Early Tax Birds 45/2025: Arbeitsverweigerung des BVerfG, UK und die Mehrehen und die Oldtimersammlung

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 45/2025 (10. – 16. November 2025)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 17. November 2025 | Lesedauer ca. 6 Minuten

Liebe Leserinnen und Leser,​

​nach dem BREXIT war schnell klar, dass sich Großbritannien kleine Leckerli würde einfallen lassen müssen, um weiterhin attraktiv für Steuerpflichtige zu bleiben. Doch die Neufassung des sog. Inheritance Tax Manuals (eine Art Verwaltungsanweisung) treibt dies jetzt für Erbschaftsteuerzwecke auf die Spitze: IHTM11032 lässt es ausdrücklich zu, dass der englische erbschaftsteuerliche Freibetrag zwischen Ehegatten jedem Ehegatten gewährt wird. Während diese Formulierung noch sehr unverdächtig daher kommt, ist das „jedem Ehegatten“ durchaus wörtlich zu nehmen. Die Verwaltungsanweisung erkennt nämlich explizit an, dass dies auch dann gilt, wenn es nach dem Recht eines anderen Staates erlaubt ist, mehrere Frauen bzw. Männer gleichzeitig zu ehelichen. Der Freibetrag fällt dann in voller Höhe und für jeden dieser Ehegatten an, sofern nur der Erblasser in England einen Wohnsitz, aber eben ggf. im Ausland diverse Ehefrauen bzw. Ehemänner hat. Eine interessante Gestaltungsoption, finden die Early Tax Birds, die sich auch im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG stellen könnte. Hier allerdings würde wohl zu prüfen sein, ob die grenzenlose ausländische Polygamie gegen den deutschen ordre public verstößt. So oder so: Tipps für das sich anschließende (Er)Klärungsgespräch mit dem einzig wahren, in Deutschland rechtmäßig verheirateten Ehegatten können wir freilich nicht erteilen, die Erklärungsnot ist vermutlich vorprogrammiert. Wir wünschen daher einfach nur: Toi Toi Toi, und natürlich einen guten Wochenstart.

Im Übrigen gilt wie immer: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, abonnieren Sie ihn und em​pfehlen​​ Sie ihn weiter. Wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Wir freuen uns über jede Kritik, Anregung und natürlich auch über Lob an earlytaxbirds@roedl.com.

Beste Grüße

Prof. Dr. Florian Haase und das Redaktionsteam​​

  
 
Aktu​elle Gesetzgebung​​
  
Gesetz zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung
Das Bundeskabinett hat am 13. November 2025 den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung beschlossen. Aus steuerlicher Sicht sind die folgenden beiden Aspekte zu beachten: 
  • ​Die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege bei Banken, Versicherungen und Wertpapierinstituten sollen auf zehn Jahre verlängert werden.
  • Die Vorschriften zur Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG für Grundstücke sollen neu gefasst werden. Künftig soll gelten: „Für Grundstücke ist die Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen vorzunehmen. Damit würde bei der Vorsteueraufteilung im Zusammenhang mit Grundstücken grundsätzlich der Flächenschlüssel der Nutzflächen maßgeblich sein. Sollte jedoch im Einzelfall eine andere Methode zu einem noch präziseren wirtschaftlichen Ergebnis führen, kann diese alternativ angewendet werden. Die Rechtsänderung soll am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Die bisher in Abschn. 15.17 Abs. 7 UStAE vorgesehene Wahlfreiheit zwischen Flächenschlüssel und objektbezogenem Umsatzschlüssel als genauere Methoden gegenüber dem Gesamtumsatzschlüssel entfällt damit. Steuerpflichtige, die bislang einen anderen Schlüssel als den Flächenschlüssel nutzen, müssen künftig prüfen, ob dieser tatsächlich eine höhere Genauigkeit bietet und daher weiterhin zulässig ist. Auf Empfehlung des Bundesrats wird zusätzlich eine Übergangsregelung (§ 27 Abs. 40a UStG-E) zur Aufhebung der sog. Umsatzsteuerlagerregelung (§ 4 Nr. 4a UStG) eingeführt: Die Regelung soll zwar wie geplant zum 01. Januar 2026 entfallen. Für Waren, die vor diesem Datum eingelagert wurden, bleibt die Anwendung der bisherigen Vorschriften – einschließlich der Regelungen zur Steuerentstehung (§ 13 Abs. 1 Nr. 9 UStG), Steuerschuldnerschaft (§ 13a Abs. 1 Nr. 6 UStG) und zum Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UStG) – jedoch befristet bestehen. Mit Ablauf des 30. Dezember 2029 gelten alle bis dahin nicht ausgelagerten Gegenstände als ausgelagert im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 3 UStG in der bis zum 31. Dezember 2025 geltenden Fassung.​

