Abbildung von makroökonomischen Unsicherheiten in der Unternehmensbewertung am Beispiel der Türkei

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veröffentlicht am 16. Dezember 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten


In der DACH-Region ist in den letzten Jahren sowohl die An­zahl als auch das Volumen der Unter­nehmens­transaktionen deutlich gestiegen. Im türkischen Markt hingegen haben sie nach dem Rekord­jahr 2017 abgenommen. Aufgrund der schwierigen konjunk­turellen Situation in den Jahren 2018 und 2019 hat der türkische Markt den erhofften Durch­bruch nicht schaffen können – birgt jedoch weiterhin großes Potenzial. Die grundsätzlich steigende Be­deutung von internationalen Bewertungs­anlässen bedingt dabei eine besondere Beachtung von länder­spezifischen makro­ökonomischen Unsicher­heiten bei der Unter­nehmens­bewertung.

 


Ob sich ein Investitionsobjekt im Inland oder im Ausland befindet, spielt für das anzuwendende Bewertungs­ver­fahren nur eine untergeordnete Rolle. Die Bewertung wird grundsätzlich in den meisten Fällen vorrangig mittels fundamentaler Zukunftswertverfahren – insbesondere mit dem „Discounted Cash Flow”-Verfahren (DCF-Verfahren) – durchgeführt. Bei einer Bewertung von Objekten im unruhigen makroökonomischen Umfeld ergeben sich im Wesentlichen jedoch zwei Hauptrisiken bzw. Unsicherheiten: Das Währungs- und das Länderrisiko. Nachfolgend wird auf beide Risiken und deren Abbildung in Discounted Cash Flow-Verfahren näher eingegangen.


Die Abbildung von Währungsrisiken in der Planung

Jede Investition außerhalb des europäischen Währungsraums ist für einen deutschen Investor mit dem Risiko von Wechselkursschwankungen verbunden. Generiert und plant eine türkische Gesellschaft ihre Cash Flows in Türkischer Lira (TL), so kann der Wert des Investitionsobjekts für einen deutschen Investor grundsätzlich über zwei unterschiedliche Methoden abgeleitet werden:

  • „Direkte Methode”: Die in Türkischer Lira ausgewiesenen prognostizierten Zahlungsüberschüsse werden mit dem für die Türkei risikoadäquaten Kapitalisierungszinssatz diskontiert und der sich in Summe ergebende Barwert der Zahlungsüberschüsse wird anschließend mit dem TL/EUR-Kassakurs am Bewertungsstichtag („Spot Rate”) in Euro umgerechnet.
  • „Indirekte Methode”: Die prognostizierten Zahlungsüberschüsse in Türkischer Lira werden für jeden betrachteten Zeitraum anhand des prognostizierten Wechselkurses in Euro umgerechnet und mit einem deutschen risikoadäquaten Kapitalisierungszinssatz diskontiert.


Problematisch ist bei der indirekten Methode (Annahme: Türkische Kapitalkosten können nicht unmittelbar ermittelt werden) jedoch die Prognosefähigkeit der Wechselkurse und ein damit einhergehendes Risiko der Überschätzung des Werts des Investitionsobjekts, das sich durch die Übertragung der Inflation bei der Umrechnung begründet. Bei einem derzeitigen Inflationsniveau von 12 Prozent und hohen Schwankungen in der Vergangenheit ist die Türkei davon besonders betroffen.

Es existieren unterschiedliche Prognosemethoden für Wechselkurse, darunter Paritätenmodelle (Zins- und Kaufkraftparität), Fundamental- und Technische Analysen sowie komplexe ökonometrische Modelle, die auf (Bank-)Analystenschätzungen beruhen. Letztere sind aufgrund ihrer Komplexität und teilweise fehlender Transparenz der genutzten Modelle nicht immer nachvollziehbar.

Die Zinsparitätenmethode untergliedert sich in die gedeckte Zinsparität und die ungedeckte Zinsparität (bzw. Terminkursmethode). Bei der gedeckten Zinsparität wird unter Zugrundelegung eines Hin- und Rücktauschs der Währungen von einer Indifferenz bei der Anlage zu bspw. deutschem oder türkischem Zinsniveau ausgegangen und verneint jegliche Arbitragemöglichkeit. Die gedeckte Zinsparität ist dabei jedoch rein theoretischer Natur, da seit der Sub-Prime-Krise 2008 starke Abweichungen von der gedeckten Zinsparität zu beobachten sind. Sie besitzt daher keine Prognosefähigkeit. Die Überlegung der ungedeckten Zinsparität beinhaltet den Verzicht auf den künftigen Rücktausch der Währung und steht unter der Annahme der Risikoneutralität und einer rationalen Erwartungsbildung. Dabei wird angenommen, dass der für die entsprechende Laufzeit heute zu beobachtende Terminkurs den Kassakurs in der jeweiligen Periode darstellt. Aufgrund der inhärenten Annahmen der Methode, ist auch sie als problematisch anzusehen.

