Substanzanforderung an eine deutsche Holdinggesellschaft – Missbrauchsvorschriften versus klassische Holdingstruktur

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veröffentlicht am 24. April 2019
  

Bei vielen deutschen, international agierenden Familienunternehmen werden Auslandsbeteiligungen zentral von einer deutschen Kapitalgesellschaft (Holding) verwaltet. Hinter ihr stehen zumeist über Personengesellschaften die natürlichen Personen als Gesellschafter. Diese Struktur hilft bei Haftungs­­­­fragen, hat aber auch steuerliche Vorteile. Im Ausland wird mittlerweile jedoch genauer hingeschaut. Die Gewährung von Steuervergünstigungen auf Ausschüttungen hängt zunehmend von den Funktionen und der Substanz der deutschen Holding ab.

 

 

Bei deutschen, weltweit agierenden Mittelständlern werden die Auslandsgesellschaften i.d.R. von einer deutschen Holdingkapitalgesellschaft gehalten. Neben der Verwaltung der Beteiligungen übt sie keine weiteren Tätigkeiten aus, d.h. sie erbringt weder eine operative Leistung noch Dienste im Konzern. Allenfalls besteht eine mittelbare Finanzierungstätigkeit über die Vereinnahmung von Dividendenausschüttungen. Eigene Mit­arbeiter oder Räumlichkeiten besitzt die Holding nicht. Objektiv betrachtet, sind solche Holdinggesellschaften oft reine Briefkastengesellschaften. Anteilseigner sind meist Personengesellschaften, die sich wiederum im Besitz von natürlichen Personen befinden (z.B. Familienunternehmen).

 

Steuervorteil sofern kein Missbrauch

Mit der Holding als Kapitalgesellschaft besteht die Möglichkeit, ausländische Dividenden steuerlich günstig zu vereinnahmen, da sie im Inland meist nahezu steuerfrei sind (sog. „Schachtelprivileg”, §  8b KStG) und im EU-Ausland nicht (Mutter-Tochterrichtlinie) oder aus Drittstaaten nur gering (Doppelbesteuerungsabkommen) mit Quellensteuer belegt werden.

 

Allerdings ist gerade im europäischen Ausland in den letzten Jahren zu beobachten, dass die Voraussetzungen an eine Quellensteuerbefreiung bzw. -reduzierung an zunehmend strengere Maßstäbe geknüpft wird. Sie soll bei rein steuerlich motivierten (missbräuchlichen) Gestaltungen nicht gewährt werden. Quellensteuer­ver­günstigungen sind nur für Ausschüttungen an Kapitalgesellschaften vorgesehen; natürliche Personen  –  unmittelbar oder über Personengesellschaften  –  sind ausdrücklich nicht begünstigt. Missbräuchlich kann daher die Zwischenschaltung von „leeren” Kapitalgesellschaften sein, um mittelbar den nicht begünstigten Anteilseignern Steuervorteile zu ermöglichen (sog. „Treaty Shopping”).

 

Für die Beurteilung, ob es sich um eine missbräuchliche Gestaltung handelt, wird i.d.R. auf die Tätigkeit und Substanz der Holdinggesellschaft abgestellt. Dänemark, Österreich, Tschechien, aber auch Belarus stellen bereits erhöhte Anforderungen an Begünstigungen. Aus deutscher Sicht findet sich eine entsprechende Anti-Missbrauchsnorm in § 50d Absatz 3 EStG.

 

„Substanz” als entscheidendes Kriterium

Ob eine Gesellschaft Substanz hat, beurteilt sich nach Kriterien wie der Verfügbarkeit von Räumlichkeiten, Personal, angemessener Einrichtung und Ausstattung. Hier offenbart sich nun das Problem vieler deutscher Holdinggesellschaften: „Substanz” im Sinne solcher Regelungen liegt nicht vor, weil sie schlichtweg nicht erforderlich ist. Da die Gesellschaften lediglich Beteiligungen halten, sind weder eigenes Personal noch Räumlichkeiten notwendig. Dabei sind oft tatsächlich außersteuerliche Gründe für die Existenz der Holding ausschlaggebend, z.B. Asset Protