Familienunternehmen: „Traditionserhaltende Erneuerung”

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veröffentlicht am 6. August 2019 | Lesedauer ca. 3 Minuten
 
Familienunternehmen sind die tragende Säule unseres Wirtschafts- und Gesell­schafts­­systems. Von ihrem Erfolg hängt sehr viel ab  –  viel mehr, als den meisten Menschen bewusst ist. Letztendlich sind sie mit ihrem Beitrag zu unserem gesamt­ge­sell­schaftlichen Wohlstand für die Zukunft unseres Landes unverzichtbar. Es wäre wünschenswert, dass sich v.a. auch die Politik der Bedeutung unseres Mittelstandes stärker bewusst wäre. Gerade hier fühlen sich viele Familien­unternehmer geradezu verlassen, was sich in ihrer ablehnenden Haltung speziell gegenüber unserem Wirt­schafts­­minister Altmaier ausdrückt. Die Frustration ist so groß, dass der Verband „Die Familienunter­nehmer e.V.” (ehemals „Arbeits­gemeinschaft Selbständiger Unter­neh­mer”, kurz: ASU) entschieden hat, Herrn Altmaier als Redner auf ihrer Jubiläums­tagung wieder auszuladen.

 Prof. Dr. Arnold Weissman kommentiert

Prof. Dr. Arnold Weissman ist Professor für Unternehmensführung an der OTH Regensburg. Er übernahm noch während seines Studiums die Firma seiner Eltern. „Das war die Schule meines Lebens”, reflektiert er heute. Seit dieser Zeit ist er als selbstständiger Unternehmer und Berater tätig. 1987 gründete er das Beratungs- und Weiterbildungsunternehmen „WeissmanGruppe”, das von der WirtschaftsWoche mit dem Best-of-Consulting-Award zur „besten Strategieberatung” und mit den Qualitätssiegeln „Beste Berater” sowie „TOP CONSULTANT” für die hohe Kompetenz und Beratungsleistung für den deutschen Mittelstand ausgezeichnet wurde. Das Unternehmen ist in Nürnberg, Österreich, Italien und der Schweiz vertreten.
 
Bekannt wurde Prof. Dr. Arnold Weissman durch die Methodik des „Systems Weissman  –  10 Stufen zum Erfolg”, eigens von ihm entwickelt für die spezifischen Herausforderungen und Begleitung von Familienunter­nehmen. In seinen Seminaren begeistert der Autor zahlreicher Fachbücher u. a. durch die verständliche und praxisnahe Vermittlung komplexen Expertenwissens.

 

Dabei sind die Anforderungen, mit denen sich Familienunternehmer heute konfrontiert sehen, so enorm, dass eine entsprechende Unterstützung notwendig und sinnvoll wäre. War es in den 90er Jahren noch das große Thema der Globalisierung, dem sich viele deutsche Unternehmen mit großem Erfolg gestellt haben (nirgendwo auf der Welt gibt es mehr Weltmarktführer als bei uns, unsere eigene Statistik umfasst mittlerweile mehr als 1.500 weltweit führende deutsche Familienunternehmen), sind es heute ganz andere Themen, die die Zukunftsfähigkeit auf eine harte Probe stellen.
 
Unter dem Schlagwort Digitalisierung, verbunden mit Themen wie Sensorik, Robotik, Automatisierung, Ver­netzung, Blockchain, Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0  –  die Liste lässt sich beliebig verlängern  –  stehen mittelständische Unternehmen unter einem gewaltigen Veränderungs- und Transformationsdruck. Customer Centricity, Predictive Analytics  –  es gibt praktisch kein Unternehmen, das von diesen Veränderungen nicht im Kern betroffen ist.
 
Wenn das Geschäftsmodell von morgen der Marktplatz, die Plattform oder zumindest ein intelligent aufgebautes Öko-System ist, in dem sich „brave” Händler unter dem Druck von Amazon und Co. zu Cross-Channel-Retailern mit einem „24/7, all Channels, on Demand”-Modell transformieren müssen, um zukunftsfähig zu sein, so bedeutet das für viele Familienunternehmen nicht mehr und nicht weniger als die wahrscheinlich größte Transformation in ihrer oft langen Firmengeschichte!
 
