Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Harmonisierung des Insolvenzrechts

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veröffentlicht am 9. Januar 2023 | Lesedauer ca. 6 Minuten

 

Haben wir uns doch gerade erst an die neuen Regelungen des StaRUG gewöhnt, das am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist und die EU-Restrukturierungsrichtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen in deutsches Recht umgesetzt hat, schon liegt der nächste Richtlinienvorschlag auf dem Tisch. Die EU-Kommission hat am 7. Dezem­ber 2022 einen Richtlinienvorschlag veröffentlicht. Der zielt darauf ab bestimmte Aspek­te der mitgliedsstaatlichen Insolvenzvorschriften zu harmonisieren, Mindest­stan­dards sicherzustellen und so grenzüberschreitende Investitionen zu erleichtern. Was bedeutet das für die deutsche Insolvenzordnung – soll alles auf den Kopf gestellt werden oder bleibt doch wieder alles beim Alten? Der Richtlinienvorschlag lässt erahnen, dass – sollte die Richtlinie so in Kraft treten – dies im grenzüberschreitenden Bezug erhebliche Auswirkungen haben kann, im deutschen Insolvenzrecht sich aber vermutlich gar nicht so viel ändern wird. 

 

     
Die Harmonisierung des Insolvenzrechts ist Teil des Aktionsplans zur Förderung der EU-Kapitalmarktunion und soll nach und nach umgesetzt werden. Ziel des Richtlinienvorschlags ist es, dass einheitliche Regelungen in den Mitgliedsstaaten implementiert werden. Dies soll gewährleisten, dass die Gläubiger den größtmöglichen Wert aus der Insolvenzmasse ziehen können, für eine effiziente Abwicklung gesorgt wird und die Interessen der Gläubiger geschützt und vertreten werden. Die wichtigsten Regelungen, die sich in der derzeitigen Fassung des Entwurfes auf die Regelungen des deutschen Insolvenzrechts und Sachverhalten mit Bezug zum deutschen Insolvenzrecht auswirken könnten, sollen daher nachfolgend kurz dargestellt werden.
 
 

1. Zugang zu Vermögensregistern

Um das Ziel einer effizienten Verfahrensabwicklung und der Maximierung der Insolvenzmasse zu gewähr­leis­ten, sieht der Richtlinienvorschlag vor, dass der Zugang zu Vermögensregistern im grenzüberschreitenden Kontext verbessert werden soll. So sollen die Mitgliedsstaaten gewährleisten, dass die Insolvenzgerichte Zugang zu allen im Rahmen der Umsetzung der Geldwäscherichtlinien implementierten Registern der anderen Mitgliedsstaaten erhalten (Art. 13 ff). Den Insolvenzverwaltern soll es beispielweise möglich sein über die Insolvenzgerichte Zugang zu den jeweiligen zentralen Bankkontenregistern der Mitgliedsstaaten zu erhalten. Weiterhin soll gewährleistet werden, dass die bestellten Insolvenzverwalter direkte Einsichtsrechte in die jeweiligen Transparenzregister und nationale Vermögensregister bekommen, sofern diese Hinweise auf Vermögenswerte der Insolvenzmasse in anderen Mitgliedsstaaten haben (Art. 17f). 
 

2. Insolvenzanfechtung

Die Art. 6 ff des Richtlinienvorschlags sehen eine Harmonisierung der Vorschriften über die Insolvenz­an­fech­tung vor. Vergleicht man die Insolvenzanfechtungstatbestände wie sie der Richtlinienvorschlag vorsieht mit den Regelungen des deutschen Insolvenzanfechtungsrechts in den §§ 129 InsO so stellt man fest, dass die deut­schen Regelungen bereits weitgehend den Vorgaben des Richtlinienvorschlags entsprechen. Abweichungen finden sich eher weniger, beispielsweise in Art. 7 des Richtlinienvorschlags, welcher für die Schenkungs­an­fech­tung in Abweichung zu den nationalen deutschen Regelungen in § 134 InsO einen anfechtungsrelevanten Zeitraum von einem anstatt von vier Jahren vorsieht. Die Regelungen der Richtlinie bezwecken aber den Schutz der Insolvenzmasse und der Möglichkeit der Rückforderung von Vermögenswerten. Daher sind die Zeiträume als Mindestzeiträume anzusehen, so dass davon auszugehen ist, dass auch hier keine Anpassung der nationalen Regelung erforderlich sein wird. 
 
