Verschwiegenheitspflichten vs. Informationsinteresse

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veröffentlicht am 23. September 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Due Diligence-Prüfungen sind ein wichtigerer Bestandteil eines Unternehmenskaufs, da die meisten Käufer nicht die berühmte „Katze im Sack” kaufen möchten. Die Erge­bnisse einer Due Diligence wirken sich u.a. bei der Kaufpreisfindung und dem im späteren Kaufvertrag geregelten Haftungsregime aus. Der Wunsch des Käufers nach Erteilung umfassender Informationen findet aber häufig seine Grenze in Verschwie­gen­heitsverpflichtungen aus der Sphäre des Verkäufers oder des Zielunternehmens. Das Konfliktpotenzial sollte sowohl Käufer als auch Verkäufer kennen, um das Scheitern eines Deals zu vermeiden.

   


Der potenzielle Käufer eines Unternehmens hat üblicherweise ein gewichtiges Informationsinteresse, das er durch möglichst vollständige Beantwortung aller seiner gestellten Fragen befriedigt wissen möchte. Auf der Verkäuferseite sind die Interessen meist ebenso auf eine einheitliche umfassende Informationsgrundlage gerichtet.
 
Doch v.a. wenn auf Verkäufer Seite nicht nur ein Akteur – z.B. in Form eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH – vorhanden ist oder nicht alle Anteilseigner verkaufen wollen, stehen diverse gesetzliche und vertragliche Regelungen im Raum, die es der Geschäftsführung des Zielunternehmens und mitunter auch Verkäufern selbst erschweren oder gar unmöglich machen, das Informationsinteresse des Käufers vollständig zu befriedigen.
 
Nachfolgend sollen die häufigsten Konstel­la­tio­nen einer Verschwiegenheits­ver­pflich­tung bei der GmbH und der AG dargestellt werden, die die natürliche Grenze des Informationsinteresses bilden.


Spezielle Betrachtung bei der GmbH

Plant ein Gesellschafter einer GmbH die Veräußerung seines Anteils gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Informationsweitergabe. Entweder der Gesellschafter leitet selbst die ihm vorliegenden Informationen weiter oder der potenzielle Kaufinteressent erhält die Informationen von der Geschäftsführung der Zielgesell­schaft. In beiden Konstellationen stellt sich die Frage unter welchen Voraussetzungen eine solche Informationsweitergabe zulässig ist und welchen Restriktionen sie unterliegt.

Eine eigenmächtige Informationsweitergabe der Geschäftsführung an einen potenziellen Erwerber ist keine Geschäftsführungsmaßnahme beim ordentlichen Geschäftsgang. Vielmehr handelt es sich um eine unge­wöhnliche Maßnahme für deren Vornahme die Geschäftsführung gemäß § 49 Abs. 2 GmbHG verpflichtet ist, vorab damit die Gesellschafterversammlung zu befassen. Nur im Falle einer Freigabe durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung darf die Geschäftsführung Informationen an einen potenziellen Erwerber übermitteln. Ansonsten ist sie zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Der verkaufswillige Gesellschafter selbst kann Informationen – die ihm noch nicht vorliegen – die ein potenzieller Käufer aber sehen möchte, über sein Informationsrecht gemäß § 51a Abs. 1 GmbHG von der Geschäftsführung fordern.

Dieses Informationsrecht findet seine Grenze in der Regelung des § 51a Abs. 2 GmbHG. Danach darf die Geschäftsführung das Informationsbegehren verweigern, wenn begründeter Verdacht besteht, dass der Gesellschafter die Informationen zu einem „gesellschaftsfremden Zweck“ verwendet. Es ist umstritten, ob die Absicht des Gesellschafters, die Informationen an einen potenziellen Erwerber weiterzuleiten, eine Besorgnis gesellschaftsfremder Verwendung konstituiert oder nicht. Soweit die Weitergabe von Informationen an einen Kaufinteressenten nach den folgenden Ausführungen auch keine Treuepflichtverletzung darstellen, rechtfertigen sie auch keine Verweigerung nach § 51a Abs. 2 GmbH.

Hat der Gesellschafter die angefragten Informationen erhalten, stellt sich die Frage, ob wiederum die Weiter­gabe der Informationen durch ihn, durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht beschränkt wird. Anders als bei Personengesellschaften wird bei Kapitalgesellschaften davon ausgegangen, dass die Veräußerung der Beteiligung (auch mit Blick auf die in § 15 Abs. 1 GmbHG geregelte Veräußerlichkeit) eine Form des ordnungsgemäßen mitgliedschaftlichen Verhaltens jedes Gesellschafters ist. In der Konsequenz kann die Vorbereitung einer solchen Handlung durch Übermittlung von Informationen an einen potenziellen Erwerber nicht per se gegen eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen. Im Einzelfall kann sich das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft wieder zulasten des veräußerungswilligen Gesellschafters auswirken und seine grundsätzliche Informationsübermittlungsberechtigung einschränken. Dem kann durch Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung mit Strafbewehrung entgegengewirkt werden.


