Dürfen innerhalb Tschechiens in einem Unternehmen regional unterschiedliche Löhne bezahlt werden?

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​In jüngster Zeit haben Gerichtsentscheidungen die Aufmerksamkeit der breiteren Öffentlichkeit auf sich gezogen, die sich mit der Frage befassten, ob ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern in verschiedenen Regionen der Tschechischen Republik für die gleiche Arbeit unterschiedliche Löhne zahlen darf. Im folgenden Artikel fassen wir daher zusammen, wie die Gerichte in dieser Frage entschieden haben.


Worum ging es in dem Streit?

Grundlage des Rechtsstreits war die Forderung eines Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber ihm nachträglich einen geschuldeten Lohn bezahlen solle. Der Arbeitnehmer argumentierte, dass seine Kollegen, die die gleiche Arbeit verrichten, aber in einer anderen Region der Tschechischen Republik arbeiten, von demselben Arbeitgeber höhere Löhne erhalten würden. Nach Auffassung des Arbeitnehmers verstößt ein solches Vorgehen des Arbeitgebers gegen § 110 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuches der Tschechischen Republik, wonach „alle Arbeitnehmer des Arbeitgebers Anspruch auf den gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit haben“. Eine gleiche oder gleichwertige Arbeit wird definiert als „Arbeit von gleicher oder vergleichbarer Komplexität, Verantwortung und Anstrengung, die unter gleichen oder vergleichbaren Arbeitsbedingungen bei gleicher oder vergleichbarer Arbeitsleistung und gleichem Arbeitsergebnis verrichtet wird“ (§ 110 Abs. 2 des Arbeitsgesetzbuches). Die Arbeitsbedingungen werden „nach der Schwierigkeit der sich aus der Verteilung der Arbeitszeit ergebenden Arbeitszeitmodelle (z. B. Schichtarbeit, Arbeit an Ruhetagen, Nachtarbeit oder Überstunden), nach der Schädlichkeit oder Schwierigkeit aufgrund anderer negativer Auswirkungen der Arbeitsumgebung und nach der Gefährlichkeit der Arbeitsumgebung“ beurteilt (§ 110 Abs. 4 des Arbeitsgesetzbuches). Der Arbeitgeber wiederum begründete sein Vorgehen damit, dass die Lebenshaltungskosten von Arbeitnehmern in verschiedenen Regionen nicht gleich seien und es daher gerecht sei, wenn die Entlohnung dieser Arbeitnehmer den Unterschieden bei diesen Kosten Rechnung trage.

Die Gerichte haben entschieden: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Überall. 

Wie hat das Oberste Gericht entschieden?

Die Gerichte haben entschieden, nachdem sie aufgrund der Beweisdurchführung zu dem Schluss gekommen sind, dass der Arbeitsinhalt des Klägers im Wesentlichen identisch mit dem seiner Kollegen in anderen Regionen ist, und dass das Vorgehen des Arbeitgebers gegen das Gesetz verstößt. In seinem Urteil vom 20. Juli 2020, Aktenzeichen 21 Cdo 3955/2018, betonte das Oberste Gericht, dass „unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Entgeltgleichheit gemäß § 110 des Arbeitsgesetzbuches die [...] sozioökonomischen Bedingungen und das entsprechende Niveau der Lebenshaltungskosten an dem Ort, an dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber auf Grundlage eines Arbeitsvertrages Arbeit leistet, für die Beurteilung der Frage, ob die Arbeit im Einzelfall gleich oder gleichwertig ist, nicht relevant sind.“

Was sagt das Verfassungsgericht dazu?

Der Arbeitgeber wandte sich daraufhin noch auf das Verfassungsgericht der Tschechischen Republik. Aber auch das Verfassungsgericht stellte sich auf die Seite des Arbeitnehmers. In seinem Urteil vom 31. August 2021, Aktenzeichen I. ÚS 2820/20, stellte es fest, dass „es in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers ist, der Situation auf dem Arbeitsmarkt und den sozioökonomischen Unterschieden zwischen den einzelnen Regionen (und den Unterschieden im Reallohnniveau) Rechnung zu tragen, und nicht die Aufgabe der allgemeinen Gerichte oder des Verfassungsgerichts“. Wenn der Gesetzgeber der Auffassung wäre, dass die Rechtsvorschriften „auch die sozioökonomischen Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen und deren Auswirkungen auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes in angemessener Weise berücksichtigen sollten [...], hindert ihn nichts daran, solche Rechtsvorschriften zu erlassen (wenn es einen ausreichenden politischen Konsens dafür geben sollte)“.

Was folgt daraus?

Die geltenden Rechtsvorschriften geben einem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit, Arbeitnehmern, die für ihn in verschiedenen Regionen der Tschechischen Republik die gleiche Arbeit verrichten, unterschiedliche Löhne mit der Begründung zu zahlen, dass die Lebenshaltungskosten in den Regionen unterschiedlich seien oder die Lage auf dem Arbeitsmarkt eine solche unterschiedliche Behandlung erfordere.


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Mgr. Václav Vlk

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