Indiens Steuerrecht: Auf die Details kommt es an

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zuletzt aktualisiert am 19. August 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Das indische Steuerrecht wurde in den letzten Jahren stark vereinfacht; Steuersätze wurden gesenkt. Besonders neu gegründete indische Produktionsunternehmen pro­fi­tieren. Weitere Reformen sind geplant. Gleichzeitig sind die Compliance-Anfor­de­run­gen hoch. Ausländische Investoren und Unternehmen mit indischen Geschäfts­part­nern müssen sie kennen und einhalten.

  

 

Das ist einerseits erfreulich, zeigt aber auch, dass die unteren Ebenen der Finanzverwaltung eine doch recht sperrige bis aggressive Haltung ein­nehmen. Eine frühzeitige und umfassende Planung der Geschäfte mit Indien ist daher unerlässlich, um Steuerrisiken sowie zeitaufwendige Verfahren zu vermeiden.

 

 

Indien erhebt eine Einkommen- und Körperschaftsteuer (Income Tax), Umsatzsteuern (GST), Zölle und eine Stempelsteuer (Stamp Duty). Eine Vielzahl weiterer Steuern wurde mit Einführung der GST abgeschafft.
 
Das Steuerjahr (Financial Year) reicht vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres. Die Wahl eines abweichenden Steuerjahres ist nicht möglich. Die Veranlagung findet im darauffolgenden Jahr statt (Assessment Year).

 

Ertragsteuern (Income Tax): Natürliche Personen

Steuerliche Ansässigkeit

Ob und in welchem Umfang eine natürliche Person in Indien steuerpflichtig ist, richtete sich nach ihrer steuerlichen Ansässigkeit. Bei der Beurteilung sind neben dem indischen Steuerrecht die Bestimmungen der jeweils geltenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) maßgebend, sie gehen dem indischen Recht i.d.R. vor.       

Das indische Steuerrecht unterscheidet 3 Kategorien: nicht ansässige Personen („non-residents”), eingeschränkt ansässige Personen („residents”) und gewöhnlich ansässige Personen („ordinarily residents”). Entscheidend ist dabei nur die Dauer des Aufenthalts in Indien.
 

 

  • Resident
    • Aufenthalt von mind. 182 Tagen in einem Finanzjahr; oder
    • Aufenthalt von mind. 60 Tagen in einem Finanzjahr; und
    • Aufenthalt von insgesamt mind. 365 Tagen in den letzten 4 vorangegangenen Finanzjahren
  • Ordinarily Resident
    • Status eines Resident im betreffenden Finanzjahr; und
    • Status eines Resident in mind.4 der letzten 10 vorangegangenen Finanzjahre; und
    • Aufenthalt von insgesamt mehr als 729 Tagen in den letzten 7 vorangegangenen Finanzjahren
  • Non Resident
    • Alle übrigen natürlichen Personen

 

Sonderregelungen gelten für indische Staatsbürger.

  

Umfang der Steuerpflicht

Der Ansässigkeitsstatus entscheidet über den Umfang der Steuerpflicht in Indien.
  • Ordinarily Residents unterliegen mit ihrem Welteinkommen der Einkommensteuer in Indien.
  • Residents und Non-Residents unterliegen – vereinfacht gesagt – mit ihren in Indien entstandenen oder aus Indien bezogenen Einkünften der Einkommensteuer in Indien. Die Steuerpflicht der Residents reicht etwas weiter und erfasst gewerbliche Einkünfte, sofern der Gewerbebetrieb ganz oder teilweise von Indien aus kontrolliert wird oder – im Fall einer selbstständigen Tätigkeit – in Indien begründet ist.      

 
Für Arbeitnehmer (und Selbständige) enthält das DBA Deutschland-Indien Sonderregelungen. In Deutsch­land ansässige Arbeitnehmer werden grundsätzlich erst ab einem Aufenthalt von 183 Tagen pro indischem Finanzjahr (1. April bis 31. März) in Indien steuerpflichtig. Sind sie allerdings bei einer indischen Gesell­schaft angestellt oder sind sie für eine steuerliche Betriebsstätte eines deutschen Unternehmens in Indien tätig, fällt diese Einschränkung weg und die Steuerpflicht tritt wiederum ab Tag 1 des Aufenthalts in Indien ein.
 
