Betreiberverantwortung bei Windkraftprojekten

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​Oftmals wird die durch den Betrieb von Windenergieanlagen übernommene Betreiberverantwortung nur unzureichend betrachtet oder unterschätzt. Eine nicht sauber delegierte Betreiberverantwortung kann im schlimmsten Fall zu Gefängnisstrafen für die Geschäftsführer der Betreibergesellschaften führen.

 

Bereits seit Jahren investieren institutionelle Anleger in gut prognostizierbare und somit renditesichere Erneuerbare-Energien-Projekte. Im Fokus stehen hier momentan besonders Windkraft- und Photovoltaik-Projekte, die weltweit gehandelt und transferiert werden. Nach langen Phasen der Evaluierung, Due-Diligence-Prüfungen, Kaufpreiskalkulationen und Verhandlungen gehen Parks dann endlich auf die neuen Eigentümer über, die sich einer auf die Laufzeit gesehen stabilen Rendite erfreuen.

 

Vielen dieser neuen Eigentümer – besonders aus dem institutionellen Bereich, die nie Berührungspunkte mit originärer Energieversorgung hatten – ist jedoch nicht bewusst, dass es sich hier nicht nur um ein reines Anlageobjekt handelt, welches einen bestimmten Ertrag per annum abwirft, sondern um ein funktionsfähiges Kraftwerk, dessen Betrieb mit entsprechenden Pflichten und Vorgaben verbunden ist.

 

Solange die Anlagen reibungslos funktionieren, kein Klageverfahren eingereicht wird oder eine behördliche Überprüfung ansteht, ist alles in Ordnung. Was passiert jedoch, wenn einer der genannten Fälle eintritt? Sind alle im Betrieb notwendigen Dokumente vorhanden? Ist jeder seinen Aufgaben und Pflichten nachgekommen? Wer verantwortet einen möglichen Unfall und bei wem gehen Schadensersatzforderungen ein? In der Verantwortung steht selbstverständlich zunächst der Eigentümer der Anlage bzw. dessen Geschäftsführer oder vertretungsberechtigtes Organ. Unfälle passieren mitunter auch bei Windkraftanlagen – es sind immerhin Kraftwerke, die dauerhaft in Betrieb sind. Alleine in Deutschland gab es laut Berichterstattung der Medien zwischen 2008 und 2016 ca. 50 Havarien, bei denen Anlagen abgebrannt, Teile abgerissen, Befahranlagen abgestürzt oder Arbeiter tödlich verletzt wurden. Kleinere Unfälle sind in die Betrachtung nicht eingeschlossen.

 

Sollte dem Eigentümer bzw. dessen Geschäftsführer in einem solchen Schadensfall eine schuldhafte Pflichtverletzung nachzuweisen sein, also beispielsweise ein Organisationsverschulden wie das Versäumnis, Abläufe korekt organisiert oder Aufgaben an empfangsberechtigte Personen delegiert zu haben, so kann dies ernsthafte rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Von empfindlichen Geldstrafen oder Ertragsausfällen im fünf- bis sechsstelligen Bereich aufgrund von Stilllegung der Anlagen bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung bei fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung ist alles möglich.

 

Derartige Schadensfälle zu vermeiden bzw. die Anlagen in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und sicher zu betreiben, sodass die von den Anlagen ausgehenden Gefahren sich nicht in Schäden realisieren, bezeichnet der Gesetzgeber als „Betreiberverantwortung”. Nachfolgend möchten wir das Thema „Betreiberverantwortung” gezielt beleuchten und insbesondere aufzeigen, wie sich Eigentümer gegen den Vorwurf einer Pflichtverletzung rechtlich absichern können.

 

Doch was genau ist unter Betreiberverantwortung eigentlich zu verstehen?

 

Definiton Betreiber und Verantwortung 

 

 

Betreiberverantwortung ergibt sich also aus der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft und dem unmittelbaren Zugriff auf die Anlage, d.h. der Betreiber hat die Verantwortung für alle sich daraus entwickelnden Szenarien und eventuellen Schadensereignisse.

