Renaissance der Allgemeinen Geschäftsbeziehungen durch die Digitalisierung

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Im Tagesgeschäft ist die Bedeutung von allgemeinen Geschäftsbedingungen immens. Sie ersparen dem Verwender – wenn sie wirksam in den Vertrag einbezogen werden – ein langwieriges Verhandeln einzelner „Nebenbedingungen” des Vertrags. Spätestens im Streitfall sind die „Nebenbedingungen” nicht mehr so nebensächlich und aus ihnen können sich weitreichende Folgen ergeben. Deswegen ist die wirksame Vereinbarung der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) schon seit jeher ein essenzielles Interesse eines jeden Kaufmanns.


Wirksam einbezogen sind allgemeine Geschäftsbedingungen dann, wenn ihre bloße Vereinbarung an sich wirksam erfolgt. Um abschließend von einer wirksamen Einbeziehung sprechen zu können, müssen die einzu­beziehenden Bedingungen aber auch einzeln und für sich, sowie in ihrem Gesamtzusammenhang wirksam sein.

Das alles sind keine Neuigkeiten, zumal auch bekannt ist, dass beim Internet-Vertrieb allgemeine Geschäftsbedingungen zur vereinbarten Vertragsgrundlage werden können.


In Zeiten von Corona findet Vertrieb mehr denn je im Internet statt

Die Corona-Pandemie hat bereits heute zu einer Beschleunigung des sich in den letzten Jahren abzeichnenden Wandels vom stationären Handel zum Internet-Handel geführt. Wirklich erfolgreich wird er erst durch ausgefeilte Logistik-Konzepte, die ebenso wie der Handel an sich immer weiter digitalisiert werden. Das gilt nicht nur für das Angebot und die Abrechnung der Dienstleistungen des Logistikers an sich, sondern in zunehmendem Maße auch immer mehr für den Kunden, der den genauen Zeitpunkt der von ihm bestellten Ware nachverfolgen kann. Die immer stärker werdende Verlagerung des Geschäfts ins Internet gilt sowohl für den B2B, als auch für den B2C Bereich.


Die Zunahme des Internet-Vertriebs verhilft den AGB zu noch größerer Bedeutung

Die daaus folgende zunehmende Beschleunigung der Vertragsabschlüsse zieht auch eine zunehmende Beschleunigung des Warenverkehrs nach sich – mit wenigen Klicks ist die Ware bestellt. Einer der Klicks ist die Annahme der gestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen. Wenn sie nicht akzeptiert werden, wird die Transaktion regelmäßig nicht fortgeführt. Damit erübrigen sich gleich zwei Fragen, die in Rechtsstreitigkeiten noch vor nicht allzu langer Zeit oft zu diskutieren waren. Zum einen die Frage, ob die allgemeinen Geschäfts­bedingungen an sich einbezogen worden sind. Spätestens, wenn die entsprechende Programmierung nachgewiesen werden kann (was regelmäßig der Fall sein dürfte) ist die Einbeziehung an sich nicht mehr streitig. Auch die zweite Frage, die oftmals diskutiert worden ist,  ob die AGB gestellt worden, also ohne Verhandlungsoption für den Vertragspartner vorgegeben worden sind, stellt sich bei einem im Internet vorgegebenen Vertragsangebot nicht, denn es gibt keine Alternativen zum zu setzenden Haken im Fenster, in dem die Einbeziehung der AGB akzeptiert wird.

AGB sind in technischer Hinsicht daher schon lange nicht mehr das Kleingedruckte auf der Rückseite eines Vertrags. Um beim digitalen Vertragsschluss die Anwendbarkeit der AGB-rechtlichen Regelungen auszuschließen, ist eine sehr hohe Kreativität notwendig. So ist im Einzelfall vorstellbar, dass man eine individualvertragliche Regelung nachweisen kann und in Folge dessen nicht vollständig in die engen Maschen des AGB-Rechts verstrickt wird.


Aufgrund ihrer Unabdingbarkeit wird die Beobachtung von AGB durch Gerichte wachsen

Die quasi automatisiert vorgegebene Anwendbarkeit der AGB-rechtlichen Regelungen bei einem im Internet geschlossenen Vertrag führen dazu, dass auch weiterhin mit einer ständigen Beschäftigung der Gerichte mit AGB-rechtlichen Fragestellungen zu rechnen ist. Zudem ist AGB-Recht nicht nur richterrechtlich getrieben, sondern auch ein typischer Schauplatz stets neuer europarechtlicher Vorgaben. Ausgehend vom strukturell vorgegebenen Ungleichgewicht beim Internet-Vertrag (die AGB werden, wie oben ausgeführt, regelmäßig gestellt) ist das nachvollziehbar und muss beachtet werden. Demnach macht eine kontinuierliche Überprüfung von AGB nicht nur Sinn, sondern ist auch notwendig.

Aber auch fernab von der reinen digitalen Umsetzung sind AGB nicht nur „das Kleingedruckte”, sondern in ständiger Rechtsprechung alle Klauseln, die vorgegeben und nur zur mehrfachen Verwendung vorgesehen sind. Maßgeblich ist also allein die Absicht des Verwenders, die Klausel noch einmal zu verwenden. Das bedeutet, dass der Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelungen und Wertungen für AGB recht weit ist und dass das im Grunde bei jeglicher Vertragsgestaltung im Auge zu behalten ist.