Abgeschlossen werden soll das Gesetzgebungsverfahren mit Zustimmung des Bundesrats am 19.12.2025.


Gesetz zur Anpassung des Mindeststeuergesetzes und zur Umsetzung weiterer Maßnahmen​​

Am 13. November 2025 hat der Bundestag den Gesetzentwurf in der vom Finanzausschuss empfohlenen Fassung verabschiedet. Diese unterscheidet sich vom Regierungsentwurf hauptsächlich durch folgende Änderungen:
  • Präzisierung der Aufgaben des BZSt
  • Änderung des EU-Amtshilfegesetzes
  • Keine Anpassung der Kürzungsbetrags nach § 11 AStG
  • Überführung des BMF-Schreiben vom 22. April 2025​ zu klarstellenden Regelungen bei der Wegzugsbesteuerung 
  • Technische Anpassung der Anwendungsregelung in § 21 Abs. 9 AStG
  • Elektronische Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch Bereitstellung zum Datenabruf
​Darüber hinaus soll eine neue Regelung festlegen, dass das Verfahren für den automatischen Informationsaustausch bezüglich Mindeststeuer-Berichten ab dem 1. Januar 2026 erstmalig zur Anwendung kommt.


​​Neues aus der Finanzverwaltung

Vorsteuerabzug aus einem Leistungsbezug vor dem Übergang des Unternehmers zur Regelbesteuerung bzw. Kleinunternehmerregelung nach  § 19 UStG​
​Am ​10. November 2025 hat das BMF Änderungen im UStAE und Erläuterungen zum Vorsteuerabzug im Rahmen des Übergangs eines umsatzsteuerlichen Unternehmers zur Regelbesteuerung oder zur Kleinunternehmerreglung veröffentlicht. Die vom BMF veröffentlichten Grundsätze sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Es wird von der Finanzverwaltung jedoch nicht beanstandet, wenn sich ein Unternehmer in einer bis zum 10. November 2025 abgegebenen Umsatzsteuererklärung auf die bis zum 10. November 2025 gültige Fassung von Abschn. 15.3 Abs. 2 UStAE beruft. In diesen Fällen sind ggf. in einer Umsatzsteuererklärung für ein späteres Kalenderjahr die Vorsteuern entsprechend zu berücksichtigen.