Sollte die Richtlinie so verabschiedet werden, so ist im Rahmen der Umsetzung dieser Richtlinie für die nationalen Regelungen der deutschen Insolvenzordnung wohl eher weniger mit Änderungen zu rechnen. 
 
Aufgrund der Regelung des Art. 9 wird allerdings der Gesetzgeber der anderen Mitgliedsstaaten gefragt sein. Die Umsetzung wird dann auch für uns bei Sachverhalten mit internationalem Bezug interessant. Art. 9 (3) sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten sicherstellen sollen, dass die Insolvenzanfechtungsansprüche drei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verjähren. Da wie bereits zuvor erwähnt der Zweck der Regelung der Schutz der Insolvenzmasse sein soll ist davon auszugehen, dass im Rahmen der Umsetzung ein längerer Zeitraum problemlos sein dürfte (so ist mit keiner Anpassung der Regelung im deutschen Insolvenzrecht zu rechnen, wonach gemäß § 146 InsO i.V.m. §§ 195, 199 BGB die dreijährige Verjährungsfrist erst mit dem Schluss des Jahres der Insolvenzeröffnung beginnt), eine kürzere Frist wohl eher nicht. In fast allen anderen Mitglieds­staaten sehen die jeweiligen gesetzlichen Regelungen weitaus kürzere Ausschlussfristen oder Verjäh­rungs­fristen vor. Hier wird es daher zu umfassenden Änderungen kommen müssen. Dies wird auch im Rahmen grenzüberschreitender Sachverhalte und der Geltendmachung von Insolvenzanfechtungsansprüchen in Bezug auf internationale Rechtsgeschäfte für uns relevant werden. Gemäß der Rechtsprechung des BGH ist Art. 16 EuInsVO dahin auszulegen ist, dass diese Regelung auch die Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausschlussfristen erfasst, die nach dem Recht vorgesehen sind, das für die vom Insolvenzverwalter angefochtene Rechts­hand­lung gilt. Etwaige kürzere Ausschlussfristen und Verjährungsfristen nach dem Recht der angefochtenen Rechtshandlung können daher der Insolvenzanfechtung des deutschen Insolvenzverwalters entgegengehalten werden. Dies war bislang im internationalen Kontext ein oft übersehenes Problem bzw. aus Sicht des Anfechtungsgegners die Herbeiführung einer zeitlichen Verzögerung ein geschickter Schachzug, da internationale Vorschriften nicht beachtet und so Insolvenzanfechtungsansprüche zu spät geltend gemacht wurden.
 

3. Pre-Pack Verfahren

Spätestens seit den Urteilen des EuGHs zum Übergang von Arbeitsverhältnissen an einen Übernehmer im Rahmen eines niederländischen „Pre-Pack-Verfahrens“ ist Pre-Pack zumindest ein greifbarer Begriff. Ein solches Pre-Pack Verfahren wurde zwischenzeitlich bereits auch schon in anderen Mitgliedsstaaten, bei­spiels­weise Frankreich und Spanien implementiert. Ein Pre-Pack Verfahren ermöglicht es den Verkauf eines Unter­nehmens bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einem Dritten zu verhandeln und die Übernahme verbindlich vorzubereiten, so dass diese in einem verkürzten Verfahren unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens umgesetzt werden kann. Angelehnt an die bereits implementierten Regelungen sieht der Richtlinienvorschlag nun ein solches Verfahren für alle Mitgliedsstaaten vor. Dieses Verfahren soll die Vor­be­rei­tung und die Aushandlung des Verkaufs des Unternehmens ermöglichen, bevor das Insolvenzverfahren förmlich eröffnet wird. So sehen die Art. 19 ff des Richtlinienvorschlags zwei Phasen vor. Die „preparation phase“, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfindet und durch einen „Monitor“ überwacht und begleitet wird, welcher später dann auch zum Insolvenzverwalter bestellt werden soll. Es soll ein Bieterprozess eingeleitet werden und ein Käufer gefunden werden, dessen Angebot die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger sicherstellt. Weiterhin soll es auch möglich sein in dieser Phase einen Vollstreckungsschutz zu beantragen. Daran schließt sich die zweite Phase, die „liquidation phase“ an, in welcher nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Verkauf und die Übernahme der Vermögenswerte genehmigt und umgesetzt werden soll und die restliche Verfahrensabwicklung und Erlösverteilung stattfindet. 
 
