag zur Mindeststeuer anteilig herangezogen, für zwar für Fehlbeträge, die sowohl auf sie selbst als auch auf andere Konzerneinheiten bis hin zur obersten Mutter­ge­sell­schaft entfallen. Die Richtlinie sieht vor, dass in Europa auch eine Qualified Domestic Minimum Top up Tax (QDMTT) eingeführt werden kann, wodurch niedrig besteuernde (EU-)Staaten das Mindeststeuerpotential selbst und vorrangig vor anderen Staaten realisieren können. Aus dem Bundesfinanzministerium verlautete bereits, dass Deutschland von dieser Option Gebrauch machen wird.


Ermittlung der Mindeststeuer

Eine Mindeststeuer wird erhoben, wenn die effektive Steuerbelastung unter dem festgelegten Mindestsatz von 15 Prozent liegt. Die Betrachtung erfolgt nicht bezogen auf die einzelne Konzerneinheit, sondern zusammen­gerechnet für alle Konzerneinheiten, die in einem Land ansässig sind. Es kommt also zu einem „jurisdictional blending“, bei dem Gewinne und Verluste sowie Hoch- und Niedrigbesteuerung von verschiedenen Konzern­ein­heiten innerhalb eines Landes ausgeglichen werden.

Ausgangspunkt für die Ermittlung der effektiven Steuerbelastung sind die Rechnungslegungsdaten der Konzerneinheiten, wie sie in den Konzernabschluss der obersten Muttergesellschaft vor Konsolidierungsmaß­nahmen eingehen. Anerkannt werden sowohl IFRS-Daten als auch eine HGB-Rechnungslegung sowie einige andere nationaler Rechnungslegungssysteme. Um diese unterschiedlichen Rechnungslegungsysteme an eine Vergleichbarkeit heranzuführen, werden eine ganze Reihe von Anpassungen vorgenommen, die zum sog. GloBE Income führen, z.B.:

  • Dividenden (bei entsprechender Beteiligungshöhe)
  • Veräußerungsgewinnen
  • Umstrukturierungen
  • Pensionszusagen
  • konzerninternen Transaktionen
  • Wechselkursgewinnen/-verlusten
  • Hinzurechnungsbesteuerung
  • Zuweisung bei Betriebsstätten und Personengesellschaften


Die für die Steuerbelastung maßgeblichen Steuern, wie sie sich aus dem Konzernabschluss ergeben, werden ebenfalls einer Reihe von Anpassungen unterzogen. Wichtigste Abweichung vom bisher in Deutschland bekannten Besteuerungssystem ist die Berücksichtigung latenter Steuern, um steuerliche Auswirkungen der unterschiedlichen Erfassung von Sachverhalten in der nationalen Rechnungslegung und steuerlichen Ergebnis­er­mitt­lung dem Grunde, der Höhe und des Zeitpunktes nach erfassen zu können. Auch Verlustsituationen und Verlustvorträge werden über latente Steuern abgebildet.

Vor Ermittlung des effektiven Steuersatzes auf Landesebene kommt eine De-minimis-Ausnahme zur Anwen­dung. Es besteht ein Wahlrecht, solche Staaten, in denen nur kleine Konzerneinheiten ansässig sind, aus Vereinfachungsgründen aus der Ermittlung der Mindeststeuer auszuschließen. Voraussetzung: durchschnittlich < 10 Mio. qualifizierte Einnahmen und durchschnittlich < 1 Mio. EUR qualifiziertes Einkommen im jeweiligen Staat. Auf solche Kleinaktivitäten wird insgesamt keine Mindeststeuer erhoben, auch wenn die tatsächliche Steuerbelastung unter 15 Prozent liegen sollte.