Steuerliche Behandlung der vom Arbeitnehmer selbst getragenen Stromkosten​
Mit Schreiben vom ​11. November 2025 hat das BMF die Anwendungsregelungen für die steuerliche Behandlung der vom Arbeitnehmer selbst getragenen Stromkosten aktualisiert. Dieses Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Es ersetzt das BMF-Schreiben vom 29. September 2020 (BStBl I Seite 972​) und ist vorbehaltlich der Rn. 11 und 30 für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2030 anzuwenden. Hierzu möchten wir gerne auf die folgenden Änderungen hinweisen: 
  • ​Nach § 3 Nr. 46 EStG sind geldwerte Vorteile aus dem verbilligten oder kostenfreien Laden eines Elektrofahrzeug im Betrieb des Arbeitgebers und die Überlassung einer betrieblichen Ladevorrichtung beim Mitarbeiter zu Hause steuerfrei. Das kostenlose oder verbilligte Laden eines Elektrofahrzeugs oder Hybridelektrofahrzeugs an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers oder eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) für den Mitarbeiter ist gem. § 3 Nr. 46 EStG lohnsteuerfrei, wenn dieser Vorteil zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Die Finanzverwaltung stellt klar, dass es nicht schädlich ist, wenn die genutzte Ladevorrichtung dort von einem Dritten betrieben wird und dies nur für Zwecke des Arbeitgeberunternehmens oder des verbundenen Unternehmens erfolgt. Auch ist unschädlich, wenn die von einem Dritten dort betriebene Ladevorrichtung neben dem Arbeitgeberunternehmen auch weiteren Nutzern derselben Liegenschaft, nicht aber fremden Dritten, zur Verfügung steht. In beiden Fällen muss der Arbeitgeber die Stromkosten für das Aufladen des Kraftfahrzeugs des Arbeitnehmers unmittelbar tragen, d.h. der externe Betreiber der Ladevorrichtung rechnet direkt mit dem Arbeitgeber ab. (vgl. Rz. 18 und 19 des BMF-Schreibens).
  • § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG ermöglicht es dem Arbeitgeber, geldwerte Vorteile aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übereignung einer Ladevorrichtung an den Mitarbeiter und Barzuschüsse für den Erwerb einer Ladevorrichtung durch den Mitarbeiter und für den Betrieb einer solchen Ladevorrichtung mit einem Steuersatz von 25 % pauschal zu versteuern. 
  • Das Schreiben enthält auch eine Vereinfachung für die Erstattung des für den Firmenwagen bezogenen Ladestroms. Erstattungen des Arbeitgebers für Stromkosten für ein privates Elektrofahrzeug oder Hybridelektrofahrzeug des Mitarbeiters sind steuerpflichtiger Arbeitslohn. Steuerfreier Auslagenersatz (§ 3 Nr. 50 EStG) liegt aber vor, wenn dem Mitarbeiter die Stromkosten für einen Firmenwagen erstattet werden, der dem Mitarbeiter (auch) zur privaten Nutzung überlassen wurde. Bisher waren zur Vereinfachung dieses Auslagenersatzes im BMF-Schreiben Pauschalen festgelegt die der Arbeitgeber den Mitarbeitern ohne weitere Nachweise steuerfrei erstatten durfte. Diese Pauschalen fallen ab dem 1. Januar 2026 weg und können letztmalig für den Monat Dezember 2025 steuerfrei ausgezahlt werden. Ab dem 1. Januar 2026 muss der Mitarbeiter die Strommenge mit einem gesonderten stationären oder mobilen Stromzähler nachweisen, wenn er seinen Firmenwagen an einer häuslichen Ladevorrichtung lädt. Der Stromzähler kann z.B. in der Wallbox oder auch im Fahrzeug verbaut sein und muss nicht geeicht sein. Die Stromkosten können in tatsächlicher Höhe oder in Höhe einer Strompreispauschale angesetzt werden. Dieses Wahlrecht zwischen den tatsächlichen Stromkosten und der Strompreispauschale muss für das Kalenderjahr einheitlich ausgeübt werden (Jahrespauschale). Durch die Strompreispauschale sind sämtliche Stromkosten des Mitarbeiters aus der Nutzung der häuslichen Ladevorrichtung abgegolten. 
    Der individuelle Strompreis kann aus dem Vertrag des Mitarbeiters mit dem Stromanbieter ermittelt werden. Dabei sind der Einkaufspreis der verbrauchten Kilowattstunde (kWh) Strom und der zu zahlende Grundpreis anteilig zu berücksichtigen. Hat der Mitarbeiter einen Vertrag mit dynamischen Stromtarif abgeschlossen, sind die durchschnittlichen monatlichen Stromkosten je kWh inklusive anteiligem Grundpreis zugrunde zu legen. Die so ermittelten Werte dürfen auch angesetzt werden, wenn die häusliche Ladevorrichtung auch durch eine private Photovoltaikanlage gespeist wird. Die Preise muss der Mitarbeiter anhand von Belegen nachweisen. Ein Eigenbeleg durch den Mitarbeiter wird von der Finanzverwaltung nicht anerkannt. Anstelle der nachgewiesenen Stromkosten kann der Arbeitgeber auch eine „Strompreispauschale“ steuerfrei erstatten. Dies gilt unabhängig vom Preis, den der Mitarbeiter für seinen Strom zu zahlen hat, also auch bei einem dynamischen Stromtarif und wenn eine Photovoltaikanlage vorhanden ist. Die Höhe dieser Pauschale ist für jedes Kalenderjahr neu zu ermitteln. Für das Kalenderjahr 2026 beträgt sie 0,34 € je kWh.

