CO2 Emissionshandel: Vergleich europäischer und nationaler Regelungen

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​veröffentlicht am 05. Mai 2020

 

Bereits im Jahr 2005 wurde der Europäische Emissionshandel (EU ETS) eingeführt und fungiert seitdem als zentrales europäisches Klimaschutzinstrument durch die Bepreisung der CO2-Emissionen. In Deutschland wurde der Europäische Emissionshandel im Treibhaus Emissionshandelsgesetz (TEHG) umgesetzt. Zusätzlich setzt Deutschland ab dem Jahr 2021 auf eine eigene, ergänzende Version zur Steuerung der CO2-Emissionen. Im Dezember 2019 wurde das Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) beschlossen, welches ab 2021 in Kraft treten wird. Hierbei verfolgen die europäische und nationale Variante das gemeinsame Ziel der Vermeidung von CO2-Emissionen. Die Wege zur Erreichung des Ziels basieren jedoch bei beiden Varianten auf unterschiedlichen Regulierungsansätzen und Zielgruppen, welche im Folgenden kurz beschrieben werden. Abbildung 1 zeigt das quantitative Ziel der CO2-Emissiosreduzierung für Wirtschaftssektoren in Deutschland die nicht am EU-ETS teilnehmen. Die Daten basieren auf den Vorgaben der Effort-Sharing-Regulation (ESR) der Europäischen Kommission von 2018.

 

Abbildung 1: CO2-Reduzierungspfad nach EU Effort-Sharing-Regulation (ESR) für Wirtschaftssektoren in Deutschland die nicht am EU

Abbildung 1: CO2-Reduzierungspfad nach EU Effort-Sharing-Regulation (ESR) für Wirtschaftssektoren in Deutschland die nicht am EU-ETS teilnehmen

 

Europäischer Emissionshandel

Der europäische Emissionshandel ist in der Folge des Klimaschutzabkommens von Kyoto im Jahr 2005 eingeführt worden. Rechtliche Basis stellt die im Jahr 2003 erlassene Emissionshandelsrichtlinie (Richtlinie 2003/87/EG) dar. Der Emissionshandel wurde durch das TEHG in Deutschland umgesetzt. In der ursprünglichen Fassung trat das TEHG in bereits im Jahr 2004 in Kraft und wurde im Jahr 2011 novelliert.


Das Grundprinzip des EU ETS funktioniert durch einen mit CO2-Zertifikaten geschaffenen Markt. Die Zertifikate werden hierfür von einer zentralen Stelle an die betroffenen Unternehmen verteilt, welche anschließend mit den Zertifikaten frei handeln können. Das Ziel ist es, dass die Unternehmen durch die zusätzlichen Kosten einen Anreiz erhalten ihren Ausstoß zu reduzieren. Damit diese Steuerung erfolgreich ist, verringert sich die Anzahl der zur Verfügung gestellten Zertifikate (Cap) jährlich um den linearen Reduktionsfaktor (LRF). Dies soll zur Folge haben, dass die Zertifikate durch die Verknappung teurer werden und die Unternehmen aktive Schritte zur Emissionsreduzierung einleiten. Ein Überschuss an Zertifikaten führte in der zweiten und dritten Handelsperiode allerdings zu einem Preisverfall der Zertifikate. Als Lösung wurde in den Jahren 2014, 2015 und 2016 die Versteigerung von 900 Millionen Emissionsberechtigungen zurückgehalten. Zusätzlich wurde zu Beginn des Jahres 2019 eine Marktstabilitätsreserve eingeführt, womit etwaige Überschüsse reduziert werden können und die EU flexibel auf Nachfrageveränderungen reagieren kann. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Preise für die Zertifikate am Beispiel der Carbon Futures 2021 seit dem Jahr 2017.

 

Abbildung 2 CO2 Zertifikatspreise 2017 - 2020 (EEX 4. Periode Carbon Futures 2021) 

 Abbildung 2 CO2 Zertifikatspreise 2017 - 2020 (EEX 4. Periode Carbon Futures 2021)

 

Vom europäischen Emissionshandel sind alle Unternehmen mit Großfeuerungsanlagen mit einer Leistung von mehr als 20 MW oder Produktionsanlagen energieintensiver Wirtschaftszweige betroffen.

 
Ausnahmen werden aufgrund der potenziellen Auslagerung von energieintensiven Prozessen (Carbon Leakage) erteilt. Hierbei handelt es sich um Branchen und Unternehmen die sensibel auf eine Bepreisung der CO2-Emissionen reagieren und aufgrund der steigenden Kosten die Produktion in Länder mit geringeren Emissionsauflagen verlagern könnten. Die betroffenen Branchen werden entsprechend mit einer erhöhten Anzahl von kostenlosen Zertifikaten ausgestattet. Die Zuteilungsquote der kostenlosen Zertifikate im Zeitverlauf ist in Abbildung 3 dargestellt. Die Fernwärmebranche fällt ebenfalls unter die Regelungen des „Carbon Leakage” und erhält kostenlose Zertifikate. Seit 2020 und bis mindestens 2027 beträgt die kostenlose Zuteilungsquote 30 Prozent.

