Coronavirus in der Tschechischen Republik: Das müssen Arbeitnehmer jetzt wissen

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veröffentlicht am 13. März 2020 | Lesedauer ca. 6 Minuten

 

 

Haben Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht wenn Kollegen erkrankt sind oder der Kundenverkehr das Erkrankungsrisiko erhöht („Muss ich zur Arbeit“)?

Gem. § 101 (1) des tschechischen Arbeitsgesetzbuches (Gesetz Nr. 262/2006 Slg., i.d.a.F., nachfolgend auch nur ArbGBcz) ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit in Bezug auf die Risiken einer möglichen Gefährdung ihres Lebens und ihrer Gesundheit zu gewährleisten. Auf der anderen Seite gibt § 106 (2) des ArbGBcz dem Arbeitnehmer das Recht, die Leistung einer Arbeit abzulehnen, von der er begründeterweise annimmt, dass sie unmittelbar und in ernsthafter Form sein Leben oder seine Gesundheit gefährdet, ggf. das Leben oder die Gesundheit von anderen natürlichen Personen. Eine solche Ablehnung darf dann nicht als Nichterfüllung der Pflicht seitens des Arbeitnehmers bewertet werden.
 
Daher sollten Arbeitgeber die Befürchtungen der Arbeitnehmer sehr ernst nehmen.
 
Aber: Solange keine behördliche Warnung vorliegt oder entsprechende andere Maßnahmen angeordnet werden, müssen die Arbeitnehmer in dieser Situation grundsätzlich zur Arbeit gehen.
 
In Tschechien informieren die zuständigen Behörden, insbesondere das tschechische Gesundheitsministerium sowie die regionalen Hygieneämter umfangreich und tagesaktuell über den Kenntnisstand, die aktuelle Lage der Ausbreitung des Erregers (Coronavirus, Covid-19), genauso wie über die erforderlichen Präventions- sowie Schutzmaßnahmen, siehe dazu u.a.


Kann ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber angeordnete Reisen in Risikogebiete verweigern?

Sofern keine spezifischen durch das tschechische Gesundheitsministerium bzw. die zuständigen Gesundheitsschutzbehörden außergewöhnlichen Maßnahmen ergriffen und die Risikogebiete nicht abgesperrt werden, kann der Arbeitnehmer die angeordnete Reise in Risikogebiete grundsätzlich nicht verweigern.
Welche Gebiete bzw. Länder derzeit als abgesperrte Risikogebiete angesehen werden, siehe dazu u.a.:


Da sich jedoch die Lage jederzeit ändern bzw. verschärfen kann, sollten Arbeitgeber Dienstreisen aktuell grundsätzlich auf das Minimum beschränken und nur anordnen, sofern sie tatsächlich zwingend erforderlich sind. Denn nach Rückkehr des Arbeitnehmers sind vom Arbeitgeber evtl. weitere Maßnahmen (wie eine Quarantäne) zu treffen, die einer möglichen Verbreitung der Infektion am Arbeitsplatz vorbeugen.
 
Zudem empfehlen wir, sollte der Arbeitnehmer auf eine Dienstreise ins Ausland entsandt werden (müssen), dass er sich unter dem freiwilligen sog. DROZP System des Tschechischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten registriert.
 

Haben Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, im Home Office zu arbeiten bzw. kann Home Office angeordnet werden?

Sollte der Arbeitnehmer seine Arbeit im Home Office-Modus ausüben (können), muss er diese Tatsache mit dem Arbeitgeber vereinbaren, es sei denn diese Art des Home Office-Modi ist bereits im Arbeitsvertrag vereinbart. Daher kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ohne vorherige Vereinbarung mit ihm kein Home Office anordnen. Er kann Home Office nur anbieten bzw. empfehlen, dort wo es möglich ist.
 

Müssen Arbeitnehmer zur Arbeit, wenn die Bahn (der Nahverkehr) nicht mehr fährt?

Bei jeglichen Verspätungen oder dem Nichterscheinen am Arbeitsplatz aufgrund einer behördlichen Maßnahme, des Ausfalls des Nahverkehrs oder einer sonstigen höheren Gewalt muss der Arbeitgeber (i.d.R. der Vorgesetzte) unverzüglich und sofern das möglich ist, rechtzeitig im Voraus informiert werden. Es handelt sich in diesen Fällen um eine Arbeitsverhinderung auf Seiten des Arbeitnehmers.
 