Aus der Gegenüberstellung des effektiven Steuersatzes mit dem Mindestsatz von 15 Prozent ergibt sich als Differenz der Satz der zu erhebenden Mindeststeuer, bezogen auf das jeweilige Niedrigsteuerland. Dieser wird jedoch nicht auf das gesamte GloBE Income erhoben, das die ansässigen Konzerneinheiten erwirtschaften, sondern es können vorab noch substanzbezogene Gewinnabzüge vorgenommen werden, die dann keiner Mindestbesteuerung unterliegen. Solche Abschläge werden gewährt bzgl. der Lohnsumme und der materiellen Vermögenswerte in einem Land. Sie betragen zunächst 8 Prozent bzw. 10 Prozent und sollen innerhalb von 10 Jahren abgeschmolzen werden bis auf 5,4 Prozent bzw. 5,8 Prozent. Auf die sich danach ergebende Steuer ist eine von dem jeweiligen Staat wahlweise erhobene QDMTT abzuziehen. Ist so die Mindeststeuer je Niedrig­steuerland ermittelt, wird sie im Verhältnis der GloBE Income der Konzerneinheiten in diesem Land auf diese rechnerisch aufgeteilt und dann im Wege der IIR (oder nachrangig UTPR) erhoben.


Erleichterungen

Es sind verschiedene Erleichterungen bei der Erstanwendung der GloBE-Regelungen vorgesehen:

  • Zu Beginn einer internationalen Unternehmenstätigkeit (max. in 6 Staaten mit einer Konzerneinheit vertreten, max. 50 Mio. Nettobuchwert materieller Vermögenswerte) gilt eine Anfangsphase von 5 Jahren, innerhalb derer die Mindeststeuer auf null festgesetzt wird.
  • Dasselbe gilt für große rein nationale Unternehmensgruppen für die ersten 5 Jahre, die sie in den Anwendungsbereich fallen.
  • Mitgliedsstaaten, in denen höchstens 12 oberste Mutterunternehmen von den unter die GloBE-Regelungen fallenden Unternehmensgruppen ansässig sind, können sowohl die IIR als auch die UTPR bis zu 6 Jahre nach der vorgeschriebenen Erstanwendung aussetzen. Die Mindeststeuer wird allerdings dann von den anderen EU-Staaten, in denen Konzerneinheiten belegen sind, im Wege der UTPR erhoben. Kleine EU-Mitgliedstaaten haben auf diese Regelung gedrungen und werden sie in Anspruch nehmen, so dass mit einer UTPR-Anwendung auch in einem reinen EU-Konzern gerechnet werden muss.


Verhandlungsstand zur EU-Richtlinie

Die Mitgliedstaaten haben einige inhaltliche Änderungen am ersten Entwurf der EU-Kommission vom 22. Dezember 2021 durchgesetzt. Im Frühjahr 2022 wurde mit einem ersten Kompromisstext vorgeschlagen, den Anwendungszeitraum für die Richtlinie zu verschieben. Nunmehr ist vorgesehen, dass die Mitgliedsstaaten eine Umsetzung in nationales Recht spätestens bis zum 31.12.2023 vornehmen müssen und die Regelungen erstmals für 2024 anwendbar sind. Die Verschiebung folgt der Entwicklung in anderen Staaten und der Erkenntnis, dass auch weitere Arbeiten des Inclusive Framework bei der OECD zu Pillar 2, die bei der Umsetzung zu beachten sind, nicht rechtzeitig für den ursprünglichen Zeitplan fertiggestellt werden können.

Gleichwohl konnte auch auf dieser Basis eine Zustimmung der Mitgliedsstaaten bisher nicht erreicht werden. War es zunächst Polen, das dem Kompromissvorschlag seine Zustimmung verweigerte, weil es die notwendige Verbindung der Mindeststeuer zu einer Umsetzung auch von Pillar 1 nicht hinreichend gewährleistet sah, verwei­gerte zuletzt am 17.6.2022 Ungarn seine Zustimmung mit Bedenken hinsichtlich Wettbewerbsnachteilen bei Einführung der Mindestbesteuerung als „Vorreiter“ in einer wirtschaftlichen und weltpolitischen Krisen­situation. Derzeit ist unklar, ob und wann es noch zu einer Einigung innerhalb der EU kommen wird. Der nächste Anlauf steht auf der vorläufigen Tagesordnung der ECOFIN-Sitzung (Rat für Wirtschaft und Finanzen) am 6. Dezember 2022.


