Quo vadis – Kommunales Risikomanagement

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veröffentlicht am 1. Juli 2022

 

 

 

„Öffentliche Hand vernachlässigt Risikomanagement” titelte Der Neue Kämmerer bereits in einem Artikel Mitte 2019. Während in den Niederlanden und der Schweiz ein proaktives kommunales Risikomanagement bereits eine entscheidende Rolle spielt, wird die Thematik in Deutschlands Kommunen häufig stiefmütterlich behandelt.


Denn nicht erst die aktuelle Pandemielage zeigt:


Die Kommunen in Deutschland

haben ebenso mit Risiken zu kämpfen

wie Unternehmen.

 

Haushaltsbelastungen durch Einbrüche bei der Gewerbesteuer, personelle Schwierigkeiten bei der Besetzung von Stellen zur Kontaktnachverfolgung, Reputationsschäden durch „Vordrängeln” von Amtsträgern beim Impfen …

 

Viele Kommunen wirken auf den ersten Blick nicht besonders gut vorbereitet auf die Risiken der heutigen Zeit. Außerhalb der Pandemie ist die kommunale Arbeit ebenfalls nicht frei von Risiken: Zu denken ist hier etwa an die bevorstehende Personalknappheit durch Pensionierung der Baby-Boomer-Generation, die Erfordernisse der Digitalisierung sowie die Risiken, die der Klimawandel für die Kommune mit sich bringt.

 

So gaben in einer Studie von Anfang 2019 der Universität Paderborn in Zusammenarbeit mit PWC rund ein Fünftel der befragten Institutionen der öffentlichen Hand (Kommunen und öffentliche Unternehmen) an, nicht einmal über ein internes Kontrollsystem zu verfügen. Als zentrale Schwachstellen bei öffentlichen Mandatsträgern, die dagegen mit einem Risikomanagementsystem (RMS) arbeiten, wurden „unzureichende zeitliche Kapazitäten”, gefolgt von „unzureichende personelle Ausstattung” sowie „nachrangige Priorisierung von Themen im Zusammenhang mit Governance” benannt.

 

Kommunales Risikomanagement

Ein Blick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Bundesländer offenbart, dass keine prägnanten gesetzlichen Vorgaben zur Risikoüberwachung und -steuerung existieren, wie es für Einzelgesellschaften auf Basis des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) bereits Realität ist. Zwar werden in den Vorschriften der Kommunalen Haushaltsverordnung NRW zum Lagebericht die Begriffe „Risiko” und „Chance” erwähnt. In der Praxis führt die fehlende Präzisierung jedoch dazu, dass sich die Berichterstattung häufig nur auf Allgemeinplätze und Offensichtliches beschränkt.

 

Für Kommunen bestehen jedoch durch die Ausgliederung weiter Teile des kommunalen Aufgabenspektrums auf privatrechtliche Gesellschaften u. a. Beteiligungs- und Vergaberisiken. Der organisatorische Abstand zwischen der Kernverwaltung und den Beteiligungen kann bei Fehlentscheidungen zu erheblichen Reputationsverlusten bei der Kommune und den politischen Entscheidungsträgern führen.

 

Gemeinden, Städte und Landkreise haben im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen kein Insolvenzrisiko. Zur Aufrechterhaltung ihrer Leistungsfähigkeit und stetigen Aufgabenerfüllung müssen sie ihre Risiken aber ebenso verantwortlich überwachen und steuern. Viele Kommunen befinden sich in der Haushaltssicherung bzw. -sanierung oder sind zumindest davon bedroht. Damit erhöht sich die Gefahr eines Eingriffs der Aufsichtsbehörden in die kommunale Selbstverwaltung. Es wäre also fatal, daraus zu schließen, dass sie deshalb nicht Risiken ausgesetzt wären, die es wert sind, systematisch betrachtet zu werden.

Zum Schutz der Anteilseigner sind RMS für Privatunternehmen durch das KonTraG gesetzlich vorgeschrieben. Warum bestehen solche RMS also nicht auch zum Schutz der Steuerzahler, deren Vermögen treuhänderisch durch die Kommunen verwaltet wird? Und ist die Thematik Risikomanagement tatsächlich so ein unbeschriebenes Blatt im öffentlichen Sektor?

