Umsetzung der EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie – Änderungen im Arbeitsrecht ab August 2022

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 5. Juli 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Aufgrund der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union werden ab 1.8.2022 wichtige Gesetzesänderungen in Deutsch­land in Kraft treten. Der Bundestag hat am 23.6.2022 in zweiter und dritter Lesung Änderungen, unter anderem im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und Teilzeit- und Befristungs­gesetz (TzBfG) sowie vor allem im Nachweisgesetz (NachwG) beschlossen.


 

 

Änderungen im AÜG und TzBfG

Im AÜG gilt für den Verleiher ab dem 1.8.2022 die bußgeldbewerte zusätzliche Informationspflicht, dem Leiharbeiter die Firma und Anschrift des Entleihers in Textform mitzuteilen.
 
Der Entleiher wird ab August nach dem AÜG verpflichtet sein, einem Leiharbeiter, der ihm seit mindestens sechs Monaten überlassen ist und der ihm in Textform den Wunsch nach dem Abschluss eines Arbeits­vertrages angezeigt hat, innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen. Im TzBfG wird ab 1.8.2022 eine gleichgelagerte Pflicht für Arbeitgeber deren Arbeitnehmer länger als sechs Monate in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen, gelten. Wie umfangreich bzw. welchen Inhalt die Antwort des Arbeitgebers jeweils haben muss, bleibt jedoch offen.
 

Ab dem 1.8.2022 gilt im TzBfG für den Arbeitgeber die Pflicht, über Arbeitsplätze zu informieren, die in seinem Betrieb/Unternehmen besetzt werden sollen. Eine wichtige Neuerung im TzBfG wird zudem sein, dass bei befristeten Arbeitsverhältnissen die Probezeit nicht mehr – wie üblich – starr maximal 6 Monate betragen darf. Sie muss ab 1.8.2022 im Verhältnis zu der Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Demnach muss im Einzelfall geprüft werden, welche Probezeitdauer noch angemessen ist.
 

Änderungen im NachwG mit dringendem Handlungsbedarf

Das NachwG beinhaltet Unterrichtungspflichten des Arbeitsgebers über wesentliche Konditionen des Arbeitsverhältnisses, die meistens schon im Arbeitsvertrag festgehalten werden. Aufgrund der Gesetzes­änderung erhält das NachwG einen breiteren Geltungsbereich sowie einen detaillierteren Katalog an Mitteilungspflichten, für die ein neues verkürztes Fristenregime gelten wird. Erstmalig wurden zudem bußgeldbewerte Ordnungswidrigkeitsvorschriften mitaufgenommen. Es bleibt bei der Pflicht, die Bedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.
 

Überblick zu den wesentlichen Änderungen im NachwG

Das NachwG wird, anders als bisher, künftig auch für vorübergehende Aushilfen, die höchstens einen Monat eingestellt werden, gelten. Die bisherige Ausnahme für solche kurzen Beschäftigungsverhältnisse gilt dann nicht mehr.
 

Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer die Vertragsbedingungen nicht mehr erst innerhalb eines Monats nach Arbeitsbeginn schriftlich mitzuteilen, sondern es gelten drei verschiedene Stufen an Fristen.
 

Die neuen „Kernbedingungen“ müssen bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung schriftlich ausgehändigt werden. Dabei sind in Zukunft z. B. auch die Vergütung der Überstunden anzugeben, die Art der Auszahlung des Gehalts sowie vereinbarte Ruhepausen/-zeiten. Bei Schichtarbeit sind nun ebenfalls das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen darzulegen.
 

Anschließend beginnt eine siebentägige Frist, bis zu deren Ablauf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weitere Bedingungen schriftlich nachzuweisen hat. Neu hinzukommen wird z. B. die Dauer einer Probezeitvereinbarung und die Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anordnung von Überstunden bei einer Überstunden­vereinbarung. Die Bedingungen der alten Fassung wurden zudem konkretisiert.
 

Die übrigen, teilweise neu mit aufgenommenen Vertragsbedingungen müssen innerhalb eines Monats nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden. So genügt die Angabe der Kündigungsfrist nicht mehr. Neu wird sein, dass zusätzlich das einzuhaltende Verfahren (mindestens das Schriftformerfordernis) und die Frist zu Erhebung einer Kündigungsschutzklage dargelegt werden müssen.
 