Nationaler Alleingang

Die Finanzminister von Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und der Niederlande haben anlässlich der ECOFIN September-Sitzung erklärt, dass sie bereit sind, die Mindestbesteuerung nötigenfalls auch ohne eine Einigung auf EU-Ebene im Jahr 2023 umzusetzen. Noch ist unklar, ob dies im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit auf EU-Ebene erfolgen könnte und soll oder ob rein nationale Umsetzungsgesetze geplant sind. Aus dem Bundesfinanzministerium verlautet, dass auch in letzterem Fall eine 1:1-Umsetzung des bis­he­rigen Richtlinienentwurfs beabsichtigt ist und die Arbeiten weit fortgeschritten sind. Mit der Veröffentlichung eines ersten Diskussionsentwurfs für ein deutsches Pillar 2-Umsetzungsgesetz ist Ende 2022/Anfang 2023 zu rechnen.


Und was macht die OECD?

Mit der Verabschiedung der Model Rules ist die Arbeit des Inclusive Frameworks bei der OECD nicht beendet. Im März 2022 wurde ein Kommentar zu den GloBE Model Rules sowie eine Sammlung von Beispielen zur Erläuterung für die Anwender herausgegeben. Seitdem wird im Rahmen des GloBE-Implementation Framework an weiteren Konkretisierungen gearbeitet:

  • Guidance für die Finanzverwaltungen der Staaten zur Einführung und Administrierung von Pillar 2
  • Safe Harbours: Verhandelt werden Vereinfachungsregelungen, mit denen die Komplexität der Model Rules in der Praxis anwendbar gestaltet werden kann. Bereits bekannt wurde, dass für einen Übergangszeitraum die Ermittlung der effektiven Besteuerung auf Basis der Daten des Country-by-Country-Reportings (CbCR) erwogen wird. Es soll aber auch dauerhafte Vereinfachungen geben.
  • Rule Coordination: In diesem Bereich geht es insbesondere um die Anerkennung bestehender nationaler Regelungen als qualifizierte Umsetzung der GloBE Rules und um die vorrangige Erhebung der Mindeststeuer durch niedrig besteuernde Ansässigkeitsstaaten im Rahmen der sog. Qualified Domestic Minimum Top up Tax (QDMTT). Besondere Brisanz hat dies im Hinblick auf die Anerkennung der amerikanischen Mindeststeuerregelungen (GILTI, Inflation Deduction Act).
  • Tax Certainty, ein Thema, das für die Unternehmen von großer Bedeutung ist. Die beteiligten Staaten müssen sich auf Verfahren einigen, mit denen zeitnah Sicherheit für die Steuerpflichtigen über zu zahlende Zusatz­steuern hergestellt und effektiver Rechtsschutz vor ungerechtfertigter (doppelter) Steuererhebung gewährt werden kann, während gleichzeitig Partizipation, Transparenz und Kooperation der Steuerbehörden gestärkt werden müssen.
  • GloBE Information Return: Die Verfahren zu den vorgesehenen Informationspflichten der Steuerpflichtigen zu den Grundlagen der Ermittlung von effektiver Besteuerung, Niedrigbesteuerung und Erhebung von Zusatz­steuern muss ausgeformt und in die bestehende Verfahrensrechtslandschaft integriert werden.


Aktuell sind hierzu noch nicht alle Fragen abschließend geklärt und einer einvernehmlichen Lösung zugeführt. Mit einer Veröffentlichung dieser wichtigen Detailregelungen ist nicht vor Ende 2022/Anfang 2023 zu rechnen. Noch vollständig unklar ist die Entwicklung bzgl. der ebenfalls im Oktober 2021 vereinbarten Subject to Tax Rule (STTR), die insbesondere Entwicklungsländern durch Quellensteuererhebung auf bestimmte niedrig besteuerte Zahlungen eine vereinfachte Partizipation an der Mindestbesteuerung erleichtern soll. Auch später wird das Inclusive Framework weiter mit der Ausarbeitung von Guidance zu herangetragenen Fragen und einheitlichen Anwendungsregelungen der Model Rules involviert bleiben.

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