 

Risikomanagement bei Öffentlichen Unternehmen

Eigenbetriebe sind gemäß § 10 der Eigenbetriebsverordnung NRW ganz eindeutig dazu verpflichtet, ein RMS einzurichten. Daneben kommt der Gesetzgebung in der Privatwirtschaft mitunter auch Ausstrahlungswirkung zu, insbesondere dann, wenn öffentliche Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH organisiert sind. In solchen Fällen besteht ebenfalls die Verpflichtung der gesetzlichen Vertreter, ein wirksames RMS zu etablieren, wie es in § 91 Abs. 3 des Aktiengesetzes gefordert wird.

 

Es ist jedoch festzustellen, dass eine reine gesetzliche Verpflichtung per se noch kein effektives Risikomanagement bedeutet bzw. als logische Konsequenz nach sich zieht. Bei vielen Entscheidungsträgern in Kommunen und öffentlichen Unternehmen besteht nämlich zum einen Unsicherheit darüber, was denn überhaupt die wesentlichen Risiken sind und zum anderen, wie man definierten Risiken systematisch begegnen kann und welche Maßnahmen zur Risikoeindämmung getroffen werden können.

 

Risikobewusstsein tatsächlich Fehlanzeige?

Wie bereits einleitend erwähnt, wurde Anfang 2019 im Neuen Kämmerer getitelt, dass die öffentliche Hand das Risikomanagement vernachlässigt, insbesondere die Kommunen. Verschiedene Umfragen hinsichtlich Risikomanagement beziehungsweise des Umsetzungsstands bei Kommunen lassen jedoch ein eindeutiges Umdenken erkennen. Zu diesem Ergebnis kam bereits im Jahr 2019 eine Umfrage der kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, die verschiedene Entscheidungsträger kommunaler Institutionen befragt hatte. Einschränkend zum Titel im Neuen Kämmerer konnte festgestellt werden, dass die konkrete Umsetzung zwar tatsächlich noch in den Kinderschuhen steckt, jedoch bei einer Mehrheit der Kommunen oder anderen Institutionen der öffentlichen Hand Risikomanagement als sehr wichtig für die zukünftige Leistungsfähigkeit angesehen wird. So gaben fast 100 Prozent der befragten Personen an (davon 70 Prozent in leitender Funktion tätig), dass sie ein systematisches Risikomanagement für notwendig erachten, jedoch nur knapp 10 Prozent der Befragten bereits über ein flächendeckendes RMS verfügten. Es besteht somit eine große Diskrepanz hinsichtlich des Umsetzungsstandes und des Umsetzungswillens.

 

Risikomanagement als Top-Down-Ansatz

Woran liegt es also, dass diese Diskrepanz augenscheinlich auch noch in 2022 Bestand hat?

Insbesondere die Kommunen müssen sich vor Augen führen, dass es für ein funktionierendes Risikomanagement bei einer Kommune einer Risikokultur bedarf, die in einem Leitbild der Kommune oder eines öffentlichen Unternehmens beschrieben werden muss. Aus dieser muss hervorgehen, dass das Thema Risikomanagement gelebt und seine Fortschreibung auch aktiv gefördert wird. Hierzu ist es entscheidend, dass sich die Führungskräfte auch als Teil dieses Prozesses sehen und die Thematik nicht nur auf verschiedene Abteilungen delegieren. Denn sonst ist die Gefahr groß, dass das Thema Risikomanagement zu einem Papiertiger mutiert.

 

Wo bleibt die Patentlösung?

