Whistleblowing in Ungarn

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veröffentlicht am 29. Juli 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

  1. Wie ist der Stand der Umsetzung? »
  2. Welche gesetzlichen Grundlagen gelten aktuell? »
  3. Welche Rolle kommt dem Betriebsrat zu? »
  4. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine Meldung abzugeben oder liegt es in seinem Belieben? »
  5. Muss der Hinweisgeber schon heute vorrangig firmenintern nach Abhilfe suchen? »
  6. Wann hat der Hinweisgeber selbst mit Sanktionen zu rechnen oder ist dieser generell geschützt? »
  7. Wie muss sich der Arbeitgeber gegenüber dem Verdächtigen verhalten? »
  8. Gibt es bereits die Pflicht ein Hinweisgebersystem und externe Meldebehörden ein­zu­richten? »

    

1. Wie ist der Stand der Umsetzung?

Der Gesetzgeber hat bis heute die für die Anwendung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Par­la­ments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen Unionsrecht melden erforderlichen Rechtsvorschriften in Ungarn noch nicht erlassen. Die zur Umsetzung erforderlichen Geset­zes­ent­würfe oder Gesetzesmodifizierungen stehen aktuell auch noch nicht zur Verfügung. 

 

2. Welche Gesetzlichen Grundlagen gelten aktuell?

Es gilt aktuell das Gesetz über Beschwerden und Notifizierungen von öffentlichem Interesse (2013/CLXV, im weiteren: „Gesetz“) in Ungarn. Das Gesetz bestimmt nur für staatliche und lokale Behörden verbindlich ein Verfahren zur Untersuchung und Beilegung von Beschwerden und Notifizierungen von öffentlichem Interesse aufrecht zu erhalten. Die ungarischen Arbeitgeber des privaten Sektors haben aufgrund des Gesetzes die Mög­lichkeit, Verhaltensregeln zum Schutz des öffentlichen Interesses oder überwiegender privater Interessen fest­zu­legen und ein diesbezügliches Meldeverfahren (im weiteren: Whistleblowing-System) einzurichten.

 

Aktuell ist das aber keine gesetzliche Verpflichtung gegenüber den Arbeitgebern des privaten Sektors, sondern wird im Gesetz nur als eine Möglichkeit seitens dieser Arbeitgeber geregelt. Es gibt in Ungarn nur sehr wenige Gesellschaften, Arbeitgeber im privaten Sektor, die ein Whistleblowing-System haben. Für die Arbeitgeber des privaten Sektors, die ein Whistleblowing-System einrichten möchten, gelten die gesetzlichen Bestimmungen und die Bestimmungen des ungarischen Arbeitsgesetzbuchs (2012/I), bzw. für die Verarbeitung von personen­be­zogenen Daten gelten die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung (EU 2016/679) und die Bestim­mun­gen des ungarischen Gesetzes über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Informations­frei­heit (2011/CXII). 

  

3. Welche Rolle kommt dem Betriebsrat zu?

Aufgrund des Gesetzes hat der Betriebsrat aktuell keine Rolle bezüglich der Einführung und Aufrechterhaltung eines Whistleblowing-Systems. 
 
Das ungarische Arbeitsgesetzbuch bestimmt, dass die Arbeitgeber des privaten Sektors verpflichtet sind, vor ihrer Entscheidung die Meinung des Betriebsrates zum Entwurf der eine größere Gruppe von Arbeitnehmern betreffenden Maßnahmen und internen Richtlinien anzufordern, z.B. bezüglich der Umstrukturierung bzw. Um­wandlung des Arbeitgebers, der Einführung von Produktions- bzw. Investitionsprogrammen und neuer Techno­lo­gien, der Verwaltung und dem Schutz der personenbezogenen Arbeitnehmerdaten, der Verwendung von tech­nischen Mitteln zur Kontrolle der Arbeitnehmer, der Maßnahmen zur Gestaltung von gesunden und sicheren Arbeitsbedingungen bzw. zur Vorbeugung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, in einer auf das Arbeits­verhältnis bezogenen Vorschrift festgelegten sonstigen Maßnahme usw. Im Hinblick darauf können wir davon ausgehen, dass wenn ein Arbeitgeber des privaten Sektors ein Whistleblowing-System einrichten möchte und der Arbeitgeber einen Betriebsrat hat, dann ist der Arbeitgeber verpflichtet vor seiner Entscheidung die Mei­nung des Betriebsrates zum Entwurf der diesbezüglichen Maßnahme, internen Richtlinie anzufordern. (Ein Betriebsrat wird in Ungarn bei einem Arbeitgeber des privaten Sektors gewählt, wenn die für das Halbjahr vor der Bildung der Wahlkommission berechnete durchschnittliche Anzahl der Arbeitnehmer über fünfzig Personen liegt.) Die Meinung des Betriebsrates ist aber für den Arbeitgeber nicht verbindlich, somit kann der Arbeitgeber auch eine von der Meinung des Betriebsrates abweichende Entscheidung bzgl. der Einführung oder der Details des Whistleblowing-Systems treffen. 
 