In der Praxis wichtig ist die Prüfung der abkommensrechtlichen Ansässigkeit, also die Frage, ob ein Arbeit­nehmer überhaupt durch das DBA geschützt ist. Oft spielt der Lebensmittelpunkt eine zentrale Rolle. Er wird oft – ggf. unerwartet – in Indien liegen, z.B. wenn ein alleinstehender Arbeitnehmer auf eine längere Entsendung nach Indien geschickt wird oder wenn der Arbeitnehmer seine engere Familie mit nach Indien nimmt. Die schützenden Regelungen des DBA Deutschland-Indien würden für ihn in Bezug auf seine Tätigkeit in Indien nicht gelten. Von Bedeutung ist das auch z.B. für Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung einer in Deutschland hinterlassenen Wohnung. Sie wären dann (auch) in Indien zu versteuern.

 

Bemessungsgrundlage

Das indische Steuerrecht unterscheidet 5 Einkunftsarten:
  • Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit
  • Einkünfte aus Grundeigentum
  • Gewerbliche Einkünfte und Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit
  • Veräußerungsgewinne
  • Einkünfte aus sonstigen Quellen      

 
Verlustverrechnungen sind in Grenzen zulässig. Bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit ist die Abzugsfähigkeit typischer Werbungskosten sehr eingeschränkt. Gesetzlich vorgeschriebene Vorsorgeauf­wendungen sind dagegen recht weitgehend abzugsfähig.

   

Steuersätze

Die Einkommensteuer wird in Stufen erhoben und liegt für höher zu versteuernde Einkommen bei knapp 30 Prozent. Bei zu versteuernden Einkommen von mehr als 10 Mio. Indische Rupien (INR) fällt zusätzlich ein Aufschlag i.H.v. 15 Prozent an (ab 20 Mio. INR: 25 Prozent, ab 50 Mio. INR: 37 Prozent). Bemessungsgrundlage des Aufschlags ist die Einkommensteuer. Zusätzlich wird eine Ausbildungsabgabe (Education Cess) erhoben. Sie beträgt 3 Prozent der gesamten Einkommensteuer.

 


Für Personen über 60 Jahre gelten erhöhte Freibeträge. Üblich ist eine Aufteilung des Gehalts in ver­schie­dene Verwendungszwecke („salary split”). Hierdurch können steuerliche Vorteile z.B. für Mietzuschüsse und Bonuszahlungen realisiert werden.  

  

Neben den obigen Regelsätzen besteht seit dem Finanzjahr 2020 bis 2021 die Option zur Besteuerung zu geringen Steuersätzen bei gleichzeitigem Verzicht auf die Geltendmachung bestimmter Abzüge, so z.B. die Steuerbegünstigung von Mietzuschüssen.

 

Besteuerungsverfahren

Bei nichtselbstständig beschäftigten Personen wird die Einkommensteuer durch den Arbeitgeber als Lohn­steuer einbehalten und monatlich abgeführt. Hierüber stellt der Arbeitgeber Lohnsteuerbe­scheini­gungen aus. Die Pflicht trifft auch deutsche Arbeitgeber, die Mitarbeiter nach Indien schicken. Ander­weitige vertrag­liche Regelungen isind unbeachtlich, sie entbinden den Arbeitgeber nicht von seinen Pflichten.

   

Natürliche Personen haben ihre Steuererklärungen i.d.R. bis zum 31. Juli nach Ende des jeweiligen Steuer­jahres abzugeben.

   

Ertragsteuern: Indische Unternehmen

Steuerliche Ansässigkeit

In Indien steuerlich ansässig sind zunächst nach indischem Recht gegründete Unternehmen. Ein im Ausland gegründetes Unternehmen gilt als in Indien steuerlich ansässig, wenn seine Geschäfte de facto aus Indien heraus geleitet werden. Grundsätzlich liegt der Ort der sog. „tatsächlichen Geschäftsleitung” (Place of Effective Management) dort, wo die wesentlichen Management- und kaufmännischen Entscheidungen getroffen werden.
 

Umfang der Steuerpflicht   

In Indien steuerlich ansässige Unternehmen sind mit ihrem Welteinkommen in Indien steuerpflichtig.