Die Regelungen zur Gestellung von Ladeinfrastruktur beim Mitarbeiter zuhause und zur Pauschalierungsmöglichkeit für Barzuschüsse zur Ladeinfrastruktur sind im Wesentlichen unverändert geblieben. Künftig entfällt aber die Möglichkeit, pauschalen Auslagenersatz für Ladestrom bei Firmenwagen steuerfrei zu zahlen. Statt dessen muss der Mitarbeiter seinen Verbrauch nachweisen. Bei der Höhe der Kostenerstattung kann zwischen einem Einzelnachweis der Kosten oder einer Strompreispauschale gewählt werden. Die gilt ab dem 1. Januar 2026, ist also nicht rückwirkend anzuwenden. Darüber hinaus ist das BMF-Schreiben in allen offenen Fällen anzuwenden.


Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG
Der BFH hatte in seinem Urteil vom 17. August 2023 (V R 3/21) entschieden, dass die Lieferungen von Geräten, die ein Unternehmer lediglich für Umsätze nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG verwendet hat, nicht der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen. Der BFH ändert insofern seine Rechtsprechung und bestätigt die Verwaltungsmeinung i. S. v. Abschn. 24.2 Abs. 6 Satz 2 UStAE. Zudem hat der BFH noch weitere Klarstellungen vorgenommen, welche durch das Schreiben vom 12. November 2025​ in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass übernommen wurden. ​

Umsatzsteuervergünstigungen auf Grund des Ergänzungsabkommens zum Protokoll über die NATO-Hauptquartiere
Das BMF hat mit Schreiben vom ​14. November 2025 Regelungen zur Umsatzsteuervergünstigungen auf Grund des Ergänzungsabkommens zum Protokoll über die NATO-Hauptquartiere und zur Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 7 Satz 1 Buchstabe d UStG aktualisiert. Mit diesem Schreiben ersetzt das BMF das Schreiben vom 9. Oktober 2023.

Neuigkeiten von der EU, der OECD und der UNO

  
Debatte über Neufassung der Energiesteuerrichtlinie abermals vertagt

Am 13. November ​​​2025 haben die Finanzminister der EU im ECOFIN-Rat erneut über eine neue Energiesteuerrichtlinie diskutiert. Die bisherige dänische Ratspräsidentschaft hat gute Arbeit geleistet, es jedoch nicht geschafft, das Ziel final zu erreichen, obwohl der Vorschlag bereits seit 2021 diskutiert wurde. Der bisherige Vorschlag sah unter anderem Folgendes vor: (1) Die Besteuerung von Kraftstoffen würde sich nach dem Energiegehalt und nicht nach dem Volumen richten. (2) Erneuerbare Kraftstoffe, einschließlich fortschrittlicher Biokraftstoffe, würden vollständig von der Steuer befreit. Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futterpflanzen würden ebenfalls einem niedrigeren Steuersatz als fossile Kraftstoffe unterliegen, aber nicht vollständig steuerfrei sein. (3) Langfristig würden höhere Steuern auf fossile Energien erhoben. Leider gab es keine Einigung über diesen letzten Teil des „Fit for 55”-Pakets. Die folgende zypriotische Ratspräsidentschaft muss nun die Angelegenheit vorantreiben.