Vorweg, es gibt keine Schablone, die man über alle Kommunen und öffentliche Unternehmen „drüber stülpen” kann. Aber das Rad muss auch nicht neu erfunden werden. Denn in den meisten Kommunen und öffentlichen Unternehmen empfiehlt es sich, auf bereits vorhandene Systematiken wie Organisationsgliederungen in Dezernate und Fachbereiche oder die Ämterebene aufzubauen. So können definierte Risiken anhand einer bestehenden Organisationsstruktur bereits klar zu einem Ressort und dessen Leitungspersonal als sog. „Risk-Owner” adressiert werden. Doch die Wahrheit ist natürlich auch, dass eine praktische Implementierung eines RMS in den Arbeitsalltag der Kommunen nur mit erheblichem Arbeitsaufwand zu verwirklichen ist. Dabei müssen die Verantwortlichen jederzeit im Blick haben, dass der Umgang mit Risiken durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommune zu bewältigen sein muss.

 

Es ist ganz zentral, dass je nach Größe und Tätigkeitsumfeld einer Kommune oder eines öffentlichen Unternehmens von Fall zu Fall über die Ausgestaltung eines RMS entschieden werden muss. Denn was für den einen ein wesentliches Risiko ist, ist für den anderen eine wiederum zu vernachlässigende Begleiterscheinung kommunalen Handelns. Während bei größeren Kommunen der Einsatz von IT-gestützten Risikomanagementsystemen erforderlich sein kann, kann es insbesondere bei kleineren Kommunen durchaus wirtschaftlicher sein, bereits vorhandene Maßnahmen zu inventarisieren, systematisieren und im Bedarfsfall zu ergänzen und das im besten Fall mit der „Alltagswaffe” Excel. Denn in allen Kommunen ist eine Vielzahl von Dienstanweisungen und Prinzipien, wie das teilweise auf 16 oder mehr Augen gewachsene „Vier-Augen-Prinzip”, etabliert. Meist fehlt es schlicht an Systematik und einer sinnvollen Dokumentation!

 

Wie fängt man denn nun überhaupt an?

Für eine erfolgreiche Implementierung ist es also entscheidend zu wissen, in welchem Umfang und in welcher Art man ein RMS für die Zwecke einer effizienten Verwaltungs- und Unternehmensführung einsetzen kann. Hierzu braucht es ein Risikobewusstsein und ein Verständnis für die wesentlichen Risiken des kommunalen Handelns. Keinem ist geholfen, wenn als Risiken bspw. „Vergaberisiken" oder „Ausfälle bei der Gewerbesteuer" genannt und aufgelistet werden, ohne sich im Detail über die konkreten Folgen des Eintritts dieser Risiken im Klaren zu sein. Das heißt, dass sich die öffentlichen Institutionen, einfach gesagt, die richtigen Fragen in den maßgeblichen Bereichen stellen müssen und vor allem in der Lagen sein müssen, eine Strategie oder eine Antwort parat zu haben. Die große Kunst wird darin liegen, einen solchen Risikokatalog auf das Wesentliche einzugrenzen und im Anschluss sinnvoll zu systematisieren.

 

Es muss somit das Ziel sein, zum Kern eines Risikos vorzudringen.

 

Aktueller Dauerbrenner: Umgang mit den Neuregelungen der Umsatzsteuerpflicht in § 2b UStG und insbesondere das Wissen über mögliche Maßnahmen bzw. Systeme zur Eindämmung möglicher negativer Folgen aus einer steuerlichen Falschbehandlung.

 

Stichwort „Tax Compliance”: Welche Prozesse sind überhaupt etabliert, um die Vermeidung von Verstößen gegen Steuergesetze zu gewährleisten? Wie hängt Tax Compliance mit dem Umfang und der Ausgestaltung und insbesondere der Verknüpfung mit einem RMS zusammen?

 

Man merkt schnell, dass das kommunale Handeln durchzogen ist von vielen Fallstricken und sich daran anschließenden Fragestellungen. Und genau diese Grauzone des vielleicht an manchen Stellen nicht fundierten Wissens über maßgebliche Risikobereiche sowie über Begegnung und Fortschreibung der Maßnahmen zur Risikobewältigung, gilt es rasch zu schließen.

 

Wir sind seit vielen Jahren Berater der öffentlichen Hand in allen Disziplinen und deshalb mit kommunalen Risikostrukturen bestens vertraut. Kommen Sie gerne auf uns zu, wenn Sie Fragen haben oder Unterstützung wünschen.

 


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