   

Bemessungsgrundlage und Gewinnermittlung

Das indische Steuerrecht unterscheidet für Unternehmen 4 Einkunftsarten:
  • Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit
  • Veräußerungsgewinne
  • Einkünfte aus Grundeigentum
  • Einkünfte aus sonstigen Quellen      

  
Vertikale Verlustausgleiche zwischen den Einkunftsarten sind, mit Ausnahme von Verlusten aus der Ver­äußerung von Anlagevermögen, grundsätzlich zulässig. Verluste können grundsätzlich für 8 Jahre vorge­tragen werden. Notwendig ist aber die fristgerechte Abgabe der Steuererklärung. Wesentliche Änderungen der Anteilseigner am Unternehmen lassen die Verlustvorträge ebenfalls entfallen. Ein Verlustrücktrag ist nicht vorgesehen. Von dem vorzutragenden Verlust ist der ungenutzte Abschrei­bungs­aufwand zu unter­scheiden. Er kann zeitlich unbeschränkt vorgetragen werden.  

Die Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit ergeben sich – nach steuerlichen Korrekturen – aus dem handels­rechtlichen Jahresergebnis sowie dem Abzug von Vorjahresverlusten und ungenutztem Abschrei­bungs­aufwand. Die Abschreibung von Wirtschaftsgütern erfolgt in zusammengefassten Gruppen („blocks of assets”), nach den für die Gruppen jeweils vorgegebenen Abschreibungssätzen. Als Abschreibungsmethode ist ausschließlich die degressive Methode zulässig.
 

Sonderabschreibungen sind z.B. für Produktionsunternehmen in bestimmten Fällen zulässig.

 

Steuersätze

Der Steuersatz für Unternehmen beträgt grundsätzlich 30 Prozent. Hinzu kommt bei einem zu versteuernden Gewinn von über 10 Mio. Indische Rupien ein Aufschlag i.H.v. 7 Prozent. Der Aufschlag beträgt 12 Prozent ab einem zu versteuernden Gewinn von mehr als 100 Mio. Indische Rupien Ferner fällt eine Ausbildungsabgabe i.H.v. 4 Prozent auf den Gesamtsteuerbetrag an. Die Gesamtbelastung inländischer Gesellschaften beträgt damit in der Spitze ca. 35 Prozent.

    

 

Besondere Steuersätze gelten für die Veräußerung von Anlagevermögen (siehe dazu Exit-Besteuerung, unten).
 
Ende 2019 wurden weitereichende Steuersenkungen umgesetzt. Unternehmen können, unter der Voraussetzung, dass sie keine weiteren speziellen Steuererleichterungen (wie beschleunigte Abschreibungen) geltend machen, zu einem niedrigeren Steuersatz von 22 Prozent optieren. Es besteht ein Wahlrecht, das aktiv bei Abgabe der Steuererklärung auszuüben ist.

 

 
Für kleine und mittlere Unternehmen (Umsatz unter 4 Mrd. Indische Rupien) gilt ein von 30 auf 25 Prozent reduzierter Steuersatz (effektiv 29,12 Prozent). Zusätzliche Steuererleichterungen können in Anspruch genommen werden.
 
Für seit 1. Oktober 2019 neu gegründete produzierende Unternehmen (einschließlich Stromerzeuger) gilt ein reduzierter Steuersatz von 15 Prozent (effektiv 17,16 Prozent). Hier ist jedoch wiederum Voraussetzung, dass keine weiteren Steuererleichterungen (wie beschleunigte Abschreibungen) in Anspruch genommen werden.
 
Personengesellschaften, einschließlich der LLP, unterliegen einem Steuersatz von 30 Prozent (effektiv 34,94 Prozent). Die genannten reduzierten Sätze gelten für sie nicht.
 
Zum 1. April 2020 wurde die Besteuerung ausgeschütteter Dividenden geändert. Bislang führten Dividenden­zahlungen indischer Kapitalgesellschaften zu einer erhöhten Besteuerung der Gewinne des ausschüttenden Unternehmens selbst („Distribution Tax on Dividends”, DDT). Die DDT betrug effektiv 20,36 Prozent des ausgeschütteten Dividendenbetrags. Sie fiel nicht an auf Gewinnanteile an Personengesellschaften, d.h. nicht bei einer LLP. Diese Steuer wird nun ersetzt durch eine Quellensteuer in Höhe von 20 Prozent auf den Dividendenbetrag (gedeckte auf 10 Prozent nach vielen DBAs). Steuerschuldner ist der Dividendenempfänger. In Deutschland ist die neue Quellensteuer in Grenzen anrechenbar. Dies ist eine wesentliche steuerliche Entlastung im Vergleich zur früheren DDT. Um sich auf den reduzierten Steuersatz berufen zu können, muss sich der Dividendenempfänger auf das jeweilige DBA berufen können. Insbesondere für deutsche, österreichische und schweizer Personengesellschafen ist das aufgrund ihrer steuerlichen Transparenz fraglich.

