Die Entwicklung von Projekten für erneuerbare Energien in den baltischen Staaten

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veröffentlicht am 7. September 2022 | Lesedauer ca. 8 Minuten

 

Erneuerbare Energien sind ein Thema, dem sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene Priorität eingeräumt wird, nicht nur wegen der Politik der Europä­ischen Union (EU) zur Erreichung von Null-Netto-Emissionen bis 2050, sondern auch und vor allem wegen des russischen Einmarsches in der Ukraine, der die europäische Energiekrise, die bereits im Sommer 2021 begann, in eine strukturelle Krise verwan­delte. Das bedeutet, dass der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, den die EU seit einigen Jahren eingeleitet hat, und die öffentlichen Maßnahmen zur Förderung der erneuerbaren Energieerzeugung nun auch ein Schlüsselfaktor für die Gewähr­leis­tung der Energiesicherheit und der Unabhängigkeit durch eine Diversifizierung der Energieversorgungsquellen sein werden.

 

 

 

 
 

Lettland

Aufgrund der technologischen Entwicklung und der Möglichkeit den erzeugten Strom ohne staatliche Beihilfen zu verkaufen, was in der Vergangenheit aufgrund des Einspeisetarifs ein Problem war, war das vergangene Jahr ein Wendepunkt für die Branche der erneuerbaren Energien in Lettland. Diese hat sich von einer Branche, in der die Umsetzung von Projekten durch den komplizierten bürokratischen Prozess behindert wurde, zu einer Branche entwickelt, deren Entwicklung auf staatlicher Ebene als Priorität eingestuft wird.
 
Die bürokratischen Aspekte der grünen Investitionen werden durch die Regierungsinitiative „Grüner Kanal” geregelt, die den Investoren einen schnellen Zugang zu verschiedenen staatlichen Dienstleistungen bietet, die für die Projektentwicklung erforderlich sind. Um sich für den Grünen Kanal zu qualifizieren, muss das geplante Unternehmen mindestens drei der vier folgenden Bedingungen erfüllen: 
  1. die Investitionssumme sollte innerhalb von 3 Jahren mindestens 5 Millionen Euro betragen (in Riga – mindestens 10 Millionen Euro); 
  2. das Investitionsprojekt sollte 75 neue Arbeitsplätze schaffen (in Riga – 100);
  3. das geplante Exportvolumen für Produkte und Dienstleistungen sollte innerhalb von drei Jahren nach der Markteinführung mehr als 3 Millionen Euro betragen; 
  4. die geplanten Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in die Kompetenzentwicklung der Mit­ar­bei­ter sollten über 250 Tausend Euro betragen. 
 

Wind 

Am 14. Juli 2022 verabschiedete die Saeima (das lettische Parlament) in dritter Lesung „Änderungen des Elektrizitätsmarktgesetzes”, womit eine Regelung umgesetzt wurde, welche die Entwicklung von Windparks beeinflussen wird:
  1. keine Pflicht zur Einholung einer Genehmigung des Wirtschaftsministeriums für die Installation von Anlagen mit einer Leistung von bis zu 500 kW;
  2. die Sicherheitsleistung für die Kapazitätsreservierung wird angewandt, um Kapazitätsengpässe zu vermeiden;
  3. Zahlungen für die örtlichen Gemeinden – in der aktuellen Überarbeitung wird vorgeschlagen, dass die Zahlung 1,5 Prozent des von der Anlage erzeugten und im Vorjahr ins Netz eingespeisten Stroms beträgt, ausgedrückt als durchschnittlicher Großhandelspreis in Nord Pool im betreffenden Zeitraum;
  4. das Recht, eine Verteilungsleitung im Lizenzgebiet des Verteilernetzbetreibers zu errichten, wenn es sich bei der errichteten Leitung um eine interne Leitung einer Solar- oder Windkraftanlage handelt. 
 

