Werden aktuelle Abwassergebührenmodelle künftigen Anforderungen gerecht?

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veröffentlicht am 9. April 2015
von Alexander Faulhaber

 

In der Trinkwasserversorgung werden seit einigen Jahren intensive Diskussionen über alternative Tarifmodelle geführt. Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder die Anfälligkeit bestehender Tarifmodelle vor dem Hintergrund des vielerorts rückläufigen Wasserverbrauchs. Die Lösung wird oftmals in einer Erhöhung mengenunabhängiger Tarifbestandteile (bspw. Zählergebühr bzw. -preis oder Wohneinheitengebühr bzw. -preis) gesehen, was zu einer größeren Robustheit  der Erlösstruktur beitragen soll.  Ein Aspekt wird in der Diskussion jedoch häufig vernachlässigt, denn rückläufige Wasserabnahmemengen wirken sich nicht nur in der Wasserversorgung existenzbedrohend aus. Vielmehr sind auch Abwasserentsorgungsunternehmen gefährdet. Daher stellt sich die Frage, inwieweit die aktuellen Gebührenmodelle der Abwasserentsorgungsunternehmen (AEU) diesen sowie weiteren Anforderungen der Zukunft gerecht werden.

 

Wie stellt sich die Lage aktuell dar?

Die Aufgabe der Abwasserentsorgung obliegt als kommunale Pflichtaufgabe der Kommune, die damit auch für die Gebührenfestsetzung zuständig ist. In aller Regel wird dabei eine gesplittete Abwassergebühr für Schmutz- bzw. Niederschlagswasser erhoben.1 Für die Kalkulation der Gebühren ist das landesspezifische Kommunalabgabengesetz (KAG) bindend. Hier wird beispielsweise geregelt, welche Kosten bei einer Gebührenkalkulation ansatzfähig sind oder über welchen Zeitraum sich eine Kalkulation maximal erstrecken darf.
 
Darüber hinaus definieren die landesspezifischen KAG und die zugehörige Rechtsprechung, über welche Maßstäbe die Kosten der Einrichtung auf die Gebührenschuldner umzulegen sind. Die Maßstäbe sollten dabei in Zusammenhang  mit der Inanspruchnahme der Einrichtung stehen (Wirklichkeitsmaßstab) (vgl. Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NW) § 6 Abs. 3 Satz 1).  Für die Aufgabe der  Schmutzwasserbeseitigung ist insofern der Schmutzwasseranfall (entspricht in aller Regel der Frischwassermenge) maßgeblich.
 
Zusätzlich dazu kann eine Grundgebühr (Vgl. KAG NW Abs. 3 Satz 3) zur Abgeltung der (verbrauchsunabhängigen) Vorhaltekosten (Fixkosten) erhoben werden. Im Bereich der Schmutzwasserbeseitigung können hier beispielsweise der Hausanschluss, die Größe des Wasserzählers oder die Anzahl der angeschlossenen Wohneinheiten als Maßstäbe gewählt werden.
 
Ein  Gebührenmodell, das diesen Anforderungen gerecht wird,  ist in nachfolgender Grafik dargestellt:

 

 

Gebührenmodell
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Soweit die Theorie.

 

Wie sehen die heutigen Gebührenmodelle in der Abwasserentsorgung aus?

Und die Praxis?
  
Obwohl sämtliche Kommunalabgabengesetze die Erhebung einer Grundgebühr ausdrücklich vorsehen oder zumindest nicht verneinen, ist für die Abwasserentsorgung festzustellen, dass die Erhebung einer Grundgebühr nicht der gelebten Praxis entspricht.
 
So hat eine aktuelle Recherche bei den 76 deutschen Großstädten ergeben, dass lediglich in 9 Prozent der Städte überhaupt eine Grundgebühr für die Schmutzwasserbeseitigung erhoben wird. Im Mittel werden bei diesen Unternehmen typfallbezogen2 rund 14 Prozent der Gesamterlöse über die mengenunabhängigen Gebührenbestandteile generiert. Bezüglich der Niederschlagswasserbeseitigung wird lediglich in einer Großstadt eine Grundgebühr abgerechnet.
 
Insgesamt kann also festgehalten werden, dass die Gebührenmodelle in der Abwasserentsorgung noch überwiegend vom Verbrauchsverhalten der Kunden abhängen. Gleichzeitig werden die  hohen Vorhalteleistungen der Entsorgungsunternehmen in der weitaus überwiegenden Anzahl der Fälle noch nicht adäquat in der Erlös- bzw. Gebührenstruktur abgebildet.
 

Welche Herausforderungen werden künftig an die Abwasserentsorgung gestellt?

Ein fataler Fehler, denn die Rahmenbedingungen der Abwasserentsorgung werden sich vielerorts weiter verschärfen. So ist künftig mit zunehmenden Investitionen in die Entsorgungsanlagen zu rechnen, die entsprechend finanziert werden müssen. Als Beispiele für Herausforderungen, die einen erhöhten Investitionsbedarf hervorrufen, seien hier nur die erwartete weitere Verschärfung der einzuhaltenden Grenzwerte oder die zunehmend auftretenden Starkregenereignisse genannt.
 
Unter diesen Voraussetzungen im Falle unverändert rückläufiger Frischwassermengen das „Heil” ausschließlich in mengenabhängigen Gebühren zu suchen, wird häufig zu weiteren Sparbemühungen der Bevölkerung führen. Eine Spirale aus Gebührenerhöhungen und Wassersparmaßnahmen ist die Folge. Das bekannte Dilemma rückläufiger Absatzmengen bei dafür besonders anfälligen Erlösmodellen findet seinen Weg von der Wasserver- in die Abwasserentsorgung.
 
Wie sich diese Entwicklung zukünftig im Falle der aktuell vorherrschenden Gebührenmodelle mit einer reinen Mengengebühr auswirken wird, ist in nachfolgender Grafik modellhaft dargestellt:
 
Mengengebühr

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Um die beschriebene Spirale aus Gebührenerhöhungen und Sparmaßnahmen durch die Kunden abzumildern, sollte die Branche, ähnlich wie in der Trinkwasserversorgung bereits vielfach geschehen, über eine Veränderung „etablierter” Gebührenstrukturen diskutieren.
 

Fazit

Aktuell werden die Gebührenmodelle in der Abwasserbeseitigung nicht den Kostenstrukturen gerecht. Dies kann insbesondere bei den vielerorts zu beobachtenden rückläufigen Wassermengen unter Einnahmegesichtspunkten problematisch werden. Um auch künftig eine sichere Abwasserbeseitigung nachhaltig zu finanzieren, sollte daher ein Umdenkprozess weg von „etablierten” hin zu Gebührenmodellen stattfinden, die den Rahmenbedingungen besser gerecht werden als dies aktuell der Fall ist.
 
Rödl & Partner verfügt aus zahlreichen Kalkulationsprojekten in der Wasserver- und Abwasserentsorgung über das notwendige Know-how, um Sie bei diesem Umdenkprozess zu unterstützen. Bitte sprechen Sie uns an!
 
 
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1Vgl. hierzu Artikel aus Fokus Public Sektor, Ausgabe September 2012 „Getrennte Abwassergebühren? Ja, aber richtig! – OVG Nordrhein-Westfalen erklärt Mehraufwandsmethode für unzulässig”
2Als Typfall wurde hier ein Einfamilienhaushalt mit einen Schmutzwasseranfall von 150 m³ sowie dem jeweils kleinstmöglichen Wasserzähler unterstellt.

 

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