Händler sollten beachten, dass die Einschränkung der Gewährleistung auch beim Vertrieb gebrauchter Waren problematisch ist

Das Verschwimmen zwischen reinen AGB-Regelungen und „normalen” vertraglichen Regelungen ist anhand des Regierungsentwurfs eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge vom 16. Dezember 2020 gut zu erkennen. Der Entwurf sieht zum einen eine erneute Anpassung der AGB-Regelungen des § 308 BGB vor, regelt darüber hinaus aber auch direkt die Ansprüche beim Kauf gebrauchter Sachen: eine Begrenzung der Gewährleistung auf ein Jahr (aber auch nicht kürzer) ist zulässig. Im Zusammenspiel mit den Regelungen zur Gewährleistung ergibt sich ein über ein Jahr hinausgehendes Fenster bis die Verjährung eines eventuellen Anspruchs eintritt.

Explizit ist die Ferenschild-Entscheidung des EuGH als eines der Motive der Gesetzgebung benannt. In der Entscheidung hat der EUGH geurteilt, dass bei Verbrauchsgütern auch bei einer an sich zulässigen Begrenzung der Verjährung auf ein Jahr ein Verbraucher seine Rechte aus bestehender Gewährleistung mind. zwei Jahre ab Lieferung des der Gewährleistung unterliegenden Gutes geltend machen können muss. Aufgrund des Zusammenspiels verschiedener Normen im deutschen Recht hatte sich eine Unsicherheit ergeben, die durch den Regierungsentwurf beseitigt werden sollte.


Auch der Vertrieb von Dienstleistungen wird von AGB restriktiert

Ebenfalls soll in die Regelung von Dauerschuldverhältnissen eingegriffen werden. Unternehmer, die nicht Waren, sondern Dienstleistungen vertreiben, gewähren für längere Vertragslaufzeiten regelmäßig einen vergünstigten Bezug der Dienstleistung. Das an sich wird nicht beanstandet. Allerdings sieht der Entwurf vor, dass stillschweigende Verlängerungen zeitlichen Restriktionen – in Hinblick auf die Dauer – unterliegen sollen. Wird der Entwurf zum Gesetz, sind Verlängerungsklauseln, die um mehr als ein Jahr laufen, unwirksam, und Klauseln, die eine Verlängerung von drei Monaten bis zu einem Jahr Verlängerungszeit vorsehen, nur eingeschränkt zulässig.


Der Internet-Shop ist die Grundlage des Geschäfts des Händlers

Gerade wegen der immensen Bedeutung der Netzplattform muss bei der Einrichtung des Shops besondere Sorgfalt verwendet werden. Von vielen Anbietern werden vermeintlich fertige Shop-Lösungen angeboten und die Standardprobleme des Shops, wie die Verpflichtung, ein Impressum anzugeben, sind in den Angeboten regelmäßig enthalten. Das gilt allerdings nur in technischer Hinsicht – dem oben angeführten Anklicken der AGB, um im Bestellvorgang zum nächsten Schritt zu gelangen. In rechtlicher Hinsicht – also im Sinne der automatischen Auslieferung „fertiger” AGB – gilt das nicht. Denn abgesehen von eventueller Unzulässigkeit eines solchen Angebots aufgrund gesetzlicher Reglementierung macht es keinen Sinn, irgendwelche AGB zu übernehmen, die vielleicht für ein ganz anderes Waren- und Dienstleistungsangebot entworfen worden sind.

Eben weil der Internet-Shop die Plattform ist, auf der der Unternehmer teilweise sein gesamtes Geschäft abbildet, ist es wichtig, für eine verlässliche Grundlage zu sorgen. Das gilt insbesondere bei Massengeschäften, weil sich Fehler (in Form unwirksamer Klauseln) automatisiert durch alle Verträge hindurchziehen und in Summe zu immensen Schäden führen können. Der Schaden bei einer unwirksamen Klausel muss auch nicht nur in verlorenen Gerichtsprozessen liegen, sondern kann auch in administrativer Hinsicht bestehen – weil etwa eine Vielzahl von Verträgen neu abzuschließen oder zu modifizieren sind.


Fazit

AGB-Recht ist durch europarechtliche Vorgaben und ständig ergehende neue Rechtsprechung geprägt. Das bedeutet, dass Änderungen in besonderem Maße wahrscheinlich sind. Da viele Unternehmen ihr Geschäft auf ihre AGB abstellen, die im Grunde ihre einzige detaillierte Vertragsgrundlage sind, und das in besonderem Maße im Internet-Geschäft der Fall ist, wird das Gebiet auch in Zukunft erheblichen Modifizierungen unterliegen. Unabdingbar ist es insbesondere für solche Unternehmen, die ihre AGB einer regelmäßigen Prüfung unterziehen. Das ist im Grunde nichts anderes als das Update, das für den Internet-Shop auch zu beziehen ist.

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