Die streitige Gesellschafterversammlung am Beispiel der GmbH

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veröffentlicht am 19. September 2018


In Deutschland gibt es aktuell mehr als eine halbe Mio. Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die Rechtsform der GmbH ist weit verbreitet und wird von Unternehmen jeder Größe und Branche gewählt. Sie hat nach dem gesetzlichen Leitbild 2 Organe: die Geschäftsführung und die Gesell­schafterversammlung. Letztere wird häufig als „oberstes Organ” der Gesellschaft bezeichnet. Blickt man in den Katalog des § 46 GmbHG, der den Aufgabenkreis der Gesellschafter regelt, erweist sich das als korrekt: Den Gesellschaftern obliegen grundlegende und gewichtige Entscheidungen.



Die Gesellschafter treffen die ihnen obliegenden Entscheidungen durch Beschlüsse. Gemäß § 48 GmbHG werden solche Beschlüsse in Gesellschafterversammlungen gefasst. Der Gesetzgeber erlaubt zwar auch andere Arten der Beschlussfassung sowie eine satzungsmäßige Abweichung von den gesetzlichen Rege­lungen, doch ist und bleibt die physische Versammlung das Leitbild.


Kommt es zwischen Gesellschaftern einer GmbH zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten, treten diese regelmäßig auch in der Gesellschafterversammlung zu Tage: Denn jeder Gesellschafter möchte, dass die von ihm gewünschten Punkte und Entscheidungen einem entsprechenden Beschluss zugeführt werden und damit formell zum „Willen der Gesellschafter” erhoben werden.


Um die eigenen Interessen bei einer streitigen Gesellschafterversammlung optimal zu vertreten, ist eine gute Vorbereitung in Abstimmung mit einem spezialisierten rechtlichen Berater unabdingbar. Nach­fol­gend werden die wichtigsten Stellschrauben einer Gesellschafterversammlung beleuchtet.

 

Ordnungsgemäße Ladung – Tagesordnung

Zwar ist die Ladung Sache der Geschäftsführung, doch sollte jeder Gesellschafter darauf achten, dass die von ihm gewünschten Themen, die einem Beschluss zugeführt werden sollen, auf der Tagesordnung wiederzufinden sind. Denn die Gesellschafter sind nur verpflichtet über solche Themen abzustimmen, die auf der Tagesordnung so konkret angekündigt wurden, dass sich ein verständiger Gesellschafter inhaltlich auf die Abstimmung vorbereiten konnte. Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mind. 10 Prozent des Stammkapitals entsprechen, können gemäß § 50 Abs. 2 GmbHG die Ankündigung von Gegenständen zur Beschlussfassung durch Ergänzung der Tagesordnung verlangen.

 

Vertretung und Begleitung

Gemäß der gesetzlichen Regelung kann sich ein Gesellschafter bei einer Gesellschafterversammlung durch einen Dritten vertreten lassen. Jedoch ist eine hiervon abweichende Regelung in der Satzung durchaus üblich. In besonderen Konstellationen (z.B. bei personalistischem Zuschnitt der GmbH) kann eine Vertretung sogar ausgeschlossen werden. Regelmäßig schränkt die Satzung die Berechtigung zur Vertretung auf die rechts- und steuerberatenden Berufe ein, die einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen.


Sofern ein Dritter zur Stimmrechtsvertretung bevollmächtigt wurde, übt er auch das Teilnahmerecht des Vollmachtgebers aus. Das bedeutet, dass der bevollmächtigende Gesellschafter selbst kein eigenes Teilnahme- und Stimmrecht mehr hat. Er ist also nicht berechtigt, an der Versammlung teilzunehmen, in der er vertreten wird. Nimmt er doch teil, stellt das einen konkludenten Entzug der Vollmacht dar und der eigentlich bevollmächtigte Dritte hat kein Teilnahme- und Anwesenheitsrecht mehr.


Erscheint ein Gesellschafter mit einem rechtlichen Vertreter, der ihn bei der Gesellschafterversammlung vertreten soll, kann ein solcher Umstand als 1. Angriffspunkt genutzt werden. Trifft man den konkurrieren­den Gesellschafter unvorbereitet, bringt ihn das gleich zu Beginn aus dem Konzept. Der andere Gesell­schafter muss dann entscheiden, ob er mit seinem inhaltlichen Wissen, aber ohne juristische Kenntnisse, der Versammlung beiwohnt oder sein rechtlicher Berater ohne inhaltliche Expertise teilnimmt. Im eigenen Lager hat man das Vorgehen vorneweg selbstverständlich festgelegt und sich gegenseitig umfassend „gebrieft”.


Um dieses Problem zu vermeiden, lassen viele Satzungen neben der Vertretung auch die Begleitung des Gesellschafters durch einen Berater bzw. Beistand zu. Dann übt der Gesellschafter weiterhin selbst sein Teilnahme- und Stimmrecht aus, kann sich aber mit seinem Berater abstimmen.

