CO2-Preis für Abwärme aus der Reststoffverwertung durch Europäisches Parlament beschlossen– Was bedeutet das für die Fernwärme?

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​veröffentlicht am 3. August 2022

 

Mit zunehmend ambitionierteren Zielen für den Zeitplan hin zur Treibhausgasneutralität entwickelt sich auch die nationale und europäische Gesetzgebung weiter. Mit Annahme der Änderungen am Europäischen Emissionshandel durch das Europäische Parlament am 22.06.2022 wurde beschlossen, den Europäischen Emissionshandel auf die Sektoren Gebäude und Verkehr auszuweiten. Ebenso gibt es Veränderungen an der freien Zuteilung von Zertifikaten. Die Ausnahme der thermischen Verwertung von Siedlungsabfällen vom Emissionshandel soll ab 2026 entfallen.

 

Auch auf nationaler Ebene in Deutschland stehen Veränderungen an, welche für Versorger mit thermischer Abfallbehandlung von Interesse sind: Zukünftig sollen auch die durch Müllverbrennung entstehenden Emissionen in den Anwendungsbereich des nationalen Emissionshandels (nEHS) fallen. Dieser Artikel befasst sich zunächst mit den geplanten Anpassungen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) mit Fokus auf die Wärmewirtschaft. Im Anschluss beleuchten wir die auf europäischer Ebene beschlossenen und durch den Europäischen Rat zu bestätigenden Änderungen am EU-ETS.

 

Hintergründe zum Emissionshandel in Deutschland


In Deutschland sind für unterschiedliche Arten von Anlagen und Tätigkeiten verschiedene Emissionshandelssysteme anwendbar. Für die in Anhang I der Emissionshandelsrichtlinie der Europäischen Union (2003/87/EG) erfassten Anlagen, gelten derzeit die Regelungen der 4. Handelsperiode (wir berichteten).

 

Um neben Industrie- und Großfeuerungsanlagen auch in den Bereichen Mobilität und Gebäude eine Anreizwirkung zu schaffen, wurde im Dezember 2019 das Brennstoffemissionshandelsgesetz verabschiedet. Eine Gegenüberstellung der beiden Systeme finden Sie hier.

 

Referentenentwurf mit Änderungsvorschlägen für das BEHG


Seit Anfang 2021 müssen die Inverkehrbringer fossiler Brennstoffe (u. a. Benzin, Heizöl und Erdgas) Emissionskosten nach dem BEHG abführen. Bisher war die thermische Abfallbehandlung aus dem BEHG ausgenommen. Doch dies soll sich ab dem 01.01.2023 ändern: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) stellte am 25.05.2022 einen Referentenentwurf vor1, welcher den Anwendungsbereich des BEHG auf weitere Brennstoffe ausweitet. Hierbei entfällt insbesondere die bisherige Regelung, nach der ein energiesteuerrechtlicher Anknüpfungstatbestand für die Anwendung des BEHG maßgeblich ist, da sich dies auf die Brennstoffe Kohle und Abfälle nur eingeschränkt übertragen lässt. Somit soll auch die Verbrennung von Siedlungsabfällen zukünftig explizit vom nationalen Emissionshandel erfasst werden. Dies soll dazu beitragen, die im Jahr 2020 ausgestoßenen neun Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent im Abfallsektor2 weiter zu senken.

 

Anlagen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung über 20 MW fallen weiterhin in den Anwendungsbereich des EU-ETS und sind daher von der nationalen Emissionshandelspflicht zunächst weiterhin explizit ausgenommen. Dies wird bei Inkrafttreten der geplanten Änderungen auf europäischer Ebene jedoch nicht von Dauer sein.

 

Beschluss des Europäischen Parlaments zu Änderungen des EU-ETS


Das Europäische Parlament verabschiedete am 22.06.2022 eine weitreichende Überarbeitung des Europäischen Emissionshandelssystems. Hierbei wurden Regelungen getroffen, welche ein separates Emissionshandelssystem („ETS II“) für den Gebäudesektor und Straßenverkehr einführen, welches zum 01.01.2029 in Kraft treten soll.

 

Darüber hinaus wurde ein neuer Pfad des für die Absenkung der Gesamt-Zertifikatmenge (Cap) relevanten linearen Reduktionsfaktors (LRF) beschlossen. Dieser soll auf 4,4 % p. a. für 2024 und 2025 angehoben werden, ab 2026 soll eine Reduktion von 4,5 % p. a., ab 2029 eine Reduktion von 4,6% p. a. gelten. Dies und die pauschale Senkung des Cap sollen durch Verknappung der Zertifikate zu steigenden Preisen für Zertifikate und damit zu einem größeren Anreiz zur Einsparung von Emissionen führen. Außerdem wird ab 2025 ein Bonus-Malus-System eingeführt. Die effizientesten Anlagen erhalten durch dieses System zusätzliche kostenlose Zertifikate, während die Zuteilung für die übrigen Anlagenbetreiber entsprechend reduziert wird.