EU schafft “Mini-Freibetrag” für Importe ab 2026 ab

Die EU-Mitgliedstaaten haben sich am 13. November 2025 darauf geeinigt, die derzeitige Zollbefreiung für Sendungen​ mit einem Wert von weniger als 150 Euro, die aus Nicht-EU-Ländern an Verbraucher in der EU versandt werden, abzuschaffen. Alle Pakete aus Nicht-EU-Ländern unterliegen damit künftig unabhängig von ihrem Wert der Zollpflicht. Die Anforderungen hinsichtlich Mehrwertsteuer und Zollanmeldung bleiben bestehen. Bis zur Inbetriebnahme der sog. EU-Zolldatenplattform gilt ein vorübergehender, vereinfachter Mechanismus zur Zollberechnung.​​​

    
​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

  
Keine erweiterte Grundstückskürzung bei Halten von Oldtimern als Anlageobjekt​

In unserem Urteil der Woche (III R 23/23​) befasste sich der III. Senat des BFH mit der Frage, ob eine vermögensverwaltende GmbH die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG für die Streitjahre 2016 bis 2020 beanspruchen kann, wenn sie neb​en der Immobilienverwaltung auch Oldtimer als Wertanlage hält. Die Klägerin war eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Verwaltung von eigenem Immobilienvermögen und das Halten von Wertanlagen umfasste. Im Anlagevermögen befanden sich zwei Oldtimerfahrzeuge, die 2011 und 2012 als Wertanlage angeschafft wurden. Mit diesen Fahrzeugen waren bislang keine Einnahmen erzielt worden. Die Klägerin beantragte in ihren Gewerbesteuererklärungen die erweiterte Kürzung, die zunächst für die Veranlagungsjahre 2016 bis 2019 gewährt wurde. Nach einer Anhörung änderte das Finanzamt seine Rechtsauffassung und versagte die Kürzung für die Jahre 2016 bis 2019 rückwirkend unter Beachtung des Vorbehalts der Nachprüfung und für das Veranlagungsjahr 2020 in einem erstmals ergangenen Steuerbescheid. Die Einsprüche und die Klage vor dem FG Baden-Württemberg blieben erfolglos.

Die Klägerin machte geltend, dass die erweiterte Kürzung zu gewähren sei, da sie neben der Verwaltung eigenen Immobilienvermögens auch andere Wertanlagen halte und in diesem Zusammenhang die Oldtimer zu ihrem Anlagevermögen gehörten. Das Halten der Fahrzeuge als Wertanlage stelle aus ihrer Sicht eine zulässige und unschädliche Tätigkeit dar, die im Rahmen der begünstigten Grundstücksverwaltung erfolgt sei, sodass die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung erfüllt seien. Gleichwohl sah das Finanzamt in dieser Tätigkeit eine schädliche Betätigung, die gegen das zwingend einzuhaltende Ausschließlichkeitsgebot der erweiterten Kürzung verstößt.


Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück und bestätigte die Entscheidung des FG Baden-Württemberg. In seiner Begründung stellte der Senat zunächst klar, dass die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG voraussetzt, dass das Unternehmen abschließend aufgezählte Tätigkeiten ausübt. Die erlaubten Nebentätigkeiten sind im Gesetz abschließend aufgezählt, wobei das Ausschließlichkeitsgebot qualitativ, quantitativ und zeitlich zu verstehen ist. Zur zentralen Streitfrage stellte der BFH klar, dass es auf die Entgeltlichkeit beziehungsweise Unentgeltlichkeit der Tätigkeit nicht ankommt. Auch eine unentgeltliche, nicht ausdrücklich aufgezählte Tätigkeit kann zum Ausschluss der erweiterten Kürzung führen. Diese Auslegung begründete der Senat mit dem Wortlaut der Norm, denn § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG benennt die Entgeltlichkeit nicht als zusätzliches Tatbestandsmerkmal. Die Norm ist tatbestandlich zweifach begrenzt: zum einen gegenständlich auf eigenen Grundbesitz oder Kapitalvermögen, zum anderen auf die Art der Tätigkeit, nämlich Verwaltung und Nutzung. Der BFH betonte dabei die wichtige Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge. Die Erträge aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes sind auf der Rechtsfolgenseite zu kürzen. Die Frage, ob eine Tätigkeit ausgeübt wird, ist jedoch auf der Tatbestandsebene zu prüfen. In der Anwendung auf den konkreten Streitfall führte der Senat aus, dass das Halten der Oldtimer zum Zwecke der Wertsteigerung keine im Gesetz ausdrücklich genannte Tätigkeit war. Die Oldtimer dienten weder der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes noch gehörten sie zum Kapitalvermögen im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, da der Begriff des Kapitalvermögens nur Wirtschaftsgüter umfasst, deren Nutzung zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG führen kann. Das Halten der Fahrzeuge war auch nicht zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Grundstücksverwaltung und -nutzung.


