Welche neuen Instrumente bietet das Baulandmobilisierungsgesetz?

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veröffentlicht am 1. Juli 2021

 

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Update:

Das Baulandmobilisierungsgesetz wurde am 22. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl. I, 1802) und ist damit am 23. Juni 2021 in Kraft getreten.

 

Das Gesetz zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) steht unmittelbar vor seinem Inkrafttreten. Es eröffnet Gemeinden weitere Möglichkeiten, um zügig Bauland zu schaffen. Aktuelle und bevorstehende gemeindliche Planungen können hiervon profitieren und ggf. schneller zum Ziel gebracht werden.

 

Ziele des Gesetzes

Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz sollen die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen im Bauplanungsrecht gestärkt werden, um Bauland zu aktivieren und bezahlbares Wohnen zu sichern. Im Wesentlichen soll das Baugesetzbuch (BauGB) geändert werden. Bauland soll einfacher mobilisiert werden können und die Möglichkeiten des Flächenzugriffs durch Kommunen gestärkt werden. Insgesamt soll Wohnraum leichter geschaffen werden können.

 

Mit dem Aufgreifen weiterer städtebaulicher Aspekte erfolgen Klarstellungen, die die grüne Infrastruktur für den Klimaschutz und die Klimaanpassung in Kommunen hervorheben.


Verfahren und Inkrafttreten

Der Bundestag verabschiedete am 7.5.2021 den Gesetzesentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Bundestags-Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen. Der Bundesrat hat am 28.5.2021 keinen Einspruch gegen den Gesetzesentwurf eingelegt.


Das Gesetz muss nunmehr noch vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden, um wie geplant in Kraft zu treten.

 

Wesentliche Inhalte

Sektorale Bebauungspläne
Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34 BauGB) können in einem Bebauungsplan Flächen festgesetzt werden, auf denen ausschließlich Gebäude errichtet werden dürfen, deren Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für die Förderung mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaues erfüllen. Entsprechende Festsetzungen können auch für Teile des räumlichen Geltungsbereiches eines Bebauungsplanes getroffen werden. Insgesamt werden gemäß § 9 Abs. 2d BauGB neue Fassung (n.F.) damit sog. sektorale Bebauungspläne ermöglicht, die sich thematisch auf den Wohnungsbau beschränken.


Erweiterung des kommunalen Vorkaufsrechts
Den Gemeinden wird die Möglichkeit eingeräumt, durch ein Vorkaufrecht auch auf Grundstücke zuzugreifen, die planungsrechtlich mit Wohngebäuden bebaut werden können (§ 24 Abs. 6 BauGB n.F.). Erfasst werden Grundstücke, die unbebaut oder nur zu einem vorläufigen Zweck bebaut sind.


Liegen in einem Gebiet städtebauliche Missstände im Sinne des § 136 Abs. 2 Satz 2 BauGB vor oder weisen bauliche Anlagen einen Missstand im Sinne des § 177 Abs 2 BauGB auf und haben die Grundstücke dadurch erhebliche nachteilige Wirkungen auf das soziale oder städtebauliche Umfeld, kann die Gemeinde von dem
neuen Vorkaufsrechtstatbestand des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BauGB n. F. Gebrauch machen. Städtebauliche Missstände liegen insbesondere vor, wenn das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in ihm wohnenden oder arbeitenden Menschen nicht entspricht.

 

Ein besonderes Vorkaufsrecht wird mit § 25 Abs. 1 Nr. 3 BauGB n. F. geschaffen. Die Gemeinde kann im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes an brach liegenden Grundstücken, im unbebauten Innenbereich an unbebauten oder brach liegenden Grundstücken ihr Vorkaufsrecht durch Satzung begründen, wenn diese Grundstücke vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können und es sich um ein Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt handelt.

 

Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt
Durch Rechtsverordnungen können die Landesregierungen Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt festlegen. Ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn

  • die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
  • die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
  • die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird oder
  • geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.


Die Rechtsverordnung muss spätestens mit Ablauf des 31.12.2026 außer Kraft treten. Sie muss begründet sein. Aus der Begründung muss sich ergeben, aufgrund welcher Tatbestände ein solches Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. Vor Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung sollen die betroffenen Gemeinden und die auf Landesebene bestehenden kommunalen Spitzenverbände beteiligt werden.


