Der Purpose prägt den Wert und die Werte von Unter­nehmen

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veröffentlicht am 4. Oktober 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten
 

Für die Bilanzierung und das Steuerrecht wird anhand von Kennzahlensystemen er­fasst, wie es um ein Unternehmen und seine Marke(n) wirtschaftlich bestellt ist. Fi­nanzwirtschaftlich sowie steuerrechtlich wird jedoch nicht die entscheidende Frage beantwortet, die Inter­es­sen­ten bzw. Kunden heute genauso stellen wie Bewerber und Mitarbeiter – immer häufiger aber auch Investoren und der Gesetzgeber: Warum gibt es das Unternehmen überhaupt? Die schlüssige Antwort darauf liefert idealerweise der Purpose. Er wird zunehmend wichtiger für die Markenprofilierung, die Markt­entwicklung sowie für die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern. 

 Prof. Dr. Karsten Kilian kommentiert

Prof. Dr. Karsten Kilian ist Wirtschaftswissenschaftler. Seit 2014 leitet er an der Hoch­schule Würzburg-Schweinfurt den Masterstudiengang Marken- und Medien­management. Er ist Mitglied im Herausgeberrat der Fachzeitschrift „transfer” und Grün­dungsmitglied des „Expertenrat Technologiemarken“. Mit Markenlexikon.com hat er das größte Markenportal im deutschsprachigen Raum aufgebaut. 
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Insbesondere die Generationen Y (geboren 1980-1994) und Z (1995-2009) wollen wissen, wie es um die Sinn­haftigkeit von Unternehmen bestellt ist. Ohne stimmige Antwort kann es gut sein, dass Ihrem Unternehmen künftig die Mitarbeiter ausgehen, sich die Kunden von morgen Ihren Wettbewerbern zuwenden, Ihre jetzigen Geschäftspartner einen Bogen um Ihr Unternehmen machen und die Politik ihre Unterstützung verweigert bzw. Märkte umfassend reguliert und im Extremfall sogar stranguliert. 
 
Unternehmen mit schlüssigem Purpose wiederum haben qualifiziertere, motiviertere und loyalere Mitarbeiter, was in der Folge zu stabileren und gehaltvolleren Kundenbeziehungen führt, weil die Zusammenarbeit positiver und permanenter ist. Deshalb sollten Sie sich klar machen, was es mit dem Purpose auf sich hat: Man versteht darunter den (höheren) Unternehmenszweck, die eigene Daseinsberechtigung, die über die Gewinnorientierung hinausgeht. Vielfach ist auch von Sinnhaftigkeit und Sinnstiftung für Mitarbeiter, Kunden und Gesellschaft die Rede. Der Purpose beschreibt den grundlegenden Existenzgrund mit klarem gesellschaftlichem Mehrwert, der über die reine Bedürfnisbefriedigung von Kunden hinausgeht. Dieser Mehrwert aus Überzeugung gibt insbe­sondere Interessenten und Mitarbeitern eine Antwort auf die Frage: Warum soll ich für das Unternehmen ar­beiten und mich jeden Tag auf’s Neue engagieren?
 
Audi bspw. möchte „heute schon die Welt von morgen gestalten“, Kneipp will „Menschen – inspiriert von der Natur – begeistern, ein glückliches und gesundes Leben zu führen“ und Viessmann strebt danach, „Lebens­räume für zukünftige Generationen zu schaffen“. Bemerkenswerter Weise wird die Sinnfrage nur selten gestellt, wenn die Arbeit nah am Produkt und/oder Kunden erfolgt. Bei älteren Mitarbeitern wiederum treten häufig mone­täre Faktoren und Verpflichtungen in den Vordergrund und der Purpose wird eher als „nice to have“ empfun­den. 
 
Vielfach ist der Purpose aber auch einfach nur ein Missverständnis, wie Ingo Hamm pointiert deutlich macht: „Die Arbeitswelt besteht nicht nur aus Greenpeace und den United Nations.“ Weckt der Purpose z.B. im Be­werbungsprozess Erwartungen, die sich mit der Arbeitsrealität nicht decken, dann bleiben neue Mitarbeiter nur selten länger. Vielfach sind Purpose-Aussagen auch einfach nur abstrakt und überzogen im Sinne von „gemeinsam retten wir die Welt“. In zahlreichen Unternehmen korrumpieren zudem extrinsische, monetäre Anreizmechanismen den primär intrinsisch geprägten Purpose im Sinne von „Geld oder Glück“. Es ist deshalb ratsam, eine realistische Purpose-Formulierung mit klarem Bezug zum eigenen Leistungsangebot zu wählen.
 