Spezielle Betrachtung bei der AG

Da ein veräußerungswilliger Aktionär gegenüber dem Vorstand kein Informationsrecht hat, kann er einem potenziellen Erwerber (anders als beim Erwerb einer GmbH) i.d.R. keine umfassenden Auskünfte über die Zielgesellschaft erteilen.

Aufgrund dessen sind der veräußerungswillige Aktionär sowie der potenzielle Erwerber auf die Mitwirkung des Vorstands angewiesen. Daher ist zu fragen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Vorstand Informationen weitergeben darf und welchen Restriktionen der unterliegt. Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG ist der Vorstand verpflichtet, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der AG Stillschweigen zu bewahren. Die vertrauliche Behandlung von Geheimnissen i. S. von § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG ist strafrechtlich gem. § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG geschützt.

Sofern es sich beim Target um eine börsennotierte Aktiengesellschaft handelt, kann der Vorstand einem Mitteilungsverbot gemäß der Marktmissbrauchsverordnung bzw. dem WpHG Unterliegen (Insiderhandel). Angesichts ihres Kursbeeinflussungspotentials handelt es sich zumindest bei einem Teil der bei einer Due Diligence offenzulegenden Daten um Insidertatsachen.

Letzten Endes hat der Vorstand im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens über etwaige Auskunftserteilung zu entscheiden. Informationserteilungen sind mit Blick auf eine potenzielle Veräußerung nicht per se untersagt, jedoch ist im Einzelfall eine Abwägung vorzunehmen, die die Ernsthaftigkeit des Kaufinteressenten, eventuelle Vorteile für die Gesellschaft, die Gefahr einer nachteilig Verwertung der Informationen sowie den aktuellen Stand der Verhandlungen berücksichtigt.

Hat ein Aktionär entweder, wie oben ausgeführt, Informationen vom Vorstand erhalten, oder liegen ihm bereits Informationen über die Gesellschaft vor, stellt sich die anschließende Frage inwieweit er sie an einen Kaufinteressenten weitergeben darf. Es gilt letztlich das oben zur GmbH bereits Gesagte entsprechend. Grundsätzlich stellt die Veräußerung von Aktien ebenfalls einen Teil der mitgliedschaftlichen Rechte dar. Mithin besteht ein Interesse des Aktionärs an der Weitergabe von Informationen um das mitgliedschaftliche Recht sinnvoll auszuüben. Die Grenze findet sich auch dabei wieder in der mitgliedschaftlichen Treuepflicht, insbesondere dann wenn durch die Weitergabe (z.B. an Konkurrenten) gewichtige Interessen der Gesellschaft verletzt werden. Erneut kann durch Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung mit Strafbewehrung entgegengewirkt werden.


Wettbewerbsrechtliche Beschränkungen

Wettbewerbsrechtlich relevante Informationen (Preise oder Produktionsmengen) dürfen kaufinteressierten Wettbewerbern nicht zur Verfügung gestellt werden, da das gegen Kartellrecht verstößt. In solchen Fällen kommt gegebenenfalls ein Clean Team zum Einsatz. Mitglieder eines solchen Clean Teams können Mitarbeiter des Kaufinteressenten aus nicht operativen Bereichen oder auch externe Dritte wie z.B. Rechtsanwälte oder Steuerberater sein. Das Clean Team wertet die zur Verfügung gestellten Informationen aus und teilt dem Kaufinteressenten letztlich nur das Ergebnis der Prüfung mit. In aller Regel kann so wettbewerbsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen werden.


Resümee

Inwieweit eine Due Diligence-Prüfung auf Basis umfassender Informationen durchgeführt werden kann, hängt vom Einzelfall ab. Handelt es sich bei der Zielgesellschaft um eine GmbH, so steht dem Gesellschafter ein Informationsrecht zu, von dem er in den ihm durch die Treuepflicht gesetzten Grenzen Gebrauch machen darf, um die Veräußerung seiner Beteiligung vorzubereiten.

Demgegenüber fehlt es in einer AG an entsprechenden Informationsrechten des Aktionärs. Sowohl Aktionär als auch Erwerber sind auf die Mitwirkung des Vorstandes angewiesen, der nach pflichtgemäßem Ermessen über die Informationsweitergabe zu entscheiden hat. Vertiefter Betrachtung bedarf die Situation nur dann, wenn der potenzielle Erwerber ein Konkurrent ist.

Insgesamt lässt sich deshalb feststellen, dass die Weitergabe von Unternehmensinterna innerhalb unter gewissen Voraussetzungen möglich ist und durch den Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung bzw. – wo sinnvoll – durch Einsatz eines Clean Teams erleichtert werden kann.


Fazit

Dem Spannungsfeld zwischen dem Informationsinteresse des Käufers und eventuellen Verschwiegenheits­pflichten eines Verkäufers bzw. des Zielunternehmens sollte von allen Beteiligten Beachtung geschenkt werden. Hält man sich daran, lässt sich das Spannungsfeld in den Griff bekommen, zum Teil sogar auflösen und wird nicht zum Dealbreaker.   

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