Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand – §2b UStG

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Aktualisiert 02.10.2019

 

Finanzverwaltung und Gesetzgeber sind tätig geworden, um die Umsatzbesteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts („jPdöR”) den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und des Europäischen Gemeinschaftsrechts anzugleichen. Die Neuregelung des § 2b Umsatzsteuergesetz („UStG“) ist bereits seit dem 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Durch umfassende Übergangsregelungen kann die Anwendung bis zum 01.01.2021 hinausgezogen werden. Eine Beschränkung auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen war nicht zulässig. Die damalige Erklärung kann mit Wirkung vom Beginn eines auf die Abgabe folgenden Kalenderjahres widerrufen werden.
 

1. Umsetzung der Rechtsprechung 

Bei Anwendung der Übergangsregelung sind jPdöR gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (BgA) i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 Körperschaftsteuergesetz („KStG“) sowie ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig. Durch diese Bindung an den körperschaftsteuerlichen Begriff des Betriebs gewerblicher Art unterliegt insbesondere die vermögensverwaltende Tätigkeit der öffentlichen Hand, die nach Körperschaftsteuerrecht grundsätzlich keinen BgA darstellt, nicht der Umsatzbesteuerung. Selbst rein mechanische oder bürotechnische Vor- und Nebenarbeiten sind umsatzsteuerlich unbeachtlich, obwohl diese Teilaufgaben auch von privatwirtschaftlich organisierten Dritten erledigt werden könnten. Auch Beistandsleistungen unterlagen weder der Körperschaftsteuer noch der Umsatzsteuer. Diese Verwaltungspraxis hatte der BFH in seinem Urteil vom 10. November 2011 (V R 41/10) verworfen und dabei die entgeltliche Überlassung einer Sporthalle durch eine Kommune an eine andere Kommune als unternehmerische und damit umsatzsteuerbare Tätigkeit angesehen. Diese Fälle sind auch unter der Neuregelung identisch zu der derzeitigen Rechtslage im Sinne der BFH-Rechtsprechung zu behandeln:

Grafik Umsetzung der Rechtsprechung
Die Anwendung des § 2b UStG hat unter anderem zur Folge, dass zahlreiche und wesentliche Besteuerungsprivilegien der öffentlichen Hand aufgehoben werden. Jede Tätigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf privatrechtlicher Grundlage soll nunmehr als unternehmerisch eingestuft werden. Nicht als Unternehmer i.S.d. UStG sind jPdöRs anzusehen, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die der jeweiligen jPdöR im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt obliegt und die Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt. Diese Regelung entspricht weitestgehend dem Wortlaut des Art. 13 MwStSystRL.
 
Diese Tätigkeiten sind im Wesentlichen solche, bei denen die jPdöR rein hoheitlich im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderreglung tätig wird – mithin gesetzlich vorbehaltene Aufgaben ausführt. Aufgrund dieses Regelungsgehaltes wird künftig der gesamte Bereich der Vermögensverwaltung umsatzsteuerbar, d.h. erklärungspflichtig sein. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich die Kommune in vielen Fällen auf die zahlreichen Steuerbefreiungstatbestände des § 4 UStG beziehen kann und sich die Auswirkungen im Bereich der Vermögensverwaltung daher in Grenzen halten werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Regelungen des § 2b UStG die Frage der Deklaration betreffen. Er regelt die Frage der Unternehmereigenschaft und hat Auswirkungen auf die steuerliche Organisation einer jPdöR.

 

2. Besteuerung von Beistandsleistungen

Abweichend von der bisherigen Verwaltungsauffassung sind Beistandsleistungen zwischen jPdöR nicht mehr nach dem Charakter der jeweiligen Tätigkeit zu beurteilen, sondern vorwiegend nach der Handlungsform des Zusammenwirkens mehrerer jPdöR.
  
Nach der Neuregelung soll eine nichtunternehmerische Tätigkeit auch dann anzunehmen sein, wenn beispielsweise ein Kommunalunternehmen (Anstalt des öffentlichen Rechts) an seine Gewährträgerin (Kommune) Leistungen erbringt, die dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen sind. Dies können Leistungen sein, die grundsätzlich auch ein privater Dritter erbringen könnte. Entscheidend ist, ob sie das Kommunalunternehmen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, wie zum Beispiel auf Basis eines öffentlich-rechtlichen Vertrages nach den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes erbringt. Das vereinbarte Entgelt darf nur zu einer Kostendeckung führen.
 