Liest man sich die Regelungen in dem Richtlinienentwurf unvoreingenommen durch und löst sich von den Begrifflichkeiten, so lässt sich in den geplanten Abläufen die bereits in deutschen Insolvenzverfahren gelebte Praxis im vorläufigen Insolvenzverfahren erkennen. Auch hier wird bereits nach Antragsstellung in der Regel ein professioneller M&A-Prozess aufgesetzt und im Erfolgsfalle bereits das Vertragswerk ausverhandelt und die Übertragung vorbereitet, so dass am Tag der Insolvenzeröffnung der Verkauf umgesetzt und die entsprechende Zustimmung der Gläubigerversammlung/des Gläubigerausschusses eingeholt werden kann. Daher lässt der Richtlinienentwurf erwarten, dass sich die Richtlinie bei der Umsetzung wohl eher nur insoweit auswirken wird, als dass die gelebte Praxis nun auch gesetzlich geregelt wird. Im Hinblick auf die Ausgestaltung der Vermö­gensübertragung bspw. die Übernahme der Verbindlichkeiten und der Verträge bleibt abzuwarten, ob es bei den vorgeschlagenen Regelungen bleibt und wie diese letztlich in der deutschen Insolvenzordnung umgesetzt werden.
 

4. Insolvenzantragspflichten

Die Geschäftsführung soll verpflichtet werden innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis oder Kennenmüssen des Insolvenzgrundes einen Insolvenzantrag zu stellen. Diese Regelung in Art. 36 des Richtlinienvorschlags soll die Unternehmensleitung dazu veranlassen, so schnell wie möglich einen Insolvenzantrag zu stellen. Nach der Regelung in der deutschen Insolvenzordnung ist die Geschäftsführung bereits verpflichtet innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§17 InsO) und innerhalb von sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung (§19 InsO) einen Insolvenzantrag zu stellen. Damit sind die Erwartungen der EU-Kommission an die Mitgliedsstaaten in Deutschland bereits übererfüllt, so dass mit einer Anpassung im deutschen Insolvenzrecht hier nicht zu rechnen ist. 
 

5. Verereinfachtes Verfahren für Kleinstunternehmen

Der Richtlinienvorschlag stellt ein vereinfachtes Verfahren für Kleinstunternehmen bereit. Die Art. 38 ff sollen es Kleinstunternehmen ermöglichen geordnet rasch und kostenwirksam abgewickelt zu werden, selbst wenn sie nicht über Vermögenswerte verfügen. Hier wird ein gesondertes Verfahren vorgesehen mit reduzierten Formalitäten, der Verwertung von Vermögenswerten über öffentliche Auktionen und der Bestellung eines Insolvenzverwalters nur in Ausnahmefällen. Hintergrund dieses Verfahrens ist, dass kleine Unternehmen, die nicht die Möglichkeit einer geordneten Liquidation haben und die Kosten des Insolvenzverfahrens nicht tragen können, keine Möglichkeit haben sich von ihren Schulden zu befreien. Da diese Möglichkeit aber nach deutschem Recht bereits gegeben ist braucht es eine Implementierung eines solchen gesonderten Verfahrens wohl eher nicht. 
 

6. Gläubigerausschuss

Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten sicherstellen sollen, dass die Vertretung der Gläubigerinteressen durch einen Gläubigerausschuss möglich ist. Da das Institut des Gläubigerausschusses im deutschen Insolvenzrecht bereits angelegt und in der Praxis auch etabliert ist wird die Richtlinie auch in dieser Hinsicht kaum Änderungen in der deutschen Insolvenzordnung herbeiführen. 
 

7. Ausblick

Es bleibt abzuwarten mit welchem Inhalt die Richtlinie tatsächlich verabschiedet wird. Sodann ist zunächst der deutsche Gesetzgeber gefragt diese in nationales Recht umzusetzen. Mit einer Änderung der deutschen Insolvenzordnung ist daher zunächst erstmal nicht zeitnah zu rechnen. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass die Richtlinie mit dem derzeitigen Wortlaut verabschiedet wird, so sind die zu erwarteten Änderungen im Rahmen der Umsetzung wie zuvor dargestellt eher gering. In den anderen Mitgliedsstaaten wird dies aber anders zu sehen sein, so dass diese Richtline auch für deutsche Insolvenzverfahren mit internationalem Bezug relevant sein wird. 
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