 

Zur Konkretisierung dieser Verantwortung adressiert der Gesetzgeber gesetzliche Pflichten. Falls der jeweilige Adressat, also z. B. der Investor als Eigentümer oder Betreiber, den Pflichten nicht nachkommt, kann das empfindliche Folgen für ihn haben.  

 

 Gesetzliche Betreiberverantwortung aus GEFMA 190 

 

Abbildung 1: Gesetzliche Betreiberverantwortung aus GEFMA 190

 

Zu diesen Pflichten gehören unter anderem:

  • Instandhaltung von baulichen und technischen Anlagen (§ 3 MBO)
  • Instandhaltung von Arbeitsmitteln (§ 10 BetrSichV)
  • Verkehrssicherung, z.B. Winterdienst (§ 823 BGB)
  • Schadensersatz bei Schäden durch Bauwerke (§§ 836, 838 BGB)
  • Anlagenverantwortung nach VDE

 

Als Erstes gilt es die genauen Grundlagen zu kennen sowie zu wissen, wem gegenüber in welchem Fall Rechenschaft abzulegen ist. In solchen Projekten können alle möglichen Interessengruppen vertreten sein:

  • Behörden, besonders bei nach BImSchG genehmigten Anlagen
  • Anwälte der Gegenseite im Klageverfahren
  • Gerichte
  • Banken
  • Versicherungen
  • Anteilseigener (Gesellschafter)
  • aber auch natürlich Verbände wie Berufsgenossenschaften, sollte ein Mitarbeiter (das betrifft auch beauftragte Dritte!) zu Schaden kommen.

 

Darüber hinaus hat der Betreiber gewisse Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten, sowohl was die Menge und Art der Dokumente als auch deren Qualität und Umfang sowie den Aufbewahrungsort und die -fristen angeht. Diese gehen weit über die oftmals noch geläufigen Auflagen aus bestehenden Genehmigungen hinaus, die meist genau vorschreiben, welche Daten aus dem laufenden Anlagenbetrieb, z.B. Winddaten oder Abschaltzeiten für Schattenwurf- und Fledermausabschaltung, aufzubewahren sind. So ist z.B. eine ganze Reihe von Dokumenten, Berechnungen und Nachweisen aufzuheben und bei Bedarf vorzulegen, die den gesamten Lebenszyklus der Anlagen betreffen. Die Unterlagen beziehen sich auf so gut wie alle Phasen des Projektes, also auch auf die Vor- und Errichtungsphase, in denen Betreiber oftmals noch gar nicht am Projekt beteiligt waren und daher keinen direkten Zugriff auf eine saubere Dokumentation hatten. Als typische Beispiele sind die Grundstückssicherung, die Errichtung der diversen Gewerke und der Anlage an sich, die technische Dokumentation der Anlagen etc. zu nennen.

 

Inwieweit ist Betreiberverantwortung übertragbar?

Natürlich können Betreiber diese Aufgaben auch an externe Dritte übertragen, die sie z.B. mit der technischen oder kaufmännischen Betriebsführung der Anlagen betrauen. Hier gilt es bei der Vergabe der übertragbaren Aufgaben auf eine rechtssichere und fachlich einwandfreie Formulierung zu achten, nicht nur, damit alle Parteien über die Aufgabenverteilung einig sind, sondern auch um im Schadensfall hinsichtlich der Wirksamkeit der Risikoabwälzung auf den beauftragten Dritten auf der sicheren Seite zu sein.

 

Allerdings lässt sich das Betreiberrisiko nicht vollumfänglich abwälzen und verbleibt somit in Teilen immer bei dem Eigentümer. Ihm verbleibt typischerweise immer die sogenannte „Überwachungspflicht”. Hinzu kommen noch andere Pflichten wie ordnungsgemäße Ein-/Unterweisung beim Delegieren von Aufgaben, die Ausstattung des Delegationsempfängers mit den erforderlichen Mitteln und Befugnissen sowie die Pflicht zur sorgfältigen Auswahl von geeigneten Verantwortlichen und Dienstleistern. All diese Pflichten sind nicht übertragbar und gehören damit immer zum Restrisiko eines jeden Anlagenbetreibers.

