Unterschätzte arbeitsrechtliche Indikatoren bei der Wahl der Transaktionsstruktur

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veröffentlicht am 10. November 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Aus arbeitsrechtlicher Sicht macht es einen nicht unwesentlichen Unterschied, ob die Transaktion als Share Deal oder als Asset Deal ausgestaltet ist. Der Asset Deal löst nicht nur die Rechtsfolge des Betriebsüberganges aus. Bei der Wahl der Transaktionsstruktur des Unternehmenskaufs ist auch aus wirtschaftlicher Sicht zu überlegen, ob das Know-How der Zielgesellschaft beim Personal liegt oder diese über einen Betriebsrat oder Tarifbindungen verfügt. Auch hier gilt es, sich als Erwerber ausreichend abzusichern und zukünftige Entwicklungen sorgsam zu beleuchten.

 

Viele der im arbeitsrechtlichen Teil einer Due Diligence aufgedeckten Red Flags – insbesondere bei den Themen Scheinselbständigkeit, Arbeitnehmerüberlassung oder betriebliche Übungen – lassen sich regelmäßig bereits sowohl beim Share Deal als auch beim Asset Deal durch eine korrekte Gestaltung des (Anteils-)Kaufvertrags absichern, indem beispielsweise entsprechende Freistellungserklärungen oder Garantien des Veräußerers vereinbart werden. Darüber hinausgehende häufig unterschätzte arbeitsrechtliche Aspekte, auf die im Kaufvertrag kein Einfluss genommen werden kann, sollten ebenfalls auf dem Transaktionsplan stehen.

 

Die nachhaltige Bindung der „Key-Employees”

Liegt der immaterielle Wert der Zielgesellschaft im Know-How (einzelner) Arbeitnehmer, so gilt es, diese zu identifizieren und auch für die Zukunft an das zu erwerbende Unternehmen zu binden. Sowohl beim Share Deal als auch beim Asset Deal müssen den betroffenen Know-How-Trägern ggf. individualvertragliche Anreize zur nachhaltigen Bindung an das Unternehmen angeboten werden. Da der Asset Deal jedoch als Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB ein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber auslöst, wird diesen Know-How-Trägern hier eine Art „Wahlrecht” zwischen Erwerber und Veräußerer an die Hand gegeben. Ein solches Wahlrecht besteht für betroffene Arbeitnehmer beim Share Deal gar nicht erst, da dieser keinen Einfluss auf die Zuordnung der Arbeitsverhältnisse zum Unternehmensträger nimmt. Die Arbeitnehmer sind zumindest für die Zeit der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist an das Unternehmen gebunden.

 

Tarifbindung und Tarifverträge sowie Betriebsvereinbarungen

Es ist darüber hinaus in die wirtschaftlichen Überlegungen einzubeziehen, wie sich die Transaktion auf bestehende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen auswirkt.

 

Weil der Unternehmensträger als Tarifvertragspartei beim Share Deal unverändert und nahtlos fortbesteht, gelten auch etwaige Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen unverändert fort. Nur ausnahmsweise kann deren rechtliche Kontinuität bei Konzernsachverhalten, insbesondere bei sog. Carve Outs, durchbrochen werden. Beim Asset Deal regelt dagegen § 613a Abs. 2 BGB das künftige Schicksal von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, was in der Transaktionspraxis zu komplizierten Rechtsfragen führen kann. Die beim Veräußerer geltenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gelten entweder fort, indem sie inklusive einer Veränderungssperre Inhalt des übergegangenen Arbeitsverhältnisses werden. Andernfalls können sie durch die beim Erwerber geltenden kollektivrechtlichen Vereinbarungen ersetzt werden.

 

Unterrichtungs- und Beteiligungsrechte bestehender Arbeitnehmervertretungen

Die gewählte Transaktionsstruktur des Unternehmenskaufs wirkt sich auf das Maß der Einbeziehung von existierenden Arbeitnehmervertretungen aus.