3. Keine „Wettbewerbsverzerrung”

Während bisher für die Frage der Umsatzsteuerbarkeit der jPdöR auf die Kriterien des Körperschaftsteuerrechts abgestellt wurde, werden nunmehr mit der Einführung des § 2b UStG eigene Grenzen definiert. Der Gesetzgeber sieht diese Grenze dann als überschritten an, wenn die Tätigkeit der jPdöR zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. Keine Wettbewerbsverzerrung und demnach keine Umsatzsteuerbarkeit liegen daher dann vor, wenn die Bagatellumsatzgrenze von 17.500 EUR pro Jahr nicht überschritten ist. Diese Grenze ist der sogenannten „Kleinunternehmerregelung” des § 19 UStG entnommen. Nach der aktuell noch geltenden Rechtslage tritt die Umsatzsteuerbarkeit hingegen erst bei Überschreiten der Umsatzgrenze von 35.000 EUR ein.
 
Auch die Voraussetzungen für die Nichtsteuerbarkeit der interkommunalen Zusammenarbeit sind geregelt. Es werden Abgrenzungskriterien festgelegt für den Fall der Zusammenarbeit von jPdöR im Hinblick auf die Frage, wann eine Nichtbesteuerung dieser „Leistungsaustauschbeziehungen” zu keinen größeren Wettbewerbsverzerrungen führt. Derartig einzustufende Leistungen werden von der Besteuerung ausgenommen. Die Neuregelung behandelt auch die Bereiche, die unabhängig von den Fragen der „Erbringung von Leistungen im hoheitlichen Bereich” und der „Wettbewerbsverzerrung” umsatzsteuerbar sind. Hier wird u.a. auf die Europäische Mehrwertsteuersystemrichtlinie verwiesen, was zur Folge hat, dass beispielsweise Energie  und Wasserlieferungen stets umsatzsteuerpflichtig sind.
 

4. Umsatzsteuerliche Grundaussagen für interkommunale Zusammenarbeit

Denkbare Konstellationen können wie in der unteren Grafik dargestellt werden:

 

Interkommunale Kooperationen müssen folgende Voraussetzungen erfüllen, um als nicht steuerbar behandelt zu werden: Die Leistungen müssen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen und müssen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen. Zudem dürfen die Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und der Leistende muss gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts erbringen.

 

 

Grafik interkommunale Zusammenarbeit

Mit der geplanten Einführung des § 4 Nr. 29 UStG ist darüber hinaus eine Befreiungsnorm in Umsetzung des europäischen Rechts für die kommunale Zusammenarbeit vorgesehen. Auch hier ergeben sich Gestaltungs- und Lösungsmöglichkeiten. Voraussetzung ist allerdings wie im § 2b UStG selbst, dass es nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommt.

 

5. Praktische Herausforderungen

Bisher hat sich die Finanzverwaltung lediglich mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 erste Hinweise zur Auslegung der Neuregelung gegeben. Leider hinterlässt das BMF Schreiben offene Fragen, die bis heute nicht geklärt sind. Ein weiteres BMF Schreiben wurde bereits angekündigt. Es bleibt abzuwarten, ob die noch offenen Fragen geklärt werden können. Mittlerweile haben sich in der Literatur etliche Meinungen gebildet, auf eindeutige Urteile kann jedoch nicht zurückgegriffen werden.

 

In der praktischen Umsetzung des § 2b UStG zeigen sich die Herausforderungen: Trotz teilweise technischer Unterstützung ist mit einem nicht zu unterschätzenden Zeitaufwand zu rechnen. Darunter fallen insbesondere die Ermittlung der relevanten, sowie die Bewertung von einzelnen komplexen Sachverhalten. Auch die Vorbereitung der Mitarbeiter auf die Umstellung bedarf einem gewissen Vorlauf, die Mitarbeiter müssen geschult werden und für die Neuanwendung des § 2b UStG sensibilisiert sein. Alle diese Dinge kommen zur täglichen Arbeit hinzu. Nicht zuletzt sind bspw. die vorgesehenen Änderungen im Bereich der Steuerbefreiung von Bildungsleistungen durch das sog. Jahressteuergesetz 2019 zu beachten. Hiervon werden weitreichend Volkshochschulen betroffen sein.

 

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