   

Minimum Alternate Tax (MAT)

Die MAT ist eine Mindeststeuer (Income Tax), die bei deutlichen Differenzen zwischen dem Buchgewinn und dem steuerlichen Gewinn ansetzt. Beträgt die berechnete Einkommensteuer weniger als 15 Prozent des Buchgewinns, gilt der Buchgewinn als zu versteuernder Gewinn des Unternehmens. Der Steuersatz beträgt (ebenfalls) 15 Prozent (17,16 Prozent effektiv). Die MAT ist grundsätzlich auch auf in Indien steuerpflichtige ausländische Unternehmen, d.h. auf deren Betriebs­stättengewinn, anzuwenden. Sie gilt u.a. ebenso für Unternehmen in einer Sonderwirtschaftszone und für Personengesellschaften, einschließlich der LLP. Die gezahlte MAT kann für eine Dauer von max. 15 Jahren auf die reguläre Steuerschuld des Unternehmens angerechnet werden. MAT fällt nicht an bei Unternehmen, die einen reduzierten Steuersatz beanspruchen (z.B. reduzierter Regelsteuersatz von 22 Prozent).

 

Verrechnungspreise

Grenzüberschreitende Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen werden durch die indische Finanzverwaltung engmaschig geprüft. Es gilt der Verdacht, dass solche Geschäfte nicht fremdüblich („at arms length”) abgewickelt, dass also durch Leistungs­verrechnung Gewinne ins Ausland verschoben werden.
 
Es obliegt dem Steuerpflichtigen zu beweisen, dass die Geschäfte dem Grunde und der Höhe nach steuerlich anzuerkennen sind. Das ist dann der Fall, wenn voneinander unabhängige Unternehmen die Geschäfte zu ähnlichen Konditionen abgeschlossen hätten. Gelingt dies nicht, werden die Gewinne des indischen Unternehmens nach oben korrigiert und hohe Strafzuschläge verhängt.
 
Anders als in Deutschland haben Unternehmen jährlich eine Erklärung über internationale Geschäftsvorfälle mit verbundenen Unternehmen abzugeben („Form 3CEB”). Daneben ist eine umfangreiche Dokumentation der Verrechnungs­preise zu erstellen und vorzuhalten („Transfer Pricing Report”). Die Erstellung beider Dokumente wird in der Praxis oft recht lax gehandhabt. Im Falle einer späteren Prüfung werden Diskrepanzen zwischen den gemachten Angaben und den tatsächlichen Verhältnissen sichtbar. Sie lassen sich oft auch nicht mehr schließen und führen zu Gewinnanpassungen.


Einige weitreichende Fragen aus einer Form 3CEB (Beschreibung der Transaktionen und Methode zur Ermittlung des Fremdvergleichspreises)
 
Indien hat sich den neuen International Standards zu einer dreistufigen Verrechnungspreisdokumentation – bestehend aus „Master File”, „Local File” und „Country by Country Report” – angeschlossen. Die Pflicht zur Aufstellung des Country by Country Reports greift in enger Anlehnung an die Beschlüsse der OECD im BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) Aktionsplan 13 erst ab einem konsolidierten Gruppenumsatz von 750 Mio. Euro.
 
Seit 1. April 2017 gilt auch in Indien eine Zinsschranke. Zinsaufwendungen indischer Unternehmen gegen­über verbundenen Unternehmen sind nur bis zu einer Höhe von 30 Prozent des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) abzugsfähig.

 

Besteuerungsverfahren

Die Steuer ist durch das Unternehmen selbst zu berechnen und in Form von vierteljährlichen Voraus­zah­lungen zu leisten. Personengesellschaften haben ihre Steuererklärung bis zum 31. Juli nach Ende des jeweiligen Steuerjahres abzugeben. Ist eine Bestätigung eines indischen Wirtschaftsprüfers über die korrekte Steuerermittlung („Tax Audit Report”) mit einzureichen – das ist die Regel – ist die Frist zur Abgabe der 31. Oktober. Sie gilt ebenfalls für Körperschaften (Private oder Public Limited Company). Haben Unternehmen internationale Transaktionen mit verbundenen Unternehmen, verlängert sich die Frist zur Abgabe der Steuererklärung auf den 30. November. Die Form 3CEB selbst ist bis zum 31. Oktober abzugeben.