Das ungarische Arbeitsgesetzbuch bestimmt auch, dass die Aufgabe des Betriebsrates ist, die Einhaltung der Vorschriften für das Arbeitsverhältnis zu verfolgen und in diesem Interesse darf der Betriebsrat Informationen anfordern und unter Angabe des Grundes Verhandlungen anregen, die der Arbeitgeber nicht ablehnen darf. Unseres Erachtens hat somit der Betriebsrat die Aufgabe, die Einhaltung der Vorschriften des Whistleblowing-Systems des Arbeitgebers zu verfolgen, wenn der Arbeitgeber des privaten Sektors ein Whistleblowing-System eingerichtet hat und wenn bei dem Arbeitgeber ein Betriebsrat funktioniert. Es gibt aber nur bei wenigen Arbeitgebern des privaten Sektors in Ungarn einen Betriebsrat. 

 

4. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine Meldung abzugeben oder liegt es in seinem Belieben?

Im Gesetz ist – für den Fall, wenn der Arbeitgeber des privaten Sektors ein Whistleblowing-System eingerichtet hat – keine Bestimmung enthalten, aufgrund deren der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber eine Melde­pflicht in Bezug auf Informationen über Verstöße hat, bzw. eine diesbezügliche Meldepflicht kann von anderen ungarischen Rechtsvorschriften auch nicht abgeleitet werden. 

 

5. Muss der Hinweisgeber schon heute vorrangig firmenintern nach Abhilfe suchen?

Im Gesetz ist eine Pflicht seitens des Hinweisgebers vorrangig firmenintern nach Abhilfe zu suchen nicht ent­hal­ten und eine diesbezüglich Pflicht kann von anderen ungarischen Rechtsvorschriften auch nicht abgeleitet werden. Der Hinweisgeber kann also – wenn der Arbeitgeber des privaten Sektors ein Whistleblowing-System einrichtet hat – nach seinem Belieben selbst entscheiden, ob er überhaupt eine Meldung bei dem Arbeitgeber abgeben möchte, und ob er vorrangig bei dem Arbeitgeber eine Meldung abgeben oder sich direkt an die zu­stän­digen anderen Behörden wenden möchte. 
 

6. Wann hat der Hinweisgeber selbst mit Sanktionen zu rechnen oder ist dieser generell geschützt?

Grundsätzlich sind die Hinweisgeber laut dem Gesetz gegen nachteilige Maßnahmen, Sanktionen, die aufgrund der Meldung des Hinweisgeber ergriffen werden geschützt. Es gibt aber auch Ausnahmefälle, in denen dem Hinweisgeber der Schutz nicht zusteht, und seine personenbezogenen Daten müssen verbindlich an die Be­hör­de oder der Person übermittelt werden, die zur Einleitung oder Durchführung des entsprechenden Verfahrens gegen den Hinweisgeber berechtigt ist. Diese Ausnahmefälle sind die folgenden:
  1. Wenn sich herausgestellt hat, dass der Hinweisgeber bösgläubig falsche Informationen weitergegeben hat, die von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Angelegenheit sind und aus den Umständen ange­nommen werden kann, dass eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde.
  2. Wenn sich herausgestellt hat, dass der Hinweisgeber bösgläubig falsche Informationen weitergegeben hat, die von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Angelegenheit sind und begründet angenommen werden kann, dass der Hinweisgeber einer anderen Person einen rechtswidrigen Schaden zugefügt oder eine andere Rechtsverletzung verursacht hat. 

 

7. Wie muss sich der Arbeitgeber gegenüber dem Verdächtigen verhalten?

Das Gesetz bestimmt, dass der Verantwortliche zur Verantwortung gezogen werden muss, wenn zur Folge der Prüfung der Meldung festgestellt wird, dass die Meldung begründet war. Das Gesetz bestimmt aber keine kon­krete Verhaltensregeln für den Arbeitgeber, wie sich der Arbeitgeber gegenüber dem Verdächtigen während der Prüfung der Meldung verhalten muss. 
 
Das Gesetz beinhaltet, dass die personenbezogenen Daten des Hinweisgebers und der Person, deren Verhalten oder Unterlassung Grund für die Meldung war oder die über relevante Informationen über den Sachverhalt der Meldung verfügen können, geheim gehalten werden müssen. Aus dieser Bestimmung kann unseres Erachtens abgeleitet werden, dass der Arbeitgeber die personenbezogenen Daten des Hinweisgebers an den Verdächtigen nicht weitergeben darf. Da das Gesetz sehr wenig darüber beinhaltet, wie der Arbeitgeber sich gegenüber dem Verdächtigten verhalten muss, sind wir der Ansicht, dass wenn der Arbeitgeber des privaten Sektors ein Whistle­blowing-System einrichtet, der Arbeitgeber die Möglichkeit hat – natürlich auch im Hinblick auf das Gesetz – die detaillierten Verhaltensregeln des Arbeitgebers gegenüber dem Verdächtigen in seiner Maßnahme, internen Richtlinie über das Whistleblowing-System festzulegen. Neben dem obigen können wir davon aus­ge­hen, dass sich der Arbeitgeber während der Prüfung der Meldung neutral gegenüber dem Verdächtigen verhal­ten muss. 

  

8. Gibt es bereits die Pflicht ein Hinweisgebersystem und externe Meldebehörden ein­zu­richten?

Aktuell ist dem Arbeitgeber im privaten Sektor keine Pflicht auferlegt ein Hinweisgebersystem und externe Meldebehörden einzurichten, nur staatliche und lokale Behörden haben gemäß dem Gesetz so eine Pflicht. 
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