 

Bei Existenz eines Betriebsrats sind sowohl beim Share Deal als auch beim Asset Deal mögliche Interessenausgleichs- und Sozialplanpflichten ins Auge zu fassen, sofern mit der Transaktion nicht nur der reine Betriebsinhaber- bzw. Anteilsinhaberwechsel beabsichtigt ist. Sobald mit der Transaktion Maßnahmen verbunden sind, die eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG zur Folge haben, sind auch die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz zu wahren. Klassische Fälle sind hier insbesondere die Einführung neuer Arbeitsmethoden, Zusammenlegungen von Betrieben oder der Personalabbau.

 

Auch wenn Maßnahmen im Sinne einer Betriebsänderung nicht geplant sind, ruft der Share Deal regelmäßig zumindest ein Unterrichtungsrecht des Wirtschaftsausschusses bzw. des Betriebsrats der Zielgesellschaft gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 9a und § 109a BetrVG hervor.  Wird gegen diese Unterrichtungspflicht verstoßen, kann dies zwar nicht den Abschluss der Transaktion verhindern. Dennoch kann der Verstoß zusätzliche Kosten verursachen und dem Interesse einer künftigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung entgegenwirken. Die Unterrichtungspflicht wird ausgelöst, wenn mit der Übernahme des Unternehmens ein „Erwerb der Kontrolle” verbunden ist. Die gesellschaftsrechtlichen Konstellationen im Sinne eines die Unterrichtungspflicht auslösenden „Erwerbs der Kontrolle” sind im Einzelfall genau zu prüfen. Dazu ist erforderlich, dass die neue Gesellschaftermehrheit in der Gesellschafterversammlung – sei es durch Stimmrechtsmehrheit oder Stimmbindungsverträge – zu ihren Gunsten die Geschicke der Gesellschaft bestimmen kann. Der indirekte Erwerb der Kontrolle wie beispielsweise über den Erwerb der Mehrheit der Gesellschaftsanteile an der Muttergesellschaft fällt dagegen regelmäßig nicht darunter. Auch Beherrschungsverträge, durch die die Zielgesellschaft unter die Herrschaft eines anderen als der Gesellschaftermehrheit gestellt ist, können gegen eine Unterrichtungspflicht sprechen. Zu unterrichten ist insbesondere über den potentiellen Erwerber und dessen Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Arbeitnehmer. Der Zeitpunkt, zu dem der Wirtschaftsausschuss bzw. der Betriebsrat zu unterrichten ist, ist mit Blick auf den Fortschritt der Vertragsverhandlungen aus rechtlicher und strategischer Sicht sorgfältig zu prüfen. Der Inhalt der vorzulegenden Dokumente ist schließlich insbesondere in der Anbahnungsphase noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Aus diesem Grund sollte darauf geachtet werden, wie weit die Transaktionsverhandlungen fortgeschritten sind und wie konkret sich das Kaufinteresse manifestiert hat, bevor Unterlagen vorgelegt und Informationen herausgegeben werden. Einschränkungen der Unterrichtungspflicht bei einer Gefährdung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sollten hier also dringend geprüft werden.

 

In Betracht kommt diese Unterrichtungspflicht also nur, wenn die Gesellschaftermehrheit im Unternehmen wechselt, womit jede Form eines Asset-Deals von der Vorschrift ausgenommen ist. Aber auch beim Asset Deal kann sich aus § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG eine Unterrichtungspflicht ergeben, da dieser regelmäßig einen sonstigen Vorgang darstellt, der die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren kann. Dieser Fall der Unterrichtungspflicht trifft jedoch nur Unternehmen mit in der Regel mehr als einhundert Arbeitnehmern, in denen ein Wirtschaftsausschuss zu bilden ist. Gemäß § 109a BetrVG ist der Betriebsrat nur im Falle des Share Deals hilfsweise zu unterrichten.

 

Fazit

Auch arbeitsrechtliche Überlegungen sollten daher in die Wahl der Transaktionsstruktur und die wirtschaftlichen Überlegungen der Transaktionsparteien einbezogen werden. Zwar ist der Share Deal aus arbeitsrechtlicher Sicht auf den ersten Blick wesentlich einfacher handhabbar, da sich an der arbeitsrechtlichen Zuordnung der Arbeitnehmer in Folge der klaren Kontinuität der arbeitsrechtlichen Situation nichts ändert. Andererseits bieten die gesetzlich angeordneten Rechtsfolgen beim Asset Deal Chancen für die künftige Personalwirtschaft.  

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