Der Einfluss von ESG-Faktoren auf die Unternehmensbewertung

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veröffentlicht am 16. März 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Messbarkeit von ESG-Faktoren

ESG-Faktoren gewinnen zunehmend an Bedeutung für Unternehmen, Investoren und Bewerter. Dreh- und Angelpunkt für das Reporting und letztendlich auch die Analyse von ESG-Faktoren ist deren Messbarkeit. International gibt es bereits verschiedene Dienstleister, die sogenannte ESG-Scores oder Ratings entwickeln und veröffentlichen. Obwohl kontinuierlich Vereinheitlichungen und Verbesserungen in den Definitionen der jeweiligen ESG-Kriterien sowie deren Maßstäbe stattfinden, ist – durch die inzwischen große Anzahl an Anbietern von ESG-Scores und der weiten Bandbreite bei den Ansätzen – eine übergreifende, eindeutige Aussagekraft nicht gegeben. Zudem hängt die Verfügbarkeit solcher Metriken sowie das Ergebnis oft von der Größe der Unternehmen ab.

 

Heterogene Informationen und dennoch eine objektivierbare Unternehmensbewertung – wie kann das funktionieren? Dieser Artikel soll die Vorgehensweise bei der Berücksichtigung von ESG-Faktoren im Rahmen der Unternehmensbewertung kurz darstellen und kritisch beleuchten.

 

Einfluss der ESG-Faktoren auf die Bewertung von Unternehmen

ESG-Faktoren wirken sich auf die finanzielle Leistung, die Reputation und das Risikoprofil eines Un-ternehmens aus. Nachfolgende Grafik stellt die potenziellen Einflüsse auf verschiedene Aspekte eines Unternehmens und dadurch implizit der Unternehmensbewertung dar:

 

 

 

Grundsätzlich gilt es bei der Unternehmensbewertung im Hinblick auf ESG die relevanten Risiken und Chancen für das Geschäftsmodell des zu bewertenden Unternehmens zu identifizieren. Hierbei dienen ESG-Ratings, Unternehmens- und Nachhaltigkeitsberichte sowie Analystenbewertungen als Quellen. Der Einfluss der ermittelten Faktoren auf das operative Geschäft, Finanzierung und den Cashflow muss anschließend für das jeweilige Unternehmen individuell gewürdigt und quantifiziert werden.

 

Die zunehmende Relevanz hat zur Folge, dass ESG-Faktoren möglichst von Anfang an in den Bewer-tungsprozess mit einbezogen werden sollten. Im Rahmen eines DCF- oder Ertragswertverfahrens ist zunächst zu ermitteln, inwieweit die vom Bewerter identifizierten ESG-Risiken und -Chancen bereits in den Business Plänen der Unternehmen berücksichtigt sind. Dies gestaltet sich oft als schwierig, ist jedoch essentiell um eine Doppelerfassung in Zähler und Nenner zu vermeiden. Sollte dies nicht der Fall sein, gilt es, die geplanten Cashflows entsprechend anzupassen. Hier können beispielsweise eine Verminderung der Umsatzerlöse aufgrund schlechter Reputation, eine Erhöhung der Steuern aufgrund von gesetzlichen Vorschriften oder erhöhter CAPEX zur Reduktion der ESG-Risiken bedacht werden.

 

Zudem besteht die Möglichkeit, Risiko-Zuschläge zu dem typischerweise angesetzten Diskontierungszinssatz zu berücksichtigen. In einem ersten Schritt gilt es, die Treiber des Geschäftsmodells sowie deren Risiken im Zusammenhang mit ESG-Faktoren zu identifizieren. Über eine Analyse der Vergleichsunternehmen (Peer Group-Analyse), welche entsprechend die relevanten ESG-Kriterien einbezieht, lässt sich ein unternehmensspezifischer Risikofaktor ableiten, welcher wiederum in den geeigneten Diskontierungssatz miteinfließt. Dieser soll Renditeschwankungen aufgrund der ESG-Chancen und Risiken reflektieren. So haben Unternehmen die schlechte ESG-Scores aufweisen im Durchschnitt ein höheres Risikoprofil und damit auch einen höheren Diskontierungszinssatz, was wiederum zu einem niedrigeren Unternehmenswert bei der DCF-Analyse führt. 

 

ESG-Faktoren können jedoch auch in marktorientierte Bewertungsverfahren (bspw. Multiplikator-Analyse) mit eingebunden werden. Im Rahmen einer Multiplikator-Bewertung können vorab ESG-Kriterien für die jeweilige Branche identifiziert und bewertet werden, und anschließend mit der für das Zielunternehmen ermittelten ESG-Performance verglichen werden. Hieraus ergibt sich eine Anpassung  der Bewertungsparameter (z.B. Market Multiples) an das Zielunternehmen, um die relative Performance des Unternehmens im Vergleich zur Peer Group zu berücksichtigen. Dieser Prozess weicht nur unwesentlich vom traditionellen Vorgehen bei der Multiplikator-Bewertungsmethodik ab und ist daher leicht in die Unternehmensbewertung zu integrieren.

 

Kritik an der Verwendung von ESG-Faktoren

Derzeit gibt es zahlreiche Meinungen zum Einfluss und zur Verwendung von ESG-Faktoren in der Unternehmensbewertung. Ein Hauptkritikpunkt ist die oft schwierige Messbarkeit der jeweiligen Kri-terien sowie die mangelnde Verfügbarkeit einheitlicher Metriken und Skalen. Die Auswirkung von ESG-Faktoren auf den Wert eines Unternehmens hängt zudem davon ab, ob man davon ausgeht, dass der Markt diesen Faktor bereits in seinen Erwartungen eingepreist hat oder nicht. Inwiefern der Markt den ESG-Effekt bereits vollständig eingepreist hat, ist aufgrund des noch relativ kurzen Beobach-tungszeitraums unklar. Die Kausalität zwischen der Perfomance von Investments und deren ESG-Rating ist oftmals noch nicht herstellbar.


Demnach ist auch der Zusammenhang zwischen Rentabilität und ESG-Ratings eines Unternehmens kritisch zu hinterfragen. Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, einem Unternehmen mit gutem ESG Rating eine höhere Rentabilität und damit einen höheren Unternehmenswert zuzuschreiben – ist es doch für die Zukunft bestens gewappnet. Es ist jedoch fraglich, ob „gute” Unternehmen rentabler sind oder ob die Kausalität darin begründet liegt, dass rentablere Unternehmen in der Lage sind, mehr in Maßnahmen zur Verbesserung ihres Ratings investieren zu können. Eine Antwort auf diese Fragestellung wird sich erst nach einem längeren Analysezeitraum und entsprechenden statistischen Auswertungen geben lassen.

Fazit

Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Integration von ESG-Faktoren in den Bewertungsprozess zu transparenteren Unternehmensbildern und somit umfassenderen Ergebnissen führen kann. Jedoch sind die Ergebnisse aufgrund mangelnder Standardisierung, nicht ausreichender Datenmenge sowie der unklaren Korrelation von ESG-Faktoren und Unternehmensrenditen aktuell noch mit viel Unsicherheit behaftet.


Dennoch darf die Berücksichtigung von ESG-Faktoren sowohl für die operative Planung von Unter-nehmen als auch für die Unternehmensbewertung nicht vernachlässigt werden und wird in Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen.

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Tobias Neukirchner

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