   

Ertragsteuern: Ausländische Unternehmen

Umfang der Steuerpflicht

Nicht in Indien steuerlich ansässige Unternehmen (Personen- und Kapitalgesellschaften) unterliegen in 2 Fällen einer (beschränkten) Ertragsbesteuerung in Indien. Entweder erzielen sie Einkünfte aus Indien, an denen Indien ein besonderes Besteuerungsrecht hat (typischer Fall von Quellensteuern – dazu unten) oder ihre Tätigkeit löst eine steuerliche Betriebsstätte in Indien aus.

 

Steuerliche Betriebsstätten

Ob eine Betriebsstätte entsteht, regelt vorrangig das DBA Deutschland-Indien. Häufig entsteht sie bei Montagen oder Montageüberwachungen von über 6 Monaten Projektdauer. Die Tätigkeit von Subunter­nehmern gilt dabei i.d.R. als Tätigkeit eigener Mitarbeiter. Ebenso kann eine Betriebsstätte – zumindest nach indischer Auffassung – auch bei langfristigen sonstigen Tätigkeiten in Indien entstehen, selbst wenn sie nicht unbedingt von einem Büro oder einer anderen Räumlichkeit des ausländischen Unternehmens in Indien aus geschehen. Schließlich kann auch ein abhängiger Vertreter eine Betriebsstätte begründen, wenn er für das deutsche Unternehmen mit gewisser Ausschließlichkeit regelmäßig Aufträge in Indien einholt. Das gilt selbst dann, wenn der Vertreter keine Abschlussvollmacht besitzt – eine Besonderheit, die viele deutsche Unternehmen überrascht.
 
Der Betriebsstättengewinn unterliegt einem Steuersatz von 40 Prozent. Hinzu kommt bei einem zu ver­steuernden Gewinn von über 10 Mio. Indische Rupien ein Aufschlag i.H.v. 2 Prozent. Der Aufschlag beträgt 5 Prozent ab einem zu versteuernden Gewinn von mehr als 100 Mio. Indische Rupien Ferner fällt eine Ausbildungsabgabe i.H.v. 4 Prozent auf den Gesamtsteuerbetrag an. Die Gesamtbelastung ausländischer Unternehmen beträgt damit in der Spitze ca. 43,68 Prozent.

 

   

Nicht selten beurteilen die deutsche und die indische Finanzverwaltung einen Sachverhalt unterschiedlich. So z.B. bei Tätigkeiten ausländischer Unternehmen in den Räumlichkeiten ihrer Kunden. Indien geht hier – anders als die deutsche Finanzverwaltung – sehr frühzeitig vom Bestehen einer Betriebsstätte aus. Damit droht trotz der Regelungen der DBAs neben der Besteuerung in Indien auch eine Besteuerung in Deutsch­land (Doppelbesteuerung). Das macht eine sorgfältige Vorab-Prüfung und Planung, die auch in die Auftrags­kalkulation Eingang findet, wichtig.
 
Starken Einfluss auf die Besteuerung ausländischer Unternehmen wird das Mehrseitige Übereinkommen gegen aggressive Steuergestaltungen (Multilateral Instrument, MLI) haben, das Indien am 7. Juni 2017 zusammen mit über 60 Staaten – einschließlich Deutschland – unterzeichnete. Es schafft die Grundlage, wichtige Beschlüsse der OECD gegen schädlichen Steuerwettbewerb und aggressive Steuergestaltungen (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) in bestehende DBAs aufzunehmen, ohne sie jeweils neu verhandeln zu müssen. Das MLI findet bereits Anwendung auf die DBAs Indien-Österreich und Indien-Schweiz. U.a. ist mit einer Verschärfung des Betriebsstättenrisikos für Handelsvertreterstrukturen in Indien zu rechnen. Deutschland hat derzeit noch nicht erklärt, dass es das MLI auf das DBA Deutschland-Indien anwenden will, hält sich das aber für die Zukunft offen.

 

Lesen Sie mehr in unserem Beitrag „Indien: FAQ zur Besteuerung von Bau- und Montagebetriebsstätten”.

