Erbschaftsteuerreform: Der letzte Akt

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​Letzter Akt eines steuerlichen Dramas: Der Bundesrat hat auf seiner Sitzung am 14. Oktober 2016 dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses zur Erbschaftsteuerreform zugestimmt. Zuvor hatte bereits der Bundestag am 29. September 2016 dem Kompromiss zugestimmt. Damit können die neuen Regelungen in Kraft treten. 
 
 

Ab wann gilt das neue Recht?

Sowohl die Pressestelle des  Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) als auch die Finanzverwaltung hatten im Vorfeld des Vermittlungsverfahrens erklärt, dass die bisherigen Regelungen über den 30. Juni 2016 hinaus Bestand haben sollten. Das ist durch das nunmehr endgültig beschlossene „Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des BVerfG (ErbStRG)“ ausgehebelt geworden. Danach sind die neuen Regelungen auf Erwerbe anwendbar, für die die Steuer nach dem 30. Juni 2016 entsteht. Die Frage ist durchaus berechtigt, ob die rückwirkende Anwendung der neuen Regelungen zulässig ist. Das hängt maßgeblich davon ab, ob der Steuerpflichtige auch nach dem 30. Juni 2016 noch Vertrauensschutz in die alte Rechtslage genießt.
 
Es wird vertreten, dass bereits seit dem Urteil des BVerfG kein schützenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen mehr in die Anwendung der bisherigen Regelungen bestehe. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BVerfG stellt die Einbringung eines Gesetzentwurfes im Deutschen Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ das Vertrauen in den künftigen Bestand einer Rechtslage in Frage, da hierdurch geplante Gesetzesänderungen offensichtlich und allgemein vorhersehbar werden. Der Bundestag hatte das ErbStRG am 24. Juni 2016 beschlossen, also noch vor der vom Gericht gesetzten Frist zum 30. Juni 2016 und damit vor dem Rückwirkungszeitpunkt. Bereits zu diesem Zeitpunkt mussten sich potenziell Betroffene wohl auf die Geltung von Neuregelungen ab dem 01. Juli 2016 einstellen und entsprechend disponieren. Zwar wurden im Vermittlungsausschuss am 22. September 2016 noch Änderungen beschlossen; ob das jedoch ausreicht, um ein Vertrauen der Steuerpflichtigen in die alten Regelungen auch nach dem 30. Juni 2016 aufrechtzuerhalten, ist zu bezweifeln. Letztlich wird sich aber mit dieser Frage wohl das  BVerfG beschäftigen. Es wird dann auch zu entscheiden haben, ob eine Rückwirkung nach den obigen Grundsätzen angesichts des besonderen Charakters der Erbschaft- und Schenkungsteuer als Stichtagssteuer überhaupt zulässig ist und welche Rolle die Weitergeltungsanordnung für das alte Recht durch die Finanzverwaltung und die entsprechende Verlautbarung durch das Gericht selbst für den Vertrauensschutz der Steuerpflichtigen spielt.
 

Neubewertung ab dem 1. Januar 2016

Auch wer sein Unternehmen in 2016 bereits vor dem 30. Juni übertragen hat, wird von den neuen Regelungen betroffen sein, sofern das vereinfachte Ertragswertverfahren zur Anwendung gekommen ist. Denn die Herabsetzung des Kapitalisierungsfaktors bei Unternehmensbewertungen nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren auf 13,75 ist rückwirkend bereits ab dem 01. Januar 2016 anwendbar. In der Gesetzesbegründung heißt es, die Rückwirkung sei verfassungsrechtlich unproblematisch, da sie allein zu Gunsten des Steuerpflichtigen wirke. Wo sich der neue Kapitalisierungsfaktor allein in einem niedrigeren Steuerwert niederschlägt, mag das stimmen. Für Übertragungen im 1. Halbjahr 2016 kann sich die rückwirkende Anwendung des niedrigeren Kapitalisierungsfaktors jedoch auch negativ auf die Verwaltungsvermögensquote auswirken. Im schlimmsten Fall wird die Grenze von 50 Prozent zulässigem Verwaltungsvermögen überschritten, so dass überhaupt keine Verschonung mehr möglich ist. Die Verschonung kann sich aber auch von 100 Prozent (Optionsverschonung) auf 85 Prozent (Regelverschonung) reduzieren, wenn der Verwaltungsvermögenstest nach Neuberechnung eine Quote von mehr als 10 Prozent ergibt. Ob der Steuerpflichtige sich hierauf bei Übertragungen im ersten Halbjahr 2016 einstellen musste, darf bezweifelt werden, weil eine Änderung des Bewertungsverfahrens überhaupt erst mit dem Koalitionskompromiss vom 20. Juni 2016 Einzug in das Gesetzgebungsverfahren gefunden hat. Betroffene Steuerpflichtige könnten daher versuchen, die Beibehaltung des alten Kapitalisierungsfaktors auf dem Klageweg durchzusetzen. Jedoch sollte vorab die Möglichkeit geprüft werden, durch die Anwendung eines anderen anerkannten Bewertungsverfahren die Betriebsvermögensverschonung in der bisherigen Form zu retten.
 

Zukunft der Nachfolgeplanung

Kleine und mittlere Unternehmen sowie Unternehmen, bei denen sich die Gesellschaftsanteile auf zahlreiche Gesellschafter und/oder Nachfolger verteilen, werden ihre Nachfolgekonzepte nur punktuell anpassen müssen. Stichpunkte sind hier bspw. die Einbeziehung in die Lohnsummenprüfung, Neu-Abgrenzung, Berechnung und Besteuerung des Verwaltungsvermögens oder die Optimierung des Finanzmitteltests.
 
Große Familienunternehmen sehen sich jedoch vor eine Generalrevision ihrer Nachfolgeplanungen gestellt. Die Sicherung zumindest des Vorababschlags für qualifizierte Familienunternehmen, ein Denken in langfristigen Übertragungszyklen und die Einbeziehung auch des Privatvermögens aller Beteiligten und seiner Verteilung innerhalb der Familie bis hin zur Beschäftigung mit der Einbindung von Familienstiftungen und der übernächsten Erbengeneration stellen hier ganz neue Anforderungen dar.
 
Unsere Experten stehen Ihnen für die Identifizierung des Anpassungsbedarfs, eine steueroptimale Neustrukturierung und die zivil- und gesellschaftsrechtliche Einbindung der Nachfolgekonzepte gern zur Verfügung.
 

zuletzt aktualisiert am 14.10.2016 

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