Unzulässige Richtervorlage zum Treaty Override in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG​ 

Gerne möchten wir Sie diese Woche auch auf eine Entscheidung des II. Senats des BVerfH aufmerksam machen. Mit Beschluss vom 21. Oktober 2025 hat das BVerfG eine Vorlage des BFH zum sogenannten Treaty Override in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG nach elf Jahren (!!!) als unzulässig verworfen (2 BvL 21/14). § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG ermöglicht es, die in einem DBA vorgesehene Freistellung bestimmter Einkünfte von der deutschen Besteuerung in bestimmten Fällen auszuschließen. Nummer 2 erfasst dabei Konstellationen, in denen Einkünfte im anderen Vertragsstaat nur deshalb nicht besteuert werden, weil der Steuerpflichtige dort nicht aufgrund eines Wohnsitzes, gewöhnlichen Aufenthalts oder eines vergleichbaren Anknüpfungspunkts unbeschränkt steuerpflichtig ist. Satz 3 stellt klar, dass weitergehende Einschränkungen der Freistellung – etwa nach dem DBA selbst, nach § 50d Abs. 8 EStG oder § 20 Abs. 2 AStG – unberührt bleiben. Diese Regelung wurde durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz vom 26. Juni 2013 eingeführt und rückwirkend für frühere Jahre anwendbar erklärt.


Der BFH hatte die Vorschriften dem BVerfG mit Beschluss vom 20. August 2014 (I R 86/13) zur Beurteilung vorgelegt. Nach seiner Auffassung sei § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG verfassungswidrig, da keine Rechtfertigung für einen Verstoß gegen völkervertragliche Bindungen erkennbar sei. Die rückwirkende Neufassung des § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG verstoße zudem gegen das Rückwirkungsverbot. Das BVerfG wies die Vorlage jedoch als unzulässig zurück. Der BFH habe nicht ausreichend dargelegt, warum die Entscheidung im Ausgangsverfahren von der Verfassungsmäßigkeit der Normen abhänge. Insbesondere habe er die Voraussetzungen des maßgeblichen DBA nicht vollständig geprüft und auch nicht überzeugend begründet, dass die Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG im konkreten Fall erfüllt seien.


Wie Sie es von uns gewohnt sind, wählen wir für Sie stets die praxisrelevantesten und fachlich interessantesten Entscheidungen aus. Dieses Urteil ist jedoch schon aus einem anderen Grund darzustellen gewesen: Die zugrunde liegende Rechtsfrage lag ganze elf Jahre beim BVerfG, bis dieses sich in der Lage sah, aus letztlich formellen Gründen die Vorlage als unzulässig zu erklären und den BFH "abzuwatschen". Bei aller Sympathie dafür, dass dann und wann auch der BFH in seine Schranken gewiesen wird, kann man hier jedoch keinerlei Verständnis für die Untätigkeit und das Vorgehen des BVerfG haben! Allein schon dieser Umstand macht die Entscheidung aus unserer Sicht daher bemerkenswert und rechtfertigt ihren besonderen Platz in unserer dieswöchigen Ausgabe. 


 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
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