 

Die bisher in Anhang I der Emissionshandelsrichtlinie verankerte Ausnahme von Anlagen für die Verbrennung von Siedlungsabfällen von der Teilnahme am EU-ETS soll nach dem Entwurf ab dem 01.01.2026 aufgehoben werden. Für jede durch Müllverbrennung emittierte Tonne CO₂ wird ab diesem Zeitpunkt folglich ein Zertifikat eingelöst werden müssen. Für in ein Fernwärmenetz exportierte Wärme aus EU-ETS-Anlagen wird allerdings ein Teil der Zertifikate bis einschließlich 2032 nach den bestehenden Regelungen der Zuteilungsverordnung (2019/331/EU) kostenlos zugeteilt. Die freie Zuteilung nimmt jedoch im Einklang mit dem Cap ebenfalls ab, welches gemäß dem vorliegenden Beschluss schneller sinken soll als bisher. Ab dem Jahr 2026 werden also zusätzliche finanzielle Belastungen bei der Nutzung dieser Energie für Fernwärmeversorger anfallen.

 

Handlungsbedarf für die Wärmewirtschaft


Die Veränderungen des Cap und des Reduktionsfaktors können für Fernwärmeversorger unter Umständen deutlichen zu Kostensteigerungen führen, da die durch sie zu beschaffende Menge an Zertifikaten zunimmt. Versorger, welche in ihren Fernwärmepreissystemen nicht explizit auf den linearen Reduktionsfaktor verweisen, können ihre gestiegenen Kosten nicht in gleichem Maße durch ihr Preissystem weitergeben.

Die weiteren Entscheidungen müssen im Auge behalten werden. Spätestens, sobald die sich jetzt sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene abzeichnende Beschlusslage umgesetzt ist, muss diese im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsplanung berücksichtigt werden. Die entsprechenden vertraglichen Vorkehrungen hierzu sollten ebenfalls bereits getroffen werden.

 

Die durch die Aufnahme in den Emissionshandel für Anlagenbetreiber entstehenden, zusätzlichen Kosten können für den allgemeinen Fall nur grob überschlagen werden. Die tatsächliche Belastung hängt stark von der Anlage und der Art und Beschaffenheit des eingesetzten Abfalls ab.

 

Als erster Anhaltspunkt für die Abschätzung der Kostenbelastung können Literaturwerte zum Emissionsfaktor dienen. So ist einer Antwort der Bundesregierung3 bezüglich der Berichterstattung zu Emissionen aus Hausmüll bzw. Siedlungsabfällen z. B. ein Emissionsfaktor von ca. 330 kgCO₂/MWh zu entnehmen. Der Emissionsfaktor für Erdgas beträgt zum Vergleich 201 kgCO₂/MWh, für Braunkohle wird eine Spanne von 383 bis 399 kgCO₂/MWh genannt4. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht, dass eine Bepreisung des CO₂-Ausstoßes der Müllverbrennung für Versorger zu einem bedeutenden Kostenfaktor werden könnte.

 

Für den Emissionshandel relevant ist schließlich der fossile CO₂-Anteil der Emissionen, welcher abhängig von der tatsächlichen Zusammensetzung des in der jeweiligen Anlage eingesetzten Abfalls ist. Studienergebnisse geben als Anhaltswert bei Müllverbrennungsanlagen eine Spanne von 0,45 bis 0,65 kgCO₂, fossil/kgAbfall an, der kostenpflichtige, fossile Emissionsfaktor läge folglich in einer Spanne von ca. 147 bis 215 kgCO2/MWh. Anlagen- und brennstoffabhängig kann der Emissionsfaktor jedoch sowohl darunter als auch darüber liegen.

 

In der Zeitspanne von 2023 bis 2025, in welcher die Verbrennung von Siedlungsabfällen lediglich im nEHS berücksichtigt wird, erfahren die dafür vorgesehenen Anlagen gegenüber denjenigen, die durch das EU-ETS erst ab 2026 betroffen sind, einen Wettbewerbsnachteil.

 

Ausblick


Eine Aufnahme der Verbrennung von Siedlungsabfällen in den Emissionshandel führt zu zusätzlichen Kosten. Daher gilt es für Versorger, welche einen Teil ihrer Wärme aus der thermischen Abfallbehandlung beziehen, ab sofort ihre Preissysteme und ggf. bereits bestehende Emissionspreise zu prüfen. Auch beim Neuabschluss von Fernwärmeverträgen sollten Vorkehrungen getroffen werden, welche die sich abzeichnenden Beschlüsse bereits berücksichtigen.

 

Quellen:

1 BMWK 2022, Referentenentwurf (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes)

2 BMUV 2021, Klimaschutz in Zahlen

3 Bundesregierung 2020, Drucksache 19/18606 Rolle der Abfallverbrennung für Kreislaufwirtschaft und Umweltschutz in Deutschland

4 Umweltbundesamt 2016, CO2-Emissionsfaktoren für fossile Brennstoffe

5 BMUV 2022, Auswirkungen des nationalen Brennstoffemissionshandels auf die Abfallwirtschaft

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