Überstundenausgleich auch für leitende Angestellte (sogenannte Kader)

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von Dr. Lara Pair, Rödl & Partner Zürich
 
Grundsätzlich sieht das Schweizer Recht in seinem Obligationenrecht Artikel 321c vor, dass Überstunden mit einem Minimum von 125 Prozent des Grundgehaltes ausgeglichen werden müssen, sofern nicht eine schriftliche Abweichung vom Gesetzestext existiert. Der sonst eher liberale Schweizer Arbeitsmarkt kennt hier strenge Regelungen, wie das Schweizer Bundesgericht in seiner jüngst publizierten Entscheidung vom 22. August 2012 (4A_172/2012 und 4A_174/2012 vereinigt) wieder einmal bestätigte. Dies gilt bis zu einem gewissen Grad sogar für Kadermitarbeiter. Überstunden berechnen sich durch den Abzug der nach Verabredung, Übung oder GAV bzw. NAV geschuldeten Arbeitszeit von der geleisteten Arbeitszeit. Ist keine Arbeitszeit vereinbart, entstehen auch keine Überstunden (vorbehalten der Überzeit, die sich von den Überstunden unterscheidet). Die Unterscheidung zwischen Überzeit und Überstunden ist in der Schweiz von besonderer Bedeutung, da Überstundenentschädigung oder Kompensation abdingbar, jedoch Überzeitregelungen zwingend sind. Voraussetzung für die Kompensation von Überstunden ist ferner, dass diese im besonderen Interesse des Arbeitgebers lagen oder von diesem genehmigt wurden. Spontane oder unerwünschte Überstunden sind nicht als solche zu betrachten. Die Abbedingung von Überstundenkompensation findet sich häufig in Verträgen. Wie das Gericht in dieser Entscheidung wieder festhielt, muss diese Abbedingung ausdrücklich und schriftlich sowie im Voraus erfolgen. Wo diese Abbedingung nicht ausdrücklich ist, wird sie auch bei Kadermitarbeitern nicht einfach angenommen.
 
Laut Gericht beinhaltet die Übernahme der Leitungsfunktion, dass mit der verantwortungsvollen und unabhängigen Stellung nicht mehr die Arbeitszeit, sondern die Aufgabenerfüllung in den Vordergrund tritt. Durch diese Veränderung der Stellung ist der Bezug von Überstundenkompensation der Gesetzesintention ferner und weniger leicht zu rechtfertigen. Bei leitenden Angestellten liegen bei Mehrarbeit also zunächst keine Überstunden im Rechtssinne vor. Leitende Angestellte behalten ihren Anspruch auf Überstundenausgleich dann, wenn 1) vertraglich eine feste Arbeitszeit geregelt wird, 2) zusätzliche Aufgaben übertragen wurden, 3) die ganze Belegschaft über längere Zeit in wesentlichem Umfang Überstunden leistet, oder 4) eine solche Bezahlung vereinbart wurde. Ungeklärt ist noch immer, welchen Grad der leitenden Tätigkeit ein Arbeitnehmer innehaben muss, damit er von der Überstundenregelung nicht mehr betroffen ist. Das Urteil vom 22. August 2012 schafft hier keine weitere Klarheit. In dieser Entscheidung wurde die vorherige Instanz bestätigt, die einen zum Werksmeister beförderten Mitarbeiter (ohne neuen Vertrag) nicht als leitenden Angestellten einstufte und weiterhin Überstundenvergütungen veranlagte. Eine abweichende Praxis der Parteien war nicht ausreichend. Das Gericht berief sich vor allem auf die im vorherigen Vertrag geltenden Arbeitsstunden, bei deren Festlegung und Überschreitung auch der Kaderangestellte zur Überstundenkompensation berechtigt ist. Es war irrelevant, dass der vorherige Vertrag der Vertrag eines einfachen Arbeitnehmers war. Für Verträge mit Kadermitgliedern in der Schweiz empfiehlt sich daher, auch weiterhin im Arbeitsvertrag explizit eine Regelung der Abgeltung der Überstunden einzufügen und bei Beförderungen stets auch eine Vertragsanpassung vorzunehmen.

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