Anordnung von Baugeboten
Auch bezüglich der Baugebote (§§ 175, 176 BauGB) werden Neuregelungen eingefügt, um der besonderen Gefährdung der Wohnraumversorgung der Bevölkerung entgegenwirken zu können. Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans kann die Gemeinde einen Eigentümer verpflichten, sein Grundstück mit einer oder mehreren Wohneinheiten zu bebauen, wenn im Bebauungsplan Wohnnutzung zugelassen ist und wenn es sich um ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt handelt.


Die Gemeinde hat jedoch von dem Baugebot abzusehen, wenn die Durchführung des Vorhabens aus wirtschaftlichen Gründen einem Eigentümer nicht zuzumuten ist. Dies gilt insbesondere innerhalb von 5 Jahren nach Inkrafttreten des Baulandmobilisierungsgesetzes, wenn dem Eigentümer die Durchführung des Vorhabens nicht zumutbar ist, weil er sich die Entscheidungsbefugnis über die Nutzung für seinen Ehegatten oder seine Kinder erhalten möchte.


Befreiungen nach § 31 BauGB für den Wohnungsbau und Erleichterungen im Innen- und Außenbereich
Weiterhin soll der Wohnungsbau dadurch erleichtert werden, dass die Möglichkeiten zur Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes dadurch ergänzt werden, dass auch die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung einen Grund für eine Befreiung darstellen können. In Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt kann mit Zustimmung der Gemeinde von den Festsetzungen des Bebauungsplanes zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist (§ 31 Abs. 3 BauGB n. F.). Hiermit können erhebliche Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes erfolgen. Diese Regelung ist jedoch bis zum 31.12.2024 befristet.


Wenn bauliche Anlagen zu Wohnzwecken im Innenbereich errichtet werden sollen, soll nunmehr nicht nur im Einzelfall von dem Erfordernis des Einfügens abgewichen werden dürfen (§ 34 Abs. 3a Satz 3 BauGB n. F.). Weitere Erleichterungen gelten für Erweiterungen zu Wohnzwecken im Außenbereich.


Dörfliches Wohngebiet
In § 5a BauNVO n. F. wird das dörfliche Wohngebiet (MDW) als neuer Gebietstypus eingefügt. Dörfliche Wohngebiete dienen dem Wohnen sowie der Unterbringung von land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen und nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben. Die Nutzungsmischung muss nicht gleichgewichtig sein. Hierdurch soll das zulässige Nebeneinander von Wohnnutzungen und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ermöglicht werden und so Wohnbau in dörflichen Gebieten gefördert werden.


Wiedereinführung § 13b BauGB
Weiterhin wird § 13b BauGB, der zum 31.12.2019 außer Kraft getreten ist, befristet bis zum 31.12.2022 wieder in Kraft gesetzt, um das vereinfachte Verfahren nach § 13a BauGB für Bebauungspläne, die sich an den Innenbereich anschließen, zur Wohnnutzung wieder zu eröffnen.


Städtebauliche Entwicklungskonzepte
Neu eingefügt wird die Rechtsgrundlage (§ 176a BauGB n. F.) für städtebauliche Entwicklungskonzepte zur Stärkung der Innenentwicklung. Eine Gemeinde kann ein entsprechendes Konzept beschließen, das  Aussagen zum räumlichen Geltungsbereich, zu Zielen und zur Umsetzung von Maßnahmen enthält, die der Stärkung der Innenentwicklung dienen. Dies soll insbesondere der baulichen Nutzbarmachung von unbebauten und nur geringfügig bebauten Grundstücken dienen.

 

Mit dem Aufgreifen weiterer städtebaulicher Aspekte erfolgen Klarstellungen, die die grüne Infrastruktur für den Klimaschutz und die Klimaanpassung in Kommunen hervorheben. Das Baulandmobilisierungsgesetz enthält auch Änderungen zur Unterstützung des Mobilfunkausbaus mit dem Ziel der flächendeckenden Mobilfunkversorgung. Ebenso wird die Bedeutung neuerer Entwicklungen für Kraftfahrzeuge, insbesondere der Elektromobilität, als Bestandteil einer nachhaltigen Mobilität betont.


Fazit und Ausblick

Die zahlreichen Änderungen bieten erhebliche Chancen, die Wohnraumentwicklung zügig voranzubringen. Jedoch sind behördliche Zugriffe auf Privatgrundstücke äußert konfliktträchtig. Gerne unterstützen wir die an der Planung Beteiligten dabei, die neuen Instrumente anzuwenden und die betroffenen Interessen auszugleichen.

 

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Nadine Juch

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht

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