 

Fazit

Beim Erwerb und Betrieb von Windparks ist es für institutionelle Eigentümer (und somit Betreiber der Parks) äußerst wichtig, das Betreiberrisiko soweit wie möglich zu reduzieren und eine rechtssichere Übertragung der übertragbaren Pflichten auf einen externen Dritten zu gewährleisten. Hier gilt es auf einwandfreie und rechtsgültige Formulierungen zu achten, damit diese nicht nachträglich für unwirksam erklärt werden. Dass es ein Restrisiko an nicht übertragbaren Pflichten gibt, nimmt der neue Eigentümer des Parks oftmals nicht in der Deutlichkeit wahr. Für das verbleibende Risiko der nicht übertragbaren Pflichten sollte es daher für den Investor und Betreiber von großer Bedeutung sein, eine stimmige Aufbau- und Ablauforganisation zu entwickeln, in der auch den verbleibenden Betreiberpflichten Rechnung getragen werden kann. Nicht zuletzt dafür ist eine saubere und aktuelle Dokumentation der notwendigen Unterlagen, die mit der Errichtung und dem Betrieb der Parks zu tun haben, unerlässlich. Unentbehrlich in diesem Zusammenhang ist das Fachwissen, welche Dokumente in welcher Qualität überhaupt erforderlich sind, um diese Anlagendokumentation rechtskonform anlegen und pflegen zu können.

 

Minimieren auch Sie als Betreiber von Windparks dieses Restrisiko, damit es am Ende kein böses Erwachen aus dem Traum der renditesicheren Investition gibt.

 

Unser Angebot als Rödl & Partner

Unsere Experten ermitteln im Rahmen eines Quick Checks den Umgang mit dem Thema Betreiberverantwortung in Ihrem Haus. Sie prüfen sowohl baulich-technische Sachverhalte als auch die relevanten Dokumentationen Ihrer Aufbau- und Ablauforganisation. Dazu zählt die Überprüfung der nachweisenden Dokumentation ebenso wie die Durchsicht der Verträge mit Dienstleistern zur Feststellung der Aufgabendelegation. Auch führen unsere Experten Gespräche mit verantwortlichen Mitarbeitern, um die Gesamtsituation sachgerecht einschätzen zu können. Das Resultat ist ein aussagekräftiger Ergebnisbericht, aus dem Schwachstellen und Risiken sowie Handlungsempfehlungen ersichtlich sind. 


Bei Bedarf kann Ihnen in einem weiteren Schritt die notwendige Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, um eine saubere und rechtssichere Anlagendokumentation zu gewährleisten. Dazu gehört nicht nur eine umfängliche Übersicht aller notwendigen und vorgeschriebenen Dokumente, sondern auch ein Ablaufplan über die Lebenszeit der Anlage, wann welche Dokumente mit welchem Datenumfang vorgehalten und gegebenenfalls aktualisiert werden müssen.

 

Im dritten Schritt kann die notwendige Überarbeitung der Verträge sowie der Ablauf- und Aufbauorganisationen auf Basis
eines detaillierten Soll-Ist-Abgleichs erfolgen. Dadurch lassen sich wesentliche Mängel, die der Quick Check zutage fördert, oftmals nachträglich beheben, was das Betreiberrisiko effektiv minimiert.

 

 

Quick Check Betreiberverantwortung

Unser Quick Check Betreiberverantwortung schafft Gewissheit, inwieweit Sie die Ihnen als Eigentümer, Betreiber oder Dienstleister obliegende Betreiberverantwortung wahrnehmen.
Nähere Informationen dazu finden Sie in unserem Flyer, den wir Ihnen gerne kostenlos zuschicken. Schreiben Sie eine E-Mail an: peggy.kretschmer@roedl.com

 

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Henning Wündisch

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