Sind während eines laufenden Arbeitsverhältnisses Änderungen der Arbeitsbedingungen geplant, müssen diese zukünftig am Tag, an dem diese wirksam werden, mitgeteilt werden. Die Monatsfrist findet keine Anwendung.
 

Die Änderungen gelten für neue Arbeitsverhältnisse ab dem 1.8.2022. Jedoch ist auf Verlangen eines Arbeitnehmers, der bereits vor diesem Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis stand, bis zum siebten Tag nach seiner Aufforderung, die Niederschrift unter Berücksichtigung der neuen Mitteilungspflichten vorzulegen.

Von besonderer Bedeutung für die Praxis ist, dass Verstöße gegen das NachwG ab dem 1.8.2022 strafbewehrt sein werden.
 

Es drohen Geldbußen von bis zu 2.000,00 Euro, wenn die gesetzlich neu statuierten Handlungspflichten des Arbeitgebers

  • nicht,
  • nicht richtig,
  • nicht vollständig,
  • nicht in der vorgeschriebenen Weise,
  • nicht rechtzeitig

erfüllt werden.
 

Ordnungswidrig handelt daher, wer künftig gegen die nachstehenden Pflichten verstößt.
 

Die wesentlichen Arbeitsbedingungen müssen fristgerecht schriftlich mitgeteilt werden, auch für die bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse, wenn der Arbeitnehmer dies verlangt, da andernfalls eine Ordnungs­widrigkeit begangen wird.
 

Auch Auslandstätigkeiten, die länger als vier Wochen andauern, müssen künftig entsprechend den im Nachweisgesetz genannten Bedingungen in einer Niederschrift vor der Abreise fixiert sein. Hierbei treffen den Arbeitgeber umfangreiche Informationspflichten. Wird hiergegen verstoßen, ist das ebenso bußgeldbewehrt.

Dabei ist im Blick zu behalten, dass rechtskräftige Bußgeldentscheidungen ins Gewerbezentralregister eingetragen werden. Insbesondere für Unternehmen, die an der Vergabe von öffentlichen Aufträgen partizipieren wollen, sind nicht nur die Reputationsschäden problematisch. Dies kann auch den Ausschluss aus dem Vergabeverfahren bedeuten.
 

Bedeutung für die Praxis

Aufgrund der Erweiterung des Katalogs an darzulegenden Arbeitsbedingungen müssen Arbeitgeber sich dazu aufgefordert fühlen, sämtliche Arbeitsverträge zu überprüfen und die neuen Arbeitsbedingungen in den Verträgen bei Neueinstellungen zu ergänzen, v. a. um mögliche Bußgelder zu vermeiden. Zwar müssen für Verträge, die vor dem 1.8.2022 in Kraft getreten sind, nur nach Aufforderung des Arbeitnehmers die hinzuge­tretenen Arbeitsbedingungen ausgehändigt werden. Jedoch ist die 7-Tages Frist sehr knapp bemessen. Der Arbeitgeber sollte daran denken, die Verträge im Vorfeld zu kontrollieren und entsprechende Ergänzungen vorzubereiten oder gleich auszuhändigen, um das Risiko eines Bußgeldes zu minimieren bzw. auszuschließen. Dabei sollte gut überlegt werden, mit welcher genauen Formulierung neue Mitteilungspflichten im Arbeitsvertrag aufgenommen werden. Die Formulierung entscheidet darüber, ob ein Recht/Anspruch statuiert wird oder eben nur etwas deklaratorisch mitgeteilt wird.
 

Wahrscheinlich werden die Arbeitgeber von den verschiedenen Fristen nur im Notfall Gebrauch machen und stattdessen, soweit möglich, ihren Arbeitnehmern aus Praktikabilität alle Arbeitsbedingungen, die das neue NachwG vorsieht, bereits im Rahmen der ersten Frist aushändigen.
 

Die dargestellten Gesetzesänderungen zeigen, dass Arbeitgeber sich unbedingt damit beschäftigen und die daraus resultierenden notwendigen Maßnahmen zeitnah angehen sollten.

Deutschland Weltweit Search Menu