 

 

Beispielhafte Abschmelzung der kostenlos zugeteilten CO2-Zertifikate eines hypothetischen Wärmeversorgungsunternehmen

Abbildung 3 Beispielhafte Abschmelzung der kostenlos zugeteilten CO2-Zertifikate eines hypothetischen Wärmeversorgungsunternehmen

 

Nationale CO2 Abgabe

Der nationale Weg zur Steuerung der Emissionen trat mit der Verabschiedung des Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) am 20.12.2019 in Kraft.


Darin wurden die Mechanismen für das zukünftige nationale Emissionshandelssystem (nEHS) geschaffen. Werden die vom BEHG erfassten Brennstoffe in den Verkehr gebracht, müssen hierfür Emissionszertifikate erworben werden, weshalb die in der Öffentlichkeit geläufige Bezeichnung der CO2-Steuer nicht korrekt ist. Es handelt sich tatsächlich um Beschaffungskosten für Emissionsberechtigungen, deren Preis in der Einheit Euro/Tonne [€/t] bis zum 31.12.2025 festgelegt sind. Das Gesetz sieht vor, dass der Einstiegspreis von 10 €/t in 2021 jährlich zunächst um 5 €/t und anschließend um 10 €/t bis auf 60 €/t in 2025 gesteigert wird.

 

Ab 2026 setzt das nEHS ein und die Zertifikate können frei gehandelt werden, jedoch zu einem Maximalpreis von 60 Euro. Kurz nach diesem Beschluss wurde im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern eine Veränderung des CO2 Preiskorridors beschlossen. Der Kompromiss sieht vor, dass der Einstiegspreis von 25 €/t in 2021 jährlich zunächst um 5 €/t und anschließend um 10 €/t bis auf 55 €/t (maximal 65 €/t) in 2025 gesteigert wird. Zu Beginn des nEHS wird ein fester Preiskorridor mit einem Mindest- und Maximalpreis festgelegt. Das Versteigerungsverfahren wird anschließend bis zum Jahr 2030 durchgeführt. Die Preisstufen des BEHG sind in Abbildung 4 abgebildet.

 

 Abbildung 4 Preisstufen je Tonne CO2 gem. Bund/Länder-Kompromiss

Abbildung 4 Preisstufen je Tonne CO2 gem. Bund/Länder-Kompromiss

 

Die genaue Festlegung der Festpreise bis 2025 und eine Rechtsverordnung zur Umsetzung des nationalen Berechtigungshandelssystem werden in einer zukünftigen Gesetzesänderung erwartet.
Ein Ziel des Systems ist die Bepreisung der Emissionen, welche nicht von der EU ETS erfasst werden. Um eine Doppelbelastung für die von der EU ETS erfassten Anlagen zu vermeiden, sollen diese von der neuen CO2-Abgabe ausgenommen sein.

 

Wesentliche Unterschiede

Die Systeme weisen einige Unterschiede in ihrer Funktionsweise und dem Vorgang der Regulierung auf.

 

​BEHG ​EU ETS
​Zielgruppe
        • ​Alle Anlagen die Treibhausgase ausstoßen
  • ​Feuerungsanlagen mit >20 MW Leistung und Produktionsanlagen energie-intensiver Branchen
​Anzahl der Zertifikate
  • ​Unbegrenzt
  • ​Begrenzt (1,8 Milliarden für  2021)
​Ausnahmen
  • ​Bereits von EU ETS betroffene Anlagen
  • In Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkte Unternehmen
  • ​Zertifikatspreissensible Branchen (Carbon Leakage)
​Zeitpunkt der Fälligkeit
  • ​Bei Brennstoffbezug
  • ​Bei Brennstoffeinsatz / Ausstoß Treibhausgas

 

Die wesentlichen Unterschiede der Systeme sind, dass beim EU ETS eine bestimmte Anzahl an Zertifikaten ausgegeben und diese gleichmäßig auf Unternehmen verteilt werden. Hierdurch entsteht ein Markt, auf welchem sich die Preise der Zertifikate bilden. Bei der nationalen CO2-Abgabe ist der Preis für die ersten Jahre gesetzlich festgelegt und erst ab 2026 findet die Versteigerung der Zertifikate auf einem freien Markt statt (zunächst mit Preiskorridor). Zusätzlich gibt es keine komplette Befreiung von der CO2-Abgabe wie bspw. die Ausnahmen aufgrund von „Carbon Leakage”. Beim BEHG können Unternehmen, die in ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch die CO2-Kosten eingeschränkt sind, ab 2022 staatliche Unterstützung für Investitionen in klimafreundliche Technologien erhalten, um ihre Emissionen zu senken. Zusätzlich wird es bei unzumutbaren Härten eine Kompensation für die betroffenen Unternehmen geben.