Unter dem Stichwort „Traditionserhaltende Erneuerung” kann man die Herausforderung zusammenfassen: stolz auf die Geschichte, bereit zum (radikalen) Umbau! Was wird sich wirklich ändern? Getrieben von einem veränderten Kundenverhalten, weitgehender Transparenz in den Märkten muss der Kunde mit seinen Wünschen, Sorgen, Bedürfnissen und Problemen absolut im Mittelpunkt stehen. Nach dem Motto: Treat your Customer like they own your Company. Because they really do!
 
In der Welt von morgen, in der Smart Data und Kundenzugang die eigentlichen Treiber des Erfolgs sind, verlieren Asset-Vermittler von gestern und heute ihre Bedeutung. Der größte Personenbeförderer der Welt (Uber) hat keine Fahrzeuge, die Nummer 1 für Fernbusreisen (Flixbus) keinen Bus, der größte Hotelbetten­vermittler (AirBnB) keine eigenen Zimmer, die schnellst wachsende Bank (SoftBank) keine Filialen und das größte Medienunternehmen (Facebook) keine Journalisten  –  wer diese Veränderung nicht sieht, hat eigentlich das Spiel schon verloren.
 
Living in a changing world, the only constant is change  –  diese Sprüche kann man mittlerweile an jeder Volkshochschule hören  –  doch die Frage ist nicht mehr, ob wir die Erkenntnis habensondern, ob wir die Kraft zum Handeln haben. Erfolg hat bekanntlich drei Buchstaben: T-U-N! Und er beginnt, wenn die Ausreden aufhören.
 
Kein Markt wird von diesen Veränderungen ausgenommen werden. Der größte Markt der Welt, der Arbeits­markt, wird sich genauso dramatisch verändern. Mitarbeiter werden zu den eigentlichen Arbeitgebern, die auf Job-Plattformern arbeiten, wann sie wollen, wo sie wollen und für wen sie wollen. Unter dem Schlagwort „New Work” werden Arbeitsverhältnisse flexibilisiert und die Fähigkeit, die richtigen, die besten Mitarbeiter zu finden, zu gewinnen, zu entwickeln und (!) zu binden, wird eine der absoluten Kernkompetenzen der Gewinner sein. Employer Branding, eine Arbeitgebermarke aufbauen, das ist das Gebot der Stunde. Wenn nicht jetzt, wann dann?
 
Diese Veränderungen bieten enorme Chancen. Weltweit führende Unternehmen wie Amazon, Google, Facebook, Netflix sind alle 25 Jahre alt oder jünger. Warum nutzen wir diese Chancen nicht konsequenter? Es gibt sie ja, die Beispiele deutscher Exzellenz  –  auch in diesem Umfeld. Unternehmen wie Zalando, About You, Thomann (Weltmarktführer für Musikgeräte im E-Commerce), Fressnapf: Sie zeigen, dass es möglich ist; aber: es ist kein Selbstläufer!
 
Um die Veränderungen als Chance nutzen zu können, müssen wir unsere Organisationen verändern. Das alte hierarchische, starre Modell des Taylorismus ist ein Auslaufmodell! Um Organisationen ändern zu können, muss sich die Kultur verändern. Wie sagte doch Peter Drucker so treffend: Culture eats strategy for breakfast!

 
Doch leider kann man Kultur nicht managen. Allein der Versuch entspricht der Idee, einen Pudding an die Wand zu nageln. Kultur entsteht durch das vorgelebte Führungsverhalten der Manager. Nicht irgendwann, sondern jeden Tag. Sie sind das Role Model, das es zu verändern gilt.
 
Stellt sich nur noch die Frage: Und wie schafft man eine Veränderung seines Verhaltens? Die Antwort ist leicht, die Umsetzung anspruchsvoll: Dauerhaftes, nachhaltiges Verändern von Verhaltensstrukturen kommt nur aus einer Veränderung der Haltung von jedem Einzelnen von uns. Das ist die eigentliche Herausforderung, vor der wir alle stehen. Jeder von uns! Wir müssen eine starke, wertebasierte Kultur schaffen, in der Veränderung kein Projekt, sondern eine Haltung ist!

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