EuGH, Urteil vom 20. September 2018, Rechtssache C‑518/17

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veröffentlicht am 31. Oktober 2018

 

Bei Einleitung einer wettbewerblichen Vergabe im ÖPNV nach den Richtlinien 2014/24 oder 2014/25 ist eine Vorabbekanntmachung i.S.d. Art. 7 Abs. 2 VO 1370 zu veröffentlichen. Europarechtlich wird bei Unterlassung dieser Vorabbekanntmachungspflicht aber keine spezifische Rechtsfolge angeordnet, sodass diese sich nach der nationalen Gesetzgebung richtet.


Der EuGH hatte über ein Vorabentscheidungsverfahren des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden. Anlass des Rechtsstreits war die Einleitung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens im Frühjahr 2016 über Personenverkehrsdienste mit Bussen ohne vorherige Vorabbekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union.

 

Der EuGH stellt unter Bezugnahme auf sein vorheriges Urteil vom 27. Oktober 2016 (Rechtssache C-292/15, Hörmann Reisen) fest, dass die VO 1370 mit der Vorabbekanntmachungspflicht aus Art. 7 Abs. 2 VO 1370 als spezielleres Recht auf alle Vergaben, also auch auf wettbewerbliche, im ÖPNV Anwendung findet.

 

Hinsichtlich der Rechtsfolgen bei Unterlassen der Vorabbekanntmachung, stellt der EuGH fest, gebe es „im Unionsrecht auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge keine allgemeine Regel, nach der die Rechtswidrigkeit einer Handlung oder Unterlassung in einem bestimmten Stadium des Verfahrens zur Rechtswidrigkeit aller späteren Handlungen in diesem Verfahren führe […]”. Solche Rechtsfolgen ergeben sich nach dem Unionsrecht nur in besonderen, präzise umrissenen Fällen, welche in der VO 1370 bei unterlassener Vorabbekanntmachung nicht geregelt seien.

 

Daher ist die Anordnung von Rechtsfolgen bei Fehlen einer Vorabbekanntmachung Sache der nationalen Rechtsordnungen. Die innerstaatliche Ausgestaltung muss an diese europarechtlichen Tatbestände die gleichen Rechtsfolgen knüpfen wie an nationale Regelungen (Äquivalenzprinzip) und es darf die Ausübung des europäischen Rechts nicht übermäßig erschweren oder faktisch unmöglich machen (Effektivitätsprinzip).

 

Bei einer Direktvergabe kann das Fehlen einer Vorabbekanntmachung dazu führen, dass andere Wirtschaftsteilnehmer gar keine hinreichende Kenntnis über die Direktvergabe haben und damit keine Einwände erheben können, wodurch der Effektivitätsgrundsatz untergraben werde. Bei wettbewerblichen Vergaben dürfe dieser Grundsatz weniger schwer betroffen sein, da die Wettbewerber durch die der Vorabbekanntmachung nachfolgende reguläre Ausschreibung informiert werden, an dem Wettbewerb teilnehmen oder Rechtsschutz gegen das Verfahren suchen können.

 

Bewertung für die Praxis

Der EuGH bestätigt seine Rechtsprechung der VO 1370 als ÖPNV-spezifisches Spezialrecht, dass gegenüber dem allgemeinen Vergaberecht vorrangig anzuwenden sei. Offen bleibt indes die Frage, ob nun die Nationalstaaten zur Sicherung der Vorabbekanntmachungspflicht gemäß dem Effektivitätsprinzip Sanktionen für unterlassene oder verspätete Vorabbekanntmachungen in ihren nationalen Rechtsordnungen identifizieren oder schaffen müssen. In keinem Fall bedeutet das Urteil des EuGH, dass von den Pflichten der VO 1370 abgewichen werden darf. Unklar ist weiterhin, welche konkrete Rechtsfolge aus dem Verstoß folgt.

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Jörg Niemann

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