Solar

Es wird erwartet, dass die Verabschiedung der „Änderungen des Elektrizitätsmarktgesetzes”, die die Saeima am 14. Juli 2022 in zweiter Lesung beschlossen hat, die Nutzung von Solarenergie durch Haushalte zur erschwing­lichsten Form der erneuerbaren Energie machen wird. Die Änderungen werden die gemeinsame Nutzung von selbst erzeugtem Strom sowie die Bildung von Stromgemeinschaften ermöglichen. Darüber hinaus wird das System der Netzentgelte auch juristischen Personen zur Verfügung stehen, die Strom für den Eigenverbrauch erzeugen, wobei die derzeitigen Kapazitätsbeschränkungen für die in der Einrichtung installierten Strom­er­zeu­gungsanlagen aufgehoben werden. 
 

Biokraftstoffe und Wasserstoff 

Zusammen mit der Verabschiedung der „Änderungen des Elektrizitätsmarktgesetzes” hat die Saeima am 14. Juli 2022 auch die lang erwarteten „Änderungen des Energiegesetzes” verabschiedet. In Anbetracht des großen Potenzials für die Erzeugung von Biomethan und Wasserstoff in Lettland, welches in der Vergangenheit durch den Bau von Heizkraftwerken für die Instandhaltung der Landwirtschaft und verschiedener Industrieanlagen entstanden ist, können Biomethanproduzenten nach der neuen Verordnung einen Herkunftsnachweis erhalten. Der Herkunftsnachweis kann sowohl für das aus erneuerbaren Energiequellen erzeugte und in das Gasnetz eingespeiste Gas als auch für das Gas, das außerhalb des Netzes erzeugt, gehandelt und verwendet wird, beantragt und erhalten werden. Dies ist ein deutlicher Fortschritt für die Diversifizierung der Energieversorgung und ein Anreiz für Investitionen in bestehende Heizkraftwerke zur Herstellung von Biokraftstoffen und in Zukunft von grünem Wasserstoff. 
 

Litauen

Nach Angaben des Stromnetzbetreibers Litgrid importierte Litauen im ersten Quartal dieses Jahres 65 Pro­zent seines Stroms. In der Zwischenzeit hat die Regierung der Republik Litauen ehrgeizige Pläne vorgelegt, um Litauen bis 2030 zu einem Energieexportland zu machen, in dem der Strombedarf durch lokale, ausschließlich grüne Erzeugung gedeckt wird. Die gesamte installierte Kapazität an grüner Energie in Litauen soll 7 GW erreichen, von denen 1,4 GW durch Offshore-Windkraft, 3,6 GW durch Onshore-Windkraft und 2 GW durch Solarkraftwerke erzeugt werden sollen. Angesichts dieser ehrgeizigen Pläne musste Litauen den Umset­zungs­zyklus von Projekten für erneuerbare Energien beschleunigen, welcher aufgrund bürokratischer Hürden unangemessen lang war und bis zu drei Jahre dauerte. 
 
Die Projekte verzögerten sich erheblich, weil die Art der Flächennutzung geändert werden musste (z. B. von der Landwirtschaft zu anderen für den Bau von Energieanlagen geeigneten Nutzungen), detaillierte Pläne erstellt werden und die Projekte mit den kommunalen Gesamtplänen in Einklang stehen mussten. Ein zusätzliches Hindernis war der Widerstand der örtlichen Gemeinden und ihr Wunsch, von Energieprojekten in ihrer Nach­barschaft greifbare Vorteile zu haben. Um die oben genannten Hindernisse zu beseitigen und die Entwicklung und den Ausbau der grünen Energie durch grundlegende Reformen im litauischen Elektrizitätssektor zu fördern, hat die Regierung ein Paket von Gesetzesänderungen vorbereitet, das als „Durchbruch”-Paket bezeichnet wird. Einige der Gesetzesänderungen sind am 02. Juli 2022 in Kraft getreten.
 