Wenn der Arbeitnehmer aus objektiven Gründen nicht in die Arbeit kommen kann, d.h. wenn z.B. über die ganze Stadt eine Quarantäne verordnet wurde, handelt es sich gemäß § 191 ArbGBcz um eine persönliche Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers, bei der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gem. § 192 (2) ArbGBcz einen Lohnersatz in Höhe von ca. 60 Prozent des durchschnittlichen Monatsverdienstes in dem Zeitraum der ersten 14 Kalendertage der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit zahlen muss. Ab dem 15. Kalendertag erhält der Arbeitnehmer Krankengeld aus der Krankengeldversicherung.
 

Was passiert, wenn Arbeitnehmer Kinder haben, die betreut werden müssen, weil Schule und/oder Kindergarten geschlossen bleiben?

Falls der Arbeitnehmer die Kinderbetreuung seiner Kinder (allerdings derzeit nur für einen kurzen Zeitraum von max. neun bzw. 16 Kalendertagen; im letzteren Fall bei einem Alleinerziehenden ) nicht sicherstellen kann und sie selber betreuen muss, handelt es sich ebenfalls um eine persönliche Arbeitsverhinderung auf Seiten des Arbeitnehmers i.S.d. § 191 ArbGBcz, bei der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jedoch keinen Lohn zahlen muss. Sollte der Kindergarten und/oder die Schule (bei Kindern bis zum zehnten Lebensjahr) allerdings wegen der Quarantäne geschlossen werden, gebührt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf das sog. Pflegegeld und der Arbeitnehmer gilt als von der Arbeit entschuldigt.
 

Gibt es Handlungspflichten des Arbeitgebers aufgrund des aktuellen Infektionsrisikos? Müssen Mitarbeiter angeordnete Schutzmaßnahmen befolgen?

In diesem Zusammenhang ist auf die oben bereits genannten Bestimmungen §§ 101, 106 des ArbGBcz hinzuweisen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit in Bezug auf die Risiken einer möglichen Gefährdung ihres Lebens und ihrer Gesundheit zu gewährleisten. Er kann daher z.B. eine dementsprechende innerbetriebliche Vorschrift/Anordnung erlassen, mit bestimmten Handlungs- und Unterlassungsvorgaben, um das Risiko für das Leben und die Gesundheit einzelner Arbeitnehmer und/oder der gesamten Belegschaft zu minimieren. Dieser innerbetrieblichen Vorschrift/Anordnung haben alle betroffenen Arbeitnehmer nach deren Bekanntmachung Folge zu leisten.
 

Als Schutzmaßnahme bietet sich u.a. in begründete Fällen auch die Anordnung einer außerordentlichen ärztlichen Untersuchung durch den Arbeitgeber an, der der betroffene Arbeitnehmer Folge leisten muss, siehe dazu § 12 Verordnung Nr. 79/2013 Slg. oder die vorbeugende Anordnung einer 14-tägigen Quarantäne, sofern der Arbeitnehmer aus einem Risikogebiet zurückgekehrt ist.
 

Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber, um etwaige wirtschaftliche Folgen zu reduzieren?

Nach Absprache mit den Arbeitnehmern (siehe dazu auch unsere vorherigen Ausführungen) können die Arbeitgeber die Arbeit (sofern möglich) von zu Hause ausüben lassen (im sog. Home Office). Zu beachten ist jedoch, dass das Home Office in Tschechien nicht ausdrücklich geregelt ist. Daher basiert dieser Bereich auf gegenseitigem Vertrauen und stellt eine Grauzone dar, die auch ungeregelte Bereiche aufweist.
 
Den Arbeitgebern steht in Tschechien zudem das Instrument der sog. Teilarbeitslosigkeit (vgl. mit der Kurzarbeit in Deutschland) zur Verfügung, geregelt in § 115 des tschechischen Beschäftigungsgesetzes (Gesetz Nr. 435/2006 Slg., i.d.a.F., nachfolgend auch nur BSchGcz).
 
Nach dem BSchGcz kann der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen des Arbeitsamtes – auf der Grundlage einer mit ihm nach vorheriger Genehmigung der Regierung geschlossenen Vereinbarung – zum Zeitpunkt der Teilarbeitslosigkeit einen Beitrag gewähren. Hinweis: In der Praxis ist dieses Vorgehen allerdings noch nicht umgesetzt worden. Die Höhe der Zulage beträgt 20 Prozent des Durchschnittsverdienstes des Arbeitnehmers. Sie kann derzeit max. für einen Zeitraum von sechs Monaten (mit optionaler Verlängerung um einen weiteren Zeitraum von sechs Monaten) gewährt werden. In begründeten Fällen kann die Regierung in Form einer Verordnung eine weitergehende Gewährung von Beiträgen aussprechen. Ob die geltenden Regelungen der sog. Teilzeitarbeitslosigkeit und deren Hürden unter den aktuellen Situation gelockert bzw. durch die Regierung im Sinne einer Verordnung geregelt werden, lässt sich derzeit noch nicht absehen.
 

