Auskunftsansprüche – Fishing for Arguments

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veröffentlicht am 18. Mai 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sieht verschiedene Betroffenenrechte vor, darunter auch Auskunftsansprüche. Auskunftsansprüche haben in der Praxis eine hohe Bedeutung, da sie wesentlich als Hilfsanspruch dazu dienen, Betroffene in die Lage zu versetzen, weitergehende Rechte geltend zu machen.


Die Reichweite und Grenze des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO ist völlig ungeklärt – während sich in der Vergangenheit Gerichte bis zu Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht mit einer Auslegung des Anspruchs befasst haben, steht eine Klärung durch den Europäischen Gerichtshof noch aus.


Die Frage nach Umfang und Ausgestaltung des Auskunftsrechts nach Art. 15 DSGVO ist gleichsam von hoher Praxisrelevanz, da die Erfüllung für die Betroffenen sehr auf­wendig sein kann – denn sowohl der Begriff der personenbezogenen Daten, als auch der Auskunftsanspruch reichen denkbar weit.



Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO

Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO haben betroffene Personen ein Recht auf Auskunft darüber, welche ihrer perso­nen­be­zogenen Daten ein Verantwortlicher verarbeitet. Art. 15 Abs. 3 DSGVO sieht im Wortlaut zudem vor, dass be­troffene Personen eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, erhalten sollen.

Der Auskunftsanspruch ist seiner Natur nach ein Hilfsanspruch. Der Gesetzgeber wollte den Betroffenen ein Instrument zur Schaffung des notwendigen Wissensfundaments für die Geltendmachung weitergehender Be­trof­fenenrechte an die Hand geben (vgl. Erwägungsgrund 63 zur DSGVO).

Art. 15 DSGVO dient mithin dazu, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, die datenschutzrechtlichen Betroffenenansprüche, bspw. das Recht auf Löschung, Berichtigung oder Schadensersatz (vgl. Art. 16 ff. DSGVO) geltend zu machen.

In der Praxis werden Auskunftsansprüche häufig begleitend im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, insbesondere bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten geltend gemacht. Denn im Anstellungsverhältnis speichert der Arbeitgeber als Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO eine Vielzahl von personenbezogenen Daten über den Beschäftigten als die betroffene Person (vgl. Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO) und grundsätzlich hat ein Arbeitgeber auf Verlangen des Beschäftigten alle personenbezogenen Daten herauszugeben.

Vor diesem Hintergrund erlangen Auskunftsansprüche und deren Reichweite eine hohe Praxisrelevanz, da im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen wie dem Arbeitsverhältnis aufgrund der Menge der angefallenen perso­nenbezogenen Daten ein Auskunftsanspruch nur unter hohem Aufwand erfüllt werden kann. Die Recht­spre­chung hat sich entsprechend in den letzten Jahren in vielen Entscheidungen mit der Frage befasst, wie der An­spruchs nach Art. 15 DSGVO geltend gemacht werden kann.


Verhältnis zwischen dem Auskunftsanspruch (Art. 15 Abs. 1 DSGVO) und dem Anspruch auf Erhalt von Kopien (Art. 15 Abs. 3 DSGVO)

Unter Zugrundelegung des Wortlauts gewährt Art. 15 Abs. 1 DSGVO ein Recht auf Auskunft, während im Fall des Art. 15 Abs. 3 DSGVO das Auskunftsverlangen durch Zurverfügungstellung einer Datenkopie erfüllt wird. Zuletzt wurde die Frage nach dem Verhältnis von Art. 15 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 3 DSGVO in zwei Ent­schei­dun­gen von Bundesgerichtshof (BGH) und Bundesarbeitsgericht (BAG) verschieden beurteilt.

Mit dieser Frage hat sich das BAG in seiner Entscheidung vom 27.4.2021, Az. 2 AZR 342/20 befasst. Im dem Verfahren hat der Kläger sein datenschutzrechtliches Begehren auf Kopie des gesamten dienstlichen E-Mail-Verkehrs auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO gestützt. Der Kläger habe, so das BAG, dieses Verlangen nicht nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 Zivilprozessordnung hinreichend bestimmt, weshalb der Anspruch bereits zu unbestimmt und die Klage deshalb unzulässig sei. Eine Auseinandersetzung des Gerichts mit dem Inhalt und der Reichweite des Rechts auf Auskunft und Kopie ist entsprechend nicht mehr erfolgt.

Damit sieht der BAG im Ergebnis Auskunfts- und Kopie-Anspruch als zwei getrennte Ansprüche, wobei dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO – im Sinne eines Hilfsanspruchs – der Vorrang gegenüber dem Kopie-Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO zukommt. Folglich ist im Rahmen einer Stufenklage in einem ersten Schritt der Auskunftsanspruch geltend zu machen, erst in einem weiteren Schritt sei es möglich, mittels ge­nau­er – den Anforderungen einer Zwangsvollstreckung genügenden – Bezeichnung der herauszugebenden Doku­mente den Anspruch auf Überlassung einer Kopie der personenbezogenen Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO geltend gemacht zu machen.