   

Quellensteuer

Das DBA Deutschland-Indien gibt Indien das Recht zur Besteuerung von Dividenden, Zinsen, Vergütungen für tech­nische Dienstleistungen und Lizenzgebühren, die aus Indien stammen und an deutsche Unternehmen gezahlt werden. Indien macht von dem Recht auch Gebrauch. Der Steuersatz beträgt auf Dividenden 20 Prozent, auf Vergütungen für technische Dienstleistungen und Lizenzgebühren jeweils 10 Prozent, auf Zinsen auf genehmigte Auslands­darlehen derzeit 5 Prozent (stets plus Aufschlag und Ausbildungsabgabe). Bei Lizenzgebühren und Vergütungen für technische Dienstleistungen ist Bemessungsgrundlage das gezahlte Entgeld (ohne Abzug eines Aufwands). Deutschland erlaubt eine Anrechnung der Quellensteuer nur in engen Grenzen (Anrechnungshöchstbetrag). Sie kann nur auf Einkommensteuer bzw. Körper­schaft­steuer angerechnet werden, die auf Einkünfte aus Indien anfällt („per country limitation”). Die Quellensteuer ist daher zumindest bei Kapitalgesellschaften meist ein Kostenfaktor. Verantwortlich für den Steuereinbehalt ist die zahlende indische Person, z.B. der Kunde einer Montageleistung. Ihn hält die indische Finanzver­waltung haftbar – neben dem deutschen Unternehmen. Kann der Kunde nicht ausschließen, dass die zu leistende Zahlung einer steuerlichen Betriebsstätte zuzurechnen ist, muss er eine weit höhere Quellen­steuer von bis zu ca. 43 Prozent einbehalten. Er wird damit zum verlängerten Arm der indischen Finanzver­waltung. Der Kunde oder das deutsche Unternehmen können bei der Finanzverwaltung allerdings die Festsetzung eines geringeren Steuereinbehalts beantragen. Das ist bei Betriebsstätten durchaus üblich und dringend zu empfehlen.
 
Bis vor kurzem mussten Personen, die aus Indien quellensteuerpflichtige Einkünfte bezogen, sich in Indien steuerlich registrieren („Permanent Account Number”, PAN). Die PAN war auf allen steuerpflichtigen Rechnungen nach Indien zu nennen. Geschah das nicht, erhöhte sich die Quellensteuer von 10 Prozent auf 20 Prozent – ohne eine ausgleichende Anrechnungsmöglichkeit in Deutschland.
 
In dieser Strenge gilt die Regelung nicht mehr. Die Beantragung einer PAN kann durch die Angabe einiger Informationen ersetzt werden. Zusätzlich ist eine steuerliche Ansässigkeitsbescheinigung vorzulegen (siehe aber unten unter Deklarationspflichten).


Karte einer Permanent Account Number/PAN
 

Deklarationspflichten

Bislang mussten ausländische Unternehmen über Einkünfte, die der indischen Quellensteuer unterliegen, in Indien eine Steuererklärung abgeben. Diese Regelung wurde mit Wirkung zum 1. April 2020 entschärft.

Eine Steuererklärung ist für Einkünfte aus technischen Dienstleistungen und Lizenzen nicht mehr abzugeben, sofern

(a) die Steuerschuld bereits durch den Steuerzahler (also den indischen Kunden) im Wege der Quellensteuer beglichen und dabei

(b) der nach nationalem indischen Recht geltende Quellensteuersatz angewandt wurde.

 

Mit anderen Worten ist eine Steuererklärung durch ausländische Unternehmen nur abzugeben wenn:

  • der Steuerzahler nicht ausreichend Quellensteuern gezahlt hat, hier sind auch die offenen Steuern nachzuentrichten,
  • sich das ausländische Unternehmen auf einen reduzierten Steuersatz beruft (dies betrifft vor allem Dividendeneinkünfte, die nach nationalem indischen Recht einer Steuer von 20 Prozent unterliegen, deren Besteuerung jedoch nach vielen DBAs auf 10 Prozent gedeckelt ist), oder
  • das ausländische Unternehmen eine ertragsteuerliche Betriebsstätte in Indien hat (z.B. aufgrund von Montagen) und der dieser Betriebsstätte zugerechnete Gewinn ermittelt, erklärt und besteuert werden muss.

 

In der Praxis wird eine Steuererklärung dennoch oft abzugeben sein. Sehen Sie hierzu auch unser FAQ zu Quellensteuer und PAN.