Der Bedarf an Zertifikaten wird beim EU ETS von zentraler Stelle ermittelt und anschließend an die Marktteilnehmer ausgegeben. Beim nEHS müssen die Marktteilnehmer die benötigten Zertifikate in der Anfangsphase, bis 2025, zu einem Festpreis erwerben und in der zweiten Phase ab 2026 ersteigern. Das bedeutet, dass es keine maximale Menge an verfügbaren Zertifikaten gibt.


Ein weiterer wichtiger Unterschied der Systeme stellt der Zeitpunkte der Zertifikatsfälligkeit dar. Beim EU ETS wird das eigentliche Emittieren von CO2 geregelt und ist somit an die konkrete Verschmutzung geknüpft. Auf Seiten des nEHS muss bereits zum Zeitpunkt des bloßen Inverkehrbringens der fossilen Brennstoffe ein Zertifikat erworben werden. Das bedeutet, dass hierbei die potenzielle Verschmutzung ausschlaggebend ist.


Zusätzlich gibt es in beiden Systemen unterschiedliche Zielgruppen. Das EU ETS erfasst ausschließlich Verursacher großer Emissionsmengen, während beim nEHS grundsätzlich jeder Verursacher von CO2-Emissionen erfasst wird. Ziele in diesem Kontext sind für Deutschland insbesondere die Bereiche Wärme und Verkehr, da hier trotz hohem Anteil am Emissionsvorkommen erst eine geringe Effizienzsteigerung erreicht wurde und hohe Einsparpotenziale vorhanden sind. Speziell für die Energiewirtschaft bedeutet dies, dass in Zukunft Einzelfeuerungsanlagen stark betroffen sein werden.

 

Auswirkung auf Fernwärmeversorger

Ausgenommen von der CO2-Abgabe sind jene Erzeugungsanlagen, die bereits vom TEHG erfasst sind. Im Umkehrschluss schließen die CO2-Kosten also alle Anlagen ein, die weniger als 20 MW Gesamtfeuerungsleistung besitzen. Momentan beläuft sich die Anzahl der, von dem nEHS, betroffenen industriellen Kraft- und Heizkraftwerke auf mindestens 17.000 Anlagen deutschlandweit. Betroffen von den neuen CO2-Kosten nach BEHG sind sowohl KWK-Anlagen, kleinere BHKWs als auch Heizwerke. Bei einer beispielhaften Erdgas-KWK-Anlage mit einer Leistung von 4,8 MW thermisch und elektrisch, 4.718 Volllaststunden und Erdgasgaskosten von rund 20 €/MWhHu Brennstoffkosten ist es möglich, dass die CO2-Kosten im Jahr 2025 über 30 Prozent der Betriebskosten ausmachen.

 

Abbildung 5 Kostenstruktur eines Erdgas BHKWs mit CO2-Bepreisung

Abbildung 5 Kostenstruktur eines Erdgas BHKWs mit CO2-Bepreisung

 

Darüber hinaus fallen jedoch besonders auch für Redundanzerzeuger zukünftig zusätzliche Kosten an. Dies ist der Fall, da bereits zum Bezug und nicht erst nach Verbrauch die CO2-Abgabe fällig wird. Die Höhe der Kosten hängt stark von den verwendeten Brennstoffen und deren Menge ab.

 

Damit sind alle Fernwärmeversorger mit Feuerungsanlagen unter 20 MW in Zukunft vom nEHS betroffen. Unsere Analysen zeigen, dass insbesondere auf kleinere und mittelgroße Versorger und Contractoren erhebliche Mehrkosten zukommen, da hier oft eine Kombination aus mehreren kleineren Feuerungsanlagen zum Einsatz kommt. Für eine Weitergabe der Kosten an die Fernwärmekunden muss ein Vorgehen erarbeitet werden, wie diese in die Fernwärmepreise integriert werden können.

 

Fazit

Das neue Emissionshandelssystem der deutschen Bundesregierung soll ein Ergänzung zum bereits bestehenden System der EU darstellen. Das System soll durch eine durchgehende Bepreisung des CO2-Ausstoßes Anreize zur Emissionsreduktion in den Sektoren Wärme, Gebäuden und Verkehr schaffen. Hierbei wird es jedoch auch einige Zeit in Anspruch nehmen bis sich die Betroffenen auf die neue Herausforderung eingestellt haben und bis sich abzeichnet, welche Kosten genau auf die Versorger zukommen und wie sie damit umgehen. Aufgrund dessen sollten sich die Betreiber von betroffenen Anlagen bereits jetzt auf die Umstellung vorbereiten und entsprechende Maßnahmen ergreifen.


Eine genauere Betrachtung der Kosten und ob diese an die Fernwärmekunden weitergegeben werden können, finden Sie im kürzlich erschienenen Kompassartikel: „Die neue CO2-Steuer – Was auf Fernwärmeversorger zukommt”.

 

Haben Sie noch offene Fragen zu diesem Thema? Unsere Experten helfen Ihnen gerne weiter!

 

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