Wenn Uneinigkeit nicht reicht – Notgeschäftsführerbestellung erst bei organschaftlicher Handlungsunfähigkeit

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​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 16. Juli 2025 | Lesedauer ca. 2 Minuten

 

Wie einem Schiff ohne Kapitän ergeht es einer Gesellschaft ohne Geschäftsführung – es braucht jemanden, der das Steuer übernimmt und gesetzlich zur Vertretung befugt ist. Denn bei Handlungs- und Entscheidungsunfähigkeit drohen nicht unerhebliche (wirtschaftliche und rechtliche) Risiken. 


Tritt ein Fall von Führungslosigkeit in einer Gesellschaft auf, bedarf es daher oft einer schnellen, kurzfristigen Lösung. Eine solche kann in der gerichtlichen Bestellung eines Notgeschäftsführers liegen. Diese Möglichkeit ist jedoch an besondere Voraussetzungen geknüpft. Welche das sind und weshalb Uneinigkeit der Gesellschafter im Zusammenhang mit der Bestellung eines neuen Geschäftsführers allein nicht ausreicht, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle. 

Rechtlicher Hintergrund – Unter welchen Voraussetzungen kommt die Bestellung eines Notgeschäftsführers in Betracht? 

Die Bestellung eines Geschäftsführers obliegt im Normalfall der Gesellschafterversammlung. Eine Abweichung von dieser gesellschaftsrechtlichen Kompetenzzuweisung in Gestalt der gerichtlichen Bestellung eines Notgeschäftsführers kommt nur dann in Betracht, wenn die Gesellschaft führungslos und ein Fall von Dringlichkeit gegeben ist. 

Mit diesen Voraussetzungen hat sich das Oberlandesgericht Celle befasst (Beschluss vom 10. März 2025 (Az. 9 W 22/25)) und betont, dass die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers ultima ratio ist. Sie scheidet daher aus, wenn gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit bestehen. Dass die Kompetenz der Gesellschafterversammlung für die Geschäftsführerbestellung in die gerichtliche Verantwortlichkeit gelegt wird, ist aus diesem Grund nicht schon bei bloßen gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen zu bejahen. 

Worum ging es in der Entscheidung?​

Zu entscheiden hatte das Oberlandesgericht Celle über die Beschwerde der alleinigen Kommanditaktionärin einer GmbH & Co. KGaA. Diese ist Lizenznehmerin der Deutschen F Liga GmbH und betreibt eine Profifußballmannschaft. Alleiniger Gesellschafter der Komplementärin war ein eingetragener Verein. 

Nachdem der Geschäftsführer der GmbH & Co. KGaA abberufen wurde und die Bestellung eines neuen Geschäftsführers wegen Uneinigkeit im Aufsichtsrat an einer Pattsituation scheiterte, beantragte die Kommanditaktionärin bei dem zuständigen Registergericht die Einsetzung eines Notgeschäftsführers für die GmbH & Co. KGaA.

Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle aus März 2025

Das Oberlandesgericht Celle ist der Begründung der vorangegangenen Entscheidung des Registergerichts gefolgt und hat die Beschwerde mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine gerichtliche Notgeschäftsführerbestellung als unbegründet zurückgewiesen.

Hierbei hat das Gericht klargestellt, dass der betroffenen Gesellschaft – entgegen der Begründung der Beschwerdeführerin – gesellschaftsrechtliche Mittel zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit zustünden. Daher sei ein gerichtliches Eingreifen in Angelegenheiten der Gesellschaft abzulehnen.  Dies gilt selbst dann, wenn sich ihr Aufsichtsrat nicht über die (gesellschaftsvertraglich ihm obliegende) Bestellung eines neuen Geschäftsführers einigen kann. Denn für die Gesellschaft könne durch einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss ihres Alleingesellschafters wirksam ein Geschäftsführer bestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn sich der hierfür zuständige Aufsichtsrat hierzu nicht willens oder in der Lage zeigt. Der Alleingesellschafter sei vorliegend auch willens, von seiner Bestellungskompetenz Gebrauch zu machen.

Darüber hinaus führt das Gericht an, dass die Einsetzung eines Notgeschäftsführers lediglich von Gesellschaftern einer Gesellschaft verlangt werden könne.  Als Nichtgesellschafterin fehlte der Kommanditaktionärin demnach auch die Anspruchsberechtigung für eine entsprechende gerichtliche Durchsetzung.

Empfehlung für die Praxis

Das Oberlandesgericht Celle unterstreicht mit seiner Entscheidung die erhebliche Bedeutung gesellschaftsvertraglicher Regelungen und Instrumente und den Ausnahmecharakter der Notgeschäftsführerbestellung. Im Falle einer durch Führungslosigkeit verursachten Handlungsunfähigkeit einer Gesellschaft müssen die gegebenen gesellschaftsvertraglichen Möglichkeiten auch bei Dringlichkeit beachtet werden, bevor die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers erwogen wird. Aus diesem Grund gilt es, mögliche Pattsituation sowie deren Lösung insbesondere bei der Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge frühzeitig zu berücksichtigen und entsprechende Regelungen zu schaffen.

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