   

Exit-Besteuerung

Veräußert ein Gesellschafter Anteile an einer indischen Gesellschaft, beansprucht Indien ein Besteuerungs­recht. In vielen grenzüberschreitenden Fällen steht Indien das Recht aufgrund der Regelungen in den jeweiligen DBAs auch zu, so z.B. in dem DBA Deutschland-Indien. Eine Ausnahme machten die DBAs mit Singapur, Mauritius, Zypern und den Niederlanden, sodass viele – gerade institutionelle – Investments über Holdingstandorte in den Ländern strukturiert wurden. Mit der zwischenzeitlichen Änderung der DBAs (ausgenommen dem DBA Indien-Niederlande) wurden entsprechende Konstrukte nun weitgehend unter­bunden. Mit Einführung der „General Anti Avoidance Rule” (GAAR) seit 1. April 2017 hat die Finanzver­waltung zudem ein besseres Werkzeug an der Hand, um Umgehungstatbestände steuerlich zu erfassen.
 
Der Steuersatz, berechnet auf den Veräußerungsgewinn, richtet sich nach der Haltedauer und liegt je nach Konstellation zwischen 10 Prozent und 40 Prozent (zzgl. Aufschlag und Ausbildungsabgabe).

 

Verkauf durch...

  

      

Rechtsbehelfsverfahren

Innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Zugang kann gegen Steuerbescheide („Assessment Order”) und andere Steuerverwaltungsakte Rechtsbehelf zum Commissioner of Income Tax (Appeal) (CIT(A)) eingelegt werden. Weitere Instanzen sind das Income Tax Appelate Tribunal (ITAT), der High Court sowie der Supreme Court. Zahlungsaufforderungen können bis zur endgültigen Entscheidung auf Antrag teilweise außer Vollzug gesetzt werden. Gegen einen Entwurf des Steuerbescheides kann alternativ zum Einspruch vor dem CIT(A) ein besonderer Rechtsbehelf beim Dispute Resolution Panel (DRP) eingelegt werden. Die Entscheidung des DRP muss innerhalb von 9 Monaten ergehen. Auch Vorabvereinbarungen über die Ermittlung der Fremdver­gleichspreise (Advance Pricing Agreements) können beantragt werden, was sich aber nur bei großen Volumina empfiehlt. Verfahren dauern meist über mehrere Jahre und werden oft erst durch das ITAT fair und für beide Parteien abschließend entschieden. Rechtsmittel zum High Court werden eher selten eingelegt.

 

Indirekte Steuern/Einfuhrabgaben

Seit dem 1. Juli 2017 gilt in Indien die neue Goods and Services Tax (GST). Sie löst eine Vielzahl von indirekten Steuern ab und schafft ein einheitliches Umsatzsteuersystem.
 
Die bereits 2017 neu eingeführte indische Umsatzsteuer hat sich bewährt. Die Goods and Services Tax (GST) erfasst alle Leistungen – sowohl die Lieferung von Waren als auch die Erbringung von Dienstleistungen.

 

Aufgrund der föderalen Struktur Indiens unterteilt sich die GST in 3 Komponenten:
  • Central GST (CGST) – Steuer der Zentralregierung
  • State GST (SGST) – Steuer der Bundesstaaten
  • Integrated GST (IGST) – übergreifende Steuer


Welche der Steuern auf eine bestimmte Leistung Anwendung findet, entscheidet sich danach, ob die Leistung innerhalb eines oder zwischen zwei Bundesstaaten erfolgt. Leistungen innerhalb eines Bundes­staates unterliegen gleichzeitig der CGST und der SGST. Leistungen zwischen 2 Bundesstaaten und Einfuhren aus dem Ausland nur der IGST.
 

 

 

Als innerstaatlich gilt eine Leistung dann, wenn sich der Ort des Leistenden und der Ort der Leistung in demselben Bundesstaat befinden. Liegen sie in verschiedenen Bundesstaaten oder ist der Ort des Leistenden im Ausland (Fall des Imports) gilt die Leistung als zwischen zwei Bundesstaaten erfolgt. Der Ort des Leistenden ist grundsätzlich der Ort der Geschäftseinrichtung, aus der heraus aus die Leistung erfolgt. Der Ort der Leistung unterscheidet sich je nach Sachverhalt. Bei Warenlieferungen ist es der Ort, an dem die Waren­be­wegung endet. Bei Dienstleistungen im B2B Bereich ist es der Ort, an dem die Leistung empfangen wird, sofern der Leistungsempfänger dort umsatzsteuerlich registriert ist. Exporte von Waren oder Dienstleistungen sind i.d.R. steuerbefreit. 
  