 

Versammlungsleitung und Protokollierung

Bei einer Aktiengesellschaft bestimmt das Gesetz, dass ein Versammlungsleiter die Hauptversammlung leitet. Das GmbH-Gesetz hingegen sieht zunächst keinen Versammlungsleiter vor. Die Bestimmung eines solchen kann in der Satzung erfolgen. Möglich ist die Benennung einer konkreten Person, das Festlegen von fixen Kriterien (der älteste Gesellschafter, der Gesellschafter mit der höchsten Beteiligungsquote etc.) oder die Regelung, dass jede Versammlung mit der Wahl des Versammlungsleiters beginnt. Gibt es keine statutarische Regelung, kann dennoch zu Beginn jeder Gesellschafterversammlung ein Versammlungsleiter mit der einfachen Mehrheit der Stimmen gewählt werden.


Dem Versammlungsleiter kommt jedoch – v.a. in streitigen Gesellschafterversammlungen – eine so bedeutende Rolle zu, dass jeder Gesellschafter gut beraten ist, diese Rolle einer Person seines „Lagers” zukommen zu lassen:


Grundsätzlich leitet ein Versammlungsleiter – getreu seinem Titel – die Gesellschafterversammlung. Er führt durch die Tagesordnung und stellt den ordnungsgemäßen Ablauf der Gesellschafterversammlung sicher. Er hat das Ordnungsrecht inne und kann das Wort entziehen und erteilen. Doch von überragender Wichtigkeit ist seine Kompetenz, das Beschlussergebnis einer Abstimmung der Gesellschafter förmlich festzustellen. Die Beschlussfeststellung ist mehr als das Auszählen der Stimmen. Der Versammlungsleiter hat bei der Beschlussfeststellung darüber zu befinden, ob einzelne Stimmen aufgrund eines (vermeintlich) bestehenden Stimmverbots nicht zu werten sind. Durch diese Möglichkeit der eigenen rechtlichen Wertung kann der Versammlungsleiter Einfluss auf das von ihm für verbindlich erklärte Beschlussergebnis nehmen.


Der Versammlungsleiter schafft durch die förmliche Beschlussfeststellung (vorübergehende) Fakten, denn ein durch den Versammlungsleiter festgestellter Beschluss ist zunächst verbindlich. Ist ein Gesellschafter mit dem festgestellten Beschluss nicht einverstanden, muss er ihn fristgebunden – i.d.R.  binnen Monatsfrist – mit einer Anfechtungsklage angreifen. Die Klagelast verschiebt sich damit auf den bei der Beschlussfassung unterlegenen Gesellschafter.


Ohne eine förmliche Beschlussfeststellung muss der Gesellschafter, der sich auf ein bestimmtes Beschlussergebnis berufen will, Feststellungsklage erheben. Die Feststellungsklage ist – anders als die Anfechtungsklage – nicht fristgebunden. Die Feststellung des Beschlusses entscheidet darüber, ob nach Ablauf der Anfechtungsfrist Rechtssicherheit besteht oder weiterhin mit einer Feststellungsklage zu rechnen ist.


Neben der Versammlungsleitung empfiehlt es sich auch einen Protokollführer festzulegen. Das ist gesetzlich zwar nicht zwingend vorgesehen, viele Satzungen regeln jedoch eine Pflicht zur Niederschrift der Gesellschafterversammlung. Allein schon zu Beweiszwecken ist das unabdingbar. Es spricht nichts dagegen, dass der Versammlungsleiter auch zum Protokollführer gewählt wird.

 

Vom Stimmverbot zur Abstimmungspflicht

Regelmäßig herrscht bei streitigen Gesellschafterversammlungen Uneinigkeit darüber, ob einer der widerstreitenden Gesellschafter in Hinblick auf bestimmte Beschlussgegenstände einem Stimmverbot unterliegt. Das Stimmverbot ist in § 47 Abs. 3 GmbHG geregelt und besagt, dass kein Gesellschafter „Richter in eigener Sache” sein darf. Ein Gesellschafter hat kein Stimmrecht bei der Beschlussfassung über:
  • seine Entlastung als Geschäftsführer;
  • die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der Gesellschaft;
  • die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen ihn;
  • seine Befreiung von einer Verbindlichkeit;
  • die Vornahme eines Rechtsgeschäftes zwischen ihm und der Gesellschaft;
  • seine Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund sowie
  • seine Ausschließung als Gesellschafter aus wichtigem Grund.


Bei der Vorbereitung einer streitigen Gesellschafterversammlung ist jeder Gesellschafter gut beraten, potenzielle eigene und fremde Stimmrechtsverbote zu identifizieren und zu prüfen.


Sind die Gesellschafter unterschiedlicher Auffassung was das Vorliegen eines Stimmverbots angeht, kommt dem oben dargestellten Versammlungsleiter erhebliche Bedeutung zu. Letztlich entscheidet er, ob er ein Stimmverbot bejaht und den Beschluss entsprechend formell feststellt.


Von dem Verbot der Stimmabgabe ist das Teilnahme- bzw. Anwesenheitsrecht strikt zu trennen. Selbst wenn ein Gesellschafter einem Stimmverbot unterliegt, ist er dennoch berechtigt, an der Versammlung teilzunehmen und der Abstimmung, an der er nicht mitwirken darf, physisch beizuwohnen.

 

Fazit

Wie sich zeigt, ist die gute Vorbereitung einer streitigen Gesellschafterversammlung nicht nur sinnvoll, sondern eine Notwendigkeit für die optimale Wahrnehmung und Durchsetzung der eigenen Rechte. Nutzt man das formelle Prozedere zu seinen Gunsten, kann eine einzige Gesellschafterversammlung das berühmte „Zünglein an der Waage” sein.

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Patrick Satzinger

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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