Bei der Kaufkraftparität wird zwischen der absoluten und der relativen Kaufkraftparität unterschieden. Da die absolute Kaufkraftparität bei der Messung der Kaufkraft (erreichbarer Konsum) von einem Gleichgewichtskurs ausgeht, in der Realität jedoch Abweichungen davon festzustellen sind, wird in der Praxis oft die relative Kaufkraftparität angewendet. Ihr Fokus liegt auf der Inflation. Da bei Hochinflationsländern wie der Türkei ein Wachstum teilweise lediglich auf die Inflation zurückzuführen ist, würde bei der Annahme von konstanten künftigen Wechselkursen die türkische Inflation bei der Umrechnung von Türkischer Lira zu Euro übertragen werden. Wird im Bewertungskalkül nun ein deutscher Kapitalisierungszinssatz für die Diskontierung herange­zogen, würde der Wert des Investitionsobjekts überschätzt werden. Dem kann unter Zuhilfenahme eines Inflationsdifferenzials (Türkei – Deutschland) in zweierlei Hinsicht begegnet werden:

  • Im Zähler: Die prognostizierten Wechselkurse werden im Betrachtungszeitraum jeweils um die Inflations­differenz erhöht. Die Methode führt im konkreten Fall der Türkei zu einer geplanten Abwertung der Türkischen Lira in Höhe der Inflationsdifferenz. Im Ergebnis wird somit die hohe inflationsbedingte Wachstumsrate des türkischen Unternehmens durch die Abwertung bei der Umrechnung der Cash Flows in Euro korrigiert.
  • Im Nenner: Zur Umrechnung von Kapitalkosten von Euro in Türkische Lira erfolgt eine Erhöhung der Kapitalkosten um das Inflationsdifferenzial. Der entsprechend höhere Kapitalisierungszinssatz ist dann wiederum im Einklang mit den erhöhten inflationsbedingten Wachstumsraten der Cash Flows in Türkischer Lira.


Eine über die Herstellung von Währungs- und Kaufkraftäquivalenz zwischen Cash Flow-Planung und Kapital­kosten hinausgehendes Währungsrisiko in den Kapitalkosten kann bspw. durch die Anwendung des sog. International/World CAPM (ICAPM) geschehen. Gegenüber dem CAPM, das lediglich lokale Risiken berück­sichtigt, antizipiert das ICAPM explizit Währungsrisiken bei der Ermittlung der Kapitalkosten soweit sie als systematisch einzustufen sind.


Steuerliche Besonderheit in der Türkei

Das dauerhafte Inflationsproblem in der Türkei wurde auch vom türkischen Steuerrecht bei der steuerlichen Gewinnermittlung von Veräußerungsgewinnen antizipiert. Nach türkischem Steuerrecht darf der Nominalwert der Anteile entsprechend der Inflation zwischen dem Datum der Anschaffung und dem Datum der Veräußerung angepasst werden, wenn die Inflation in dem Zeitraum über 10 Prozent liegt. Das führt unter Zugrundelegung des zum Veräußerungszeitpunktes aktuellen Erzeugerpreisindex („Producer Price Index”; PPI) zu einem steuerlich niedrigeren Veräußerungsgewinn. Unter Berücksichtigung dessen kann ein Verkäufer geneigt sein, anderweitige vom Verkäufer verlangte Abschläge bei der Preisverhandlung zu akzeptieren. Ausländische Investoren sollten daher den Aspekt bei der Kaufpreisverhandlung beachten.


Länderrisiko bei der Bewertung

Weiterhin besteht neben dem Währungsrisiko in einigen Ländern (sog. „nicht-AAA-Länder”) auch ein (allgemeines) Länderrisiko. Das Risiko begründet sich einerseits durch politische Unwägbarkeiten (Politisches Risiko) und makroökonomische Faktoren (Gesamtwirtschaftliches Risiko) wie bspw. ein schwaches und volatiles Wirtschaftswachstum, Korruption und/oder schwacher oder nicht vorhandener Rechtssicherheit. Im Bewertungskalkül müssen solche Risiken antizipiert werden, um einen möglichst unverzerrten Wert des Investitionsobjekts zu erhalten. In der Bewertungspraxis geschieht das insbesondere durch einen Aufschlag im Kapitalisierungszinssatz, der sog. „Länderrisikoprämie”. Die Ermittlung der Risikoaufschläge erfolgt über Analysen der Zinsdifferenziale der Staatsanleihen der jeweiligen Länder („Yield Spreads”) oder über „Credit Default Swaps” (CDS). An der Stelle sei auf einen anderen Artikel des Themenspecials verwiesen, der die Ermittlung von Länderrisikoprämien bei Rödl & Partner beschreibt: „Ermittlung von Länderrisikoprämien: Methoden in der Bewertungspraxis”.


Fazit

Bei der Unternehmensbewertung in der Türkei müssen Währungs- und Länderrisiken berücksichtigt werden, um einen möglichst unverzerrten Wert zu erhalten. In der Bewertungspraxis wird dabei regelmäßig mit einem Zinsdifferenzial gearbeitet, das entweder im Zähler die Cash Flows oder im Nenner die Kapitalkosten korrigiert.

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