Der Standardsatz der GST liegt bei 18 Prozent. Eine Nomenklatur (ähnlich dem HS Code) entscheidet über die Einordnung. Bei Leistungen innerhalb eines Bundesstaates unterteilt sich die Steuer je zur Hälfte in die gleichzeitig anfallenden CGST und SGST. Bei Leistungen zwischen 2 Bundesstaaten entfällt sie komplett auf die IGST. Die Tatsache, dass bei Leistungen innerhalb eines Bundesstaates mit CGST und SGST 2 Steuern gleichzeitig anfallen, verteuert die Leistung also nicht.


 

 

Das System der GST erlaubt Unternehmern (Händler, Dienstleister, Hersteller) erstmals einen durchgän­gigen Vorsteuerabzug. Belastet wird – ähnlich dem deutschen Umsatzsteuersystem – nur der Verbraucher. Vorsteuerguthaben werden – im Unterschied zum deutschen System – allerdings nicht erstattet. Eine Ausnahme ist der Export von Waren oder Dienstleistungen.

Einschränkungen gelten ferner aufgrund der dreigliedrigen Struktur der GST. Gezahlte CGST kann als Vorsteuer von geschuldeter CGST und IGST, gezahlte SGST als Vorsteuer von geschuldeter SGST und IGST in Abzug gebracht werden. Ein Vorsteuerabzug zwischen CGST und SGST ist nicht vorgesehen. Gezahlte IGST ist von allen Arten der GST, d.h. IGST, CGST und SGST abzugsfähig. Aufgrund der Systematik des gleichzeitigen Anfalls der Steuern führt das i.d.R. nicht zu steuerlichen Kosten auf Ebene der Unternehmen. Dies gilt jedoch nicht ohne Ausnahme. V.a. bei Montagen in dritten Bundesstaaten kann durch Subunternehmer ausgewiesene CGST und SGST zu Kostenfaktoren werden.

Eine Besonderheit ist schließlich, dass einem Unternehmer der Vorsteuerabzug nur dann zusteht, wenn sein Lieferant die an ihn gezahlte GST auch tatsächlich abgeführt hat.

Für den Import von Waren ergibt sich in vielen Fällen eine Gesamtbelastung von 30,98 Prozent. Hiervon beträgt der Regelzollsatz 10 Prozent („Basiszoll“/„Basic Customs Duty“). Für viele Maschinen ist der Zollsatz auf 7,5 Prozent reduziert. Ferner findet die Einfuhrumsatzsteuer (IGST) Anwendung, sowie ein Aufschlag i.H.v. 10 Prozent des Basiszolls (Social Welfare Surcharge). Die Einfuhrumsatzsteuer ist in der Regel vorsteuerab­zugs­fähig, also meist kein Kostenfaktor. Es gibt jedoch Ausnahmen. Sie kommen vor allem bei öffentlichen Ausschreibungen zum Tragen und erfordern eine enge Beratung, um erhebliche Steuerkosten zu vermeiden. 

       

Ausländische Exporteure und indische Produzenten werden durch die GST erstmalig gleich behandelt. Belastungen durch die Einschaltung von Zwischenhändlern fallen weg. Abschottend wirkt nur der Zoll. Das sollte die Absatzchancen ausländischer Unternehmen in Indien verbessern.

 

Zollfreie Gebiete/Exportorientierte Unternehmen

Als Standorte für Unternehmen stehen in Indien spezielle Sonderwirtschaftszonen („Special Economic Zones”, SEZ) zur Verfügung. Alternativ können sich Unternehmen als „Export Oriented Unit” (EOU) registrieren. Eine SEZ ist ein abgegrenztes, zollfreies Gebiete, ein EOU ein Unternehmen mit Zollfreilager. Insbesondere Importabgaben sowie (für Unternehmen in einer SEZ) indirekte Steuern auf den Zukauf von Waren und Dienstleistungen aus dem Zollinland entfallen Großteils. 
 
Sowohl Unternehmen in einer SEZ als auch EOUs müssen Nettodevisenempfänger sein und bleiben. Das bedeutet, dass sie einen Großteil ihrer Waren bzw. Dienstleistungen exportieren müssen. Ist das gewährleistet, ist die Etablierung der eigenen Präsenz in einer SEZ oder als EOU eine Option für ausländische Investoren.

 

Fazit

Wir erwarten, dass der Trend zu einer Vereinfachung des indischen Steuerrechts fortgesetzt wird. Derzeit gilt nach wie vor, dass eine sorgfältige steuerliche Planung von Direktgeschäften und Investitionen unerlässlich ist.

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