Auch sollte man nicht außer Acht lassen, dass es nach wie vor zunächst darum geht, die eigene Unternehmens­existenz zu sichern und das Unternehmen erfolgreich zu machen. Der Purpose kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten, indem durch das eigene Leistungsangebot die Kunden und mit ihnen die Mitarbeiter und die Gesellschaft insgesamt zufriedengestellt, idealerweise sogar entzückt werden. Drei Purpose-Ausprägungen sind Jonathan Knowles et al. zufolge denkbar: Der Purpose kann kompetenzbasiert, kulturell geprägt oder karitativ sein.
   

Kompetenzbasierter Zweck

Unternehmen mit Kompetenz-Purpose bieten gute Produkte an. Es geht um die kompetente Erfüllung von Kundenwünschen. Heidelberg Cement z.B. liefert „Material zum Aufbau unserer Zukunft“, Linde möchte „unsere Welt produktiver machen“ und Siemens Healthineers leistet „Pionierarbeit im Gesundheitswesen. Für jeden Menschen. Überall.“ In ähnlicher Weise leistet Airbus „Pionierarbeit für eine nachhaltige Luft- und Raum­fahrt“ und Fresenius bietet „immer bessere Medizin für immer mehr Menschen“.
 

Kulturgeprägter Purpose

Daneben besteht die Möglichkeit, einen Kultur-Purpose zu wählen, der verdeutlicht, dass das Unternehmen gut gemanagt wird. Der Purpose beschreibt die Unternehmenskultur und macht deutlich, wozu das Unternehmen da ist. Lufthansa z.B. „verbindet Menschen, Kulturen und Volkswirtschaften auf nachhaltige Weise“, Merck ist sich im Klaren, dass „Fortschritt von neugierigen Köpfen lebt“, bei Henkel arbeiten „Pioniere mit Herz zum Wohle der Generationen“ und Daimler Truck versteht sich als Unternehmen „für alle, die die Welt bewegen“.
 

Karitativer Ansatz

Als dritte Möglichkeit bietet sich ein Karitas-Purpose an, der deutlich macht, dass ein gutes Unternehmen gemanagt wird. Beim karitativen Purpose geht es v.a. um das Gute, das ein Unternehmen für die Gesellschaft und unsere Umwelt anstrebt. Die meisten karitativ geprägten Unternehmen sind, neben Wohlfahrtsverbänden wie Diakonie und Caritas, soziale Start-ups. Sie werden häufig auch als Impact Brands bezeichnet. Unter den etablierten Wirtschaftsunternehmen findet sich fast kein karitativ geprägtes Unternehmen, bei jungen Unter­nehmen dafür umso mehr. Bei Share aus Berlin bspw. dreht sich alles um die Verbindung jedes einzelnen Kaufs mit einer sozialen Spende. Der Purpose lautet dementsprechend: „Wir tun gut.“ Einhorn wiederum propagiert „Fairstainability“ – und investiert 50 Prozent seiner Gewinne in die bessere Bezahlung seiner Lieferanten, in nachhaltige Forschungsprojekte und in die umweltfreundliche Gestaltung seiner Verpackungen. Viva con Agua aus Hamburg setzt sich demgegenüber „für einen menschenwürdigen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung ein“. In ähnlicher Weise möchte Lemonaid den „sozialen Wandel aktiv gestalten“, indem es „fairen Handel“ betreibt und „Projekte der Entwicklungszusammenarbeit“ finanziell unterstützt.  
 
Allen drei Purpose-Ausprägungen liegt der Meta-Purpose eines jeden Unternehmens zugrunde: Kunden glück­lich zu machen! Erreicht werden kann das durch Produkte und Dienstleistungen, die das Leben der Kunden bereichern. Das schließt den Schutz von Gesellschaft, Natur und Umwelt mit ein und fallweise auch Leistungen an Dritte. Andy Taylor, Chef von Enterprise Rent-A-Car, beschreibt den Meta-Purpose „glückliche Kunden“ wie folgt: 
 
„Behandelt Eure Kunden so gut, dass sie wiederkommen und ihre Freunde mitbringen!“
 
Erfasst werden kann der Meta-Purpose zum einen über den Net Promoter Score, zum anderen über die Earned Growth Rate. Beide Ansätze können und sollten vorhandene Kennzahlensysteme ergänzen, weil sie mithelfen, die Wirkung des Purpose zu  erfassen. Steve Grimshaw, Chef von Caliber Collision, beschreibt die Magie des Purpose wie folgt:
 
„Die Menschen arbeiten hart für einen Gehaltsscheck,
sie arbeiten noch härter für einen guten Chef und 
sie arbeiten am härtesten für einen sinnvollen Purpose.“

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