Der BGH legt dagegen ein abweichendes Rechtsverständnis zugrunde und geht von einem umfassenden An­spruch auf Auskunft und Kopie-Herausgabe aus und sieht den Kopie-Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO als einen speziellen Unterfall des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Der Kopie-Anspruch kann nach dieser Auffassung auch ohne vorherigen Auskunftsanspruch prozessual durch einen Klageantrag auf Erteilung von Auskunft mittels Zurverfügungstellung der jeweiligen Kopie über alle vom Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten des Anspruchsinhabers geltend gemacht werden. Ein solcher Anspruch sei, so der BGH in konsequenter Fortsetzung seiner Rechtsauffassung, auch ausreichend bestimmt.


Reichweite und Grenzen des Auskunftsanspruchs

Gleichzeitig gehört die Frage nach Inhalt, Umfang und Grenzen des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO zu den in der Literatur und Rechtsprechung bislang umstrittensten Fragen des Datenschutzrechts.

Der Auskunftsanspruch ist denkbar weit, insbesondere spielt es für den Auskunftsanspruch keine Rolle, wel­cher Aufwand benötigt wird. Der Verantwortliche hat grundsätzlich die konkrete Auskunft zu leisten bzw. Kopien personenbezogener Daten herauszugeben soweit keine der vorbezeichneten Einschränkungen dem ent­gegenstehen.

Ausgeschlossen ist der Auskunftsanspruch jedoch in den Fällen, in denen die Geltendmachung des Aus­kunfts­an­spruchs als missbräuchlich zu bewerten ist. In diesen Fällen kann der Auskunftsanspruch wegen Rechts­miss­brauchs nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ganz, bzw. teilweise eingeschränkt sein. Dies ist bei­spiels­weise dann der Fall, wenn dem Anspruch aus Art. 15 DSGVO die Rechte oder Freiheiten anderer ent­ge­gen­ste­hen (vgl. Art. 15 Abs. 4 DSGVO), die Antragstellung „offenkundig unbegründeten“ ist oder dieser – insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung – als „exzessiv“ zu bewerten ist (vgl. Art. 12 Abs. 5 DSGVO).

Der weite Auskunftsanspruch findet allerdings wiederum eine materiell-rechtliche Einschränkung, wonach die betroffene Person einer Konkretisierungsobliegenheit obliegt (vgl. Erwägungsgrund 63 der DSGVO).

Diese Problematik findet sich insbesondere im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen wie dem Arbeitsver­hält­nis, wo eine große Menge personenbezogener Daten anfallen. So entschied u.a. das Landesarbeitsgericht Hessen in seinem Urteil vom 10.06.2021 (Az. 6 Sa 861/20), dass sich bei Vorliegen eines allgemeinen, d.h. un­bestimmten Auskunfts- bzw. Kopierverlangens der Umfang der herauszugebenden Informationen anhand des Katalogs von Art. 15 Abs. 1 Buchst. a-d DSGVO bestimmt.

So vertrat auch das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 17.6.2021 (Az. 7 U 325/20) die Auffassung, dass es im Rahmen des Anspruchs auf Übermittlung einer Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht erforderlich sei, mehr personenbezogene Daten zu übermitteln, als zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung not­wendig sind. Zu diesem Zweck sei es ausreichend, dass die betroffene Person die in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a–d DSGVO genannten Angaben in Kopie erhält. Nach dieser Rechtsauffassung werden die Auskunfts- und Kopie-Anspruch bereits tatbestandlich auf diese Kategorien personenbezogener Daten begrenzt.

In einem weiten Normverständnis geht dagegen der BGH davon aus, dass sich der Auskunfts- und Kopie-Anspruch auf alle vom Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten der betroffenen Person be­zieht. Eine restriktive Auslegung lasse sich insbesondere nicht mit Sinn und Zweck der Norm vereinbaren. Diese Auffassung wird ferner vom europäischen Datenschutzausschuss geteilt.

Eine endgültige Entscheidung über diese Streitfrage durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) wird im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts vom 9.8.2021 betreffend die Frage über das „Recht auf Kopie der Daten“ i.S.d. Art 15 Abs 3 DSGVO erwartet. Entscheidungen im Rahmen von Vorlageersuchen bei dem EuGH führen zu einer verbindlichen Auslegung der DSGVO in der datenschutzrechtlichen Praxis.


Fazit

Die Frage nach dem Inhalt und der Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO wirkt sich auf weitere Betroffenenrechte wie das Recht auf Löschung oder Berichtigung der Daten aus. Die Reichweite und Grenzen des Anspruchs nach Art. 15 DSGVO sind seitens des Gesetzgebers nur abstrakt geregt und noch nicht abschließend durch die Rechtsprechung geklärt.

Aufgrund des weiten Anwendungsbereichs des Auskunftsanspruchs und vor dem Hintergrund der in der Praxis verarbeiteten Datenmengen sehen sich Unternehmen, die mit Auskunftsansprüchen konfrontiert werden, vor der Herausforderung, über alle personenbezogenen Daten Auskunft erteilen zu müssen.

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