Evtl. bietet sich auch die sog. kollektive Urlaubsinanspruchnahme (Betriebsferien) gem. § 220 ArbGBcz an. Der Arbeitgeber kann im Einvernehmen mit dem Gewerkschaftsorgan und/oder mit der Einwilligung des Arbeitnehmerrats eine kollektive Urlaubsinanspruchnahme anordnen, allerdings nur dann, sofern das aus betrieblichen Gründen tatsächlich notwendig ist. Die kollektive Urlaubsinanspruchnahme darf dabei nicht mehr als zwei Wochen betragen und sie muss ebenfalls mit einem Vorlauf von 14 Tagen angekündigt werden.
 
Letztlich wäre auch über die Vereinbarung einer unbezahlten Arbeitsfreistellung (unbezahlter Urlaub) nachzudenken, was jedoch eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraussetzt.
 

Sind bei den Maßnahmen des Arbeitgebers zur Reduzierung des Infektionsrisikos und zur Milderung der wirtschaftlichen Folgen Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten?

In Tschechien gibt es einen aus dem deutschen Recht bekannten Betriebsrat nicht. Bei Maßnahmen des Arbeitgebers, die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit betreffen sowie sämtlichen weiteren Maßnahmen, die mehrere Arbeitnehmer betreffen, werden die zuständigen Gewerkschaftsorgane bzw. der Werkausschuss der Gewerkschaft – sofern eine solche beim Arbeitgeber aktiv ist – eingeschaltet. Es besteht in diesen Fällen ein Erörterungsrecht des Gewerkschaftsorgans bzw. des Werkausschlusses  der Gewerkschaft.
 
Die letzte Entscheidung über die in diesem Zusammenhang zu treffenden Maßnahmen verbleibt jedoch letztlich beim Arbeitgeber selbst.
 

Haben Arbeitnehmer im Fall einer vorübergehenden Betriebsschließung Anspruch auf Entgeltfortzahlung?

Je nach Art der Betriebsschließung haben Arbeitnehmer entweder Anspruch auf Lohnersatzzahlung in Höhe von 80 Prozent des durchschnittlichen Monatsverdienstes bei einem Stillstand i.S.d. § 207 (a) ArbGBcz
Alternativ käme in dem Fall auch die sog. Teilarbeitslosigkeit i.S.d. § 209 ArbGBcz in Betracht. Hier kann der Arbeitgeber den Lohn bis auf 60 Prozent des durchschnittlichen Monatsverdienstes reduzieren. Sollte jedoch ein Gewerkschaftsorgan in seinem Betrieb aktiv sein, ist dazu die Zustimmung der Gewerkschaft erforderlich.
  

Was passiert im behördlich angeordneten Quarantänefall. Erhalten Mitarbeiter weiterhin ihr Gehalt? Wer erstattet dem Arbeitgeber diese Kosten?

Bei behördlich angeordneter Quarantäne handelt es sich gemäß dem ArbBGcz um eine entschuldigte persönliche Arbeitsverhinderung auf Seiten des Arbeitnehmers, bei dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in den ersten 14 Kalendertagen einen Lohnersatz in Höhe von 60 Prozent des durchschnittlichen Monatsverdienstes zahlen muss. Dem Arbeitgeber werden die mit dem Quarantänefall verbundenen Kosten nicht erstattet.
 

Im welchem Verhältnis stehen Quarantäne und Urlaub zueinander?

Im Falle einer angeordneten Quarantäne wird der bereits angeordnete und angefangene Urlaub nicht unterbrochen, siehe dazu § 219 (1) des ArbGBcz. Sollte eine Quarantäne bestehen, kann in dieser Zeit jedoch kein Urlaub angeordnet werden.
 

Darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaub anordnen, um die Verbreitung der Infektion zu minimalisieren, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub in der mit der Infektion betroffenen Region verbracht hat?

Wie bereits erwähnt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit in Bezug auf die Risiken einer möglichen Gefährdung ihres Lebens und ihrer Gesundheit zu minimieren.
 
Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer einen Urlaub grundsätzlich mit einem 14-tägigen Vorlauf schriftlich anordnen – es sei denn, er einigt sich mit dem betroffenen Arbeitnehmer nicht abweichend.

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