Gestärkte Rolle der Aufgabenträger – oder: Wer definiert die ausreichende Verkehrsbedienung?

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Die Einflussnahme aktiver Aufgabenträger auf die Planung und Ausgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs wurde gestärkt. Passive Aufgabenträger überlassen die Ausgestaltung der Verkehrsbedienung dem eigenwirtschaftlichen Antragssteller.
Bereits im Rahmen seiner Planungen muss sich der Aufgabenträger entscheiden, ob er eine aktive, gestaltende Rolle einnehmen oder die konkrete Ausgestaltung des ÖPNV der Initiative der Unternehmen überlassen möchte. Über das PBefG wird nunmehr sichergestellt, dass das Rollenverständnis als aktiver oder passiver Aufgabenträger auch Eingang in das Genehmigungsverfahren findet. Die Festlegungen aktiver Aufgabenträger genießen im Genehmigungsverfahren einen höheren Stellenwert als bisher.
 
Dem Aufgabenträger obliegt weiterhin die Ausgestaltungs- und Finanzierungsverantwortung für die ausreichende Verkehrsbedienung. Dies erfolgt u.a. über die Festlegungen im Nahverkehrsplan. Werden durch den Aufgabenträger für die ausreichende Verkehrsbedienung Standards definiert, so hat die Genehmigungsbehörde die Beachtung dieser Vorgaben durch den Genehmigungssteller zu prüfen. Vorgaben im Nahverkehrsplan sind aber nicht notwendigerweise für die Genehmigungsbehörde verbindlich. Auch die Novellierung des PBefG brachte keine grundsätzliche Verbindlichkeit der Nahverkehrspläne mit sich, wie sie etwa die kommunalen Spitzenverbände eingefordert hatten. Im Falle widersprechender Inhalte eines Genehmigungsantrages zum Nahverkehrsplan kann die Genehmigungsbehörde gemäß § 13 Abs. 2a Satz 1 PBefG die Genehmigung versagen, sie muss es aber nicht. Wird jedoch deutlich, dass der Aufgabenträger, ggf. durch öffentliche Finanzierung aktiv die Einhaltung der von ihm definierten Standards absichern möchte, dann rücken die vom Aufgabenträger erarbeiteten Planungsvorstellungen auch im Genehmigungsverfahren stärker in den Vordergrund und binden die Genehmigungsbehörde.
      

Zu unterscheiden sind zwei Fälle:

  1. Der Aufgabenträger rechnet mit eigenwirtschaftlichen Anträgen.
    In diesem Fall sieht er von der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags ab, weil er davon ausgeht, dass sich Unternehmer finden werden, die den Verkehr den bisherigen Vorstellungen des Aufgabenträgers entsprechend auf eigenwirtschaftliche Weise (d.h. ohne die Vergabe eines öDAs) erbringen. Wird ein solcher Antrag gestellt, wird dieser von der Genehmigungsbehörde zu genehmigen sein. Stellt sich im Genehmigungsverfahren heraus, dass der eigenwirtschaftliche Antrag den Planungsvorstellungen des Aufgabenträgers nicht entspricht, kann der Aufgabenträger noch intervenieren. Er hat nun die Möglichkeit, der Genehmigungsbehörde gegenüber zuzusichern, dass er die Vergabe eines öDAs vornimmt, der das bisherige Verkehrsangebot abbildet. In diesem Fall hat die Genehmigungsbehörde die Geltungsdauer der eigenwirtschaftlichen Genehmigung so zu bemessen, dass sie zu dem Zeitpunkt endet, den der Aufgabenträger als Zeitpunkt der geplanten Betriebsaufnahme des zugesicherten Verkehrs angibt. In der Folge ersetzt dann der über den öDA abgesicherte Verkehr die unzureichende eigenwirtschaftliche Leistung.
       
  2. Darf der Aufgabenträger davon ausgehen, dass die Vorgaben nicht eigenwirtschaftlich zu erbringen sind, so muss neben der Ausgestaltungsverantwortung im Nahverkehrsplan auch die Finanzierungsbereitschaft treten. Diese Bereitschaft dokumentiert der Aufgabenträger über die Vorabbekanntmachung.
   
Werden die vom Aufgabenträger in der Vorabbekanntmachung definierten Anforderungen nicht erfüllt, ist ein auf die gleiche Leistung gerichteter eigenwirtschaftlicher Genehmigungsantrag zu versagen (§ 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG). Ein Abweichen eines eigenwirtschaftlichen Genehmigungsantrages ist allerdings dann unschädlich, wenn der Antrag zumindest dem bisherigen Verkehrsangebot entspricht und von solchen Abweichungen, die als Teil der ausreichenden Verkehrsbedienung zu qualifizieren sind, nur unwesentlich abweicht. Ein für die Genehmigungsbehörde wichtiges Indiz zur Beurteilung der ausreichenden Verkehrsbedienung sind die Festlegungen im Nahverkehrsplan. Der Aufgabenträger sichert seine Vorstellung an dieser Stelle sozusagen auf doppeltem Wege: Einerseits legt die Vorabbekanntmachung grundsätzlich verbindlich die Anforderungen an die künftige Erbringung der Verkehrsleistung fest, von der (ohne Zustimmung des Aufgabenträgers) nur dann abgewichen werden kann, wenn die Abweichung die in der Vorabbekanntmachung zur Sicherstellung der ausreichenden Verkehrsbedienung festgelegten Vorgaben nur unwesentlich modifiziert. Andererseits gibt der Nahverkehrsplan aber auch Auskunft darüber, welche Vorgaben der Vorabbekanntmachung als Teil der Anforderungen an die ausreichende Verkehrsbedienung zu qualifizieren sind. Damit wird eine Abweichung von den Vorgaben schwieriger. Die Anforderungen müssen sich daher aus den Vorgaben des Nahverkehrsplans ableiten lassen. Unklar ist dabei allerdings, wie hoch die Bindungswirkung der definierten ausreichenden Verkehrsbedienung gegenüber der Genehmigungsbehörde ist.
 
Bislang galt, dass die Genehmigungsbehörde ihre eigene Entscheidung im Hinblick auf die von ihr zu beurteilenden Sachverhalte trifft. Dies würde auch die Frage betreffen, welche Standards zur ausreichenden Verkehrsbedienung zählen. Fraglich ist, ob dies unter dem novellierten PBefG weiter der Fall sein wird. In jedem Fall wird es dabei schwierig, die Standards einer Vorabbekanntmachung als Teil der ausreichenden Verkehrsbedienung zu begreifen, wenn selbst der Nahverkehrsplan sie nicht zu solchen erhebt. Hier bildet der Nahverkehrsplan definitiv einen wichtigen Indikator. Aber auch umgekehrt dürfte es zumindest einen gewissen Begründungsaufwand von der Genehmigungsbehörde erfordern, Standards als außerhalb der ausreichenden Verkehrsbedienung anzusiedeln, wenn der Nahverkehrsplan diese ausdrücklich als solche benennt. Hier könnte möglicherweise sogar eine gewisse Bindungswirkung bejaht werden, sofern die Standards aus der Vorabbekanntmachung konsequent aus den Vorgaben des Nahverkehrsplans abgeleitet worden sind.

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Jörg Niemann

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