Wind und Solar

Mit den Änderungen wurde ein neues Modell von „Hybridkraftwerken” eingeführt, bei dem verschiedene An­la­gen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen und/oder Speicheranlagen an einem Punkt miteinander verbunden werden können, ohne dass deren Kapazität zusammengelegt wird. Solarkraftwerke erfordern nun kein Screening und keine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung mehr und können wie Hybridkraftwerke auf landwirtschaftlichen Flächen errichtet werden, ohne dass die Art der Flächennutzung geändert oder die Größe der Anlage begrenzt wird. Es besteht auch keine Verpflichtung mehr Windkraftanlagen in die Raumordnungspläne einzubeziehen, allerdings ist eine Genehmigung der jeweiligen Gemeinde erfor­der­lich, auf deren Gebiet die Windkraftanlage errichtet werden soll. Darüber hinaus legen die Gesetzesänderungen klare Kriterien dafür fest, unter welchen Umständen für die Entwicklung von Windparks eine Umwelt­ver­träg­lichkeitsprüfung erforderlich ist und auch wann eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Windparks werden im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung jedoch nun nicht mehr als erhebliche Auswirkungen auf die Landschaft eingestuft, es sei denn, sie werden in vom Umweltministerium genehmigten kritischen Landschaftsgebieten gebaut.
 
Bei Windparks entfällt auch die Forderung nach der Einrichtung von Schutzzonen. Stattdessen wird ein Kri­terium für den maximalen Abstand zu Gebäuden eingeführt, das sich aus der Höhe des Windrades multipliziert mit 4 ergibt.
 
Um den Widerstand der Gemeinden zu verringern, müssen die Ökostromerzeuger nach den angenommenen Änderungen eine so genannte „Erzeugungsprämie” für die ins Netz eingespeiste Strommenge in Höhe von 0,0013 €/kWh bzw. 1,3 €/mWh zahlen. Das so eingenommene Geld wird zur Deckung des Bedarfs der Gemein­den verwendet. Die Verpflichtung gilt für alle Solarkraftwerke, die an das Übertragungsnetz angeschlossen sind, sowie für Windkraft- und Biogasanlagen, die kommerziell betrieben werden. 
 
Es ist ermutigend, dass die Verabschiedung des „Durchbruch”-Pakets nur eine der Veränderungen ist, die in Litauen bei der Entwicklung der grünen Energie stattfinden. Bereits Anfang 2022 verabschiedete das Parlament (Seimas) ein Gesetzespaket zur Entwicklung der Offshore-Windenergie in der Ostsee und gab grünes Licht für den ersten Offshore-Windpark in Litauen. Insgesamt sind an der litauischen Küste mindestens vier Offshore-Windparks geplant, von denen mindestens einer bis 2028 errichtet werden soll.
 

Weitere Entwicklung

Im ersten Quartal 2022 war mehr als die Hälfte der litauischen Energieerzeugung grün, was vor allem auf die zunehmende Verbreitung von Solarkraftwerken zurückzuführen ist. Nichtsdestotrotz werden die Bemühungen zur Entwicklung von Solarkraftwerken fortgesetzt. Bis Ende des Jahres werden den Einwohnern Litauens 38 MW an Kapazität in Solarparks angeboten und es besteht die Möglichkeit, eine staatliche Förderung für den Kauf eines Solarkraftwerks in einem Solarpark zu erhalten. Ziel ist es, dass bis 2030 jeder dritte Haushalt seinen eigenen Strom erzeugt und so für Energieunabhängigkeit und niedrige Stromrechnungen sorgt.
 
In der heutigen Realität besteht kein Zweifel daran, dass die laufenden Veränderungen einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Energieversorgungssicherheit und zur Umsetzung der Green-Deal-Strategie in Litauen leisten werden. Und wenn die Entwicklungen im Bereich der grünen Energie weiterhin zielgerichtet und erfolgreich verlaufen, wird das Jahr 2030 ein wirklich bedeutendes Jahr für Litauen sein.
 

Estland

Laut Estlands nationalem Energie- und Klimaplan hat sich Estland das Ziel gesetzt bis zum Jahr 2030 einen Anteil von 42 Prozent erneuerbarer Energien am gesamten Endenergieverbrauch zu erreichen. Im Jahr 2020 lag das Ziel für den Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch bei 17,6 Prozent und tatsächlich lag der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Endenergieverbrauch in Estland im Jahr 2020 bei über 38 Prozent. Für den Zeitraum 2021-2023 wird ein durchschnittlicher Anteil von 24 Prozent an erneuerbaren Energien angestrebt. Estland ist auf einem guten Weg seine Ziele zu erreichen, 2021 belief sich die gesamte installierte Nettoerzeugungskapazität in Estland auf rund 2360 MW, wovon rund 1710 MW verwaltete Kapazität sind. 
 
Insgesamt gibt es in Estland derzeit 1.355 MW an Kraftwerken, 351,8 MW an Heizkraftwerken, 4,1 MW an Wasserkraftwerken, 310,3 MW an Windkraftwerken und 335,2 MW an Solarkraftwerken.
 

Ausschreibungen für erneuerbare Energien als Mittel zum Ausbau erneuerbarer Energiequellen

Um die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu steigern, führt Estland ab 2019 Ausschrei­bun­gen für erneuerbare Energien im Rahmen des Strommarktgesetzes durch. Ziel der Ausschreibungen ist es, in einem Kalenderjahr zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Energiequellen auf den Markt zu bringen. Der Umfang und der Zeitpunkt der Auktionen werden mit den Zielvorgaben für die Erreichung der estnischen Ziele für erneuerbare Energien (einschließlich der Zwischenziele) in Beziehung gesetzt. Die zweite Ausschreibung fand 2021 statt und die dritte Ausschreibung wird 2023 abgehalten, wobei die ausgeschriebene Kapazität 650 GWh betragen soll. Die Ausschreibung für das Jahr 2023 wird voraussichtlich im Januar 2023 beginnen. 
 

Solar 

Estland hat ein schnelles Wachstum im Bereich der Solarenergie zu verzeichnen, das durch das Auslaufen der Subventionen für erneuerbare Energien für Erzeugungsanlagen mit einer elektrischen Kapazität von weniger als 50 kWh sowie durch die Ankündigung von Niedrigpreisangeboten für erneuerbare Energien, billigere Tech­no­lo­gien und eine bessere Verfügbarkeit ermöglicht wurde. Im Jahr 2022 gibt es in Estland 10 000 kleine Solar­pro­duzenten und fast 500 Megawatt an kleinen Solaranlagen in Estland. Die installierte Solarkapazität ist von 128 Megawatt (1. Januar 2020) auf 335 Megawatt (Oktober 2021) gestiegen. 
 

Wasserstoff 

Um die Nutzung von Wasserstoff als Energiequelle zu fördern und zu erleichtern, hat Estland 2021 ein Pilot­projekt mit einem Volumen von 5 Mio. EUR zur Förderung von umweltfreundlichen öffentlichen Verkehrsmitteln eingeführt. Zu den weiteren Schritten gehört der Plan, in Estland mit Hilfe des Europäischen Aufbau- und Resilienzplans eine Unterstützungsmaßnahme einzuführen, die den Einsatz integrierter Wasserstoff­tech­no­lo­gien (Produktion, Versorgung, Verbrauch) vorantreiben wird.
 
Estland hat das Potenzial der Wasserstofferzeugung erkannt und arbeitet derzeit an der Erstellung eines est­nischen Wasserstoff-Fahrplans, in dem die für die Entwicklung des Wasserstoffmarktes in Estland erforder­lichen Maßnahmen beschrieben werden. Ziel des Fahrplans ist es, die aktuelle Situation und den Bedarf (ein­schließlich Volumen und Potenzial) für den Einsatz von Wasserstofftechnologien in Estland zu erfassen und sich auf strategische Optionen zu einigen, bei denen es für Estland am vielversprechendsten ist, Wasserstoff­technologien zu entwickeln und einzusetzen. Darüber hinaus werden die Akteure, ihre Rollen und die wichtigsten Aktivitäten, die zur Erreichung der Ziele erforderlich sind, sowohl in Estland als auch bei den wichtigsten Partnern in der Region erfasst.
 

Fazit

Angesichts der Gesetzesänderungen in allen drei baltischen Staaten, die den Weg für Investitionen in erneuerbare Energien ebnen, ist nun der beste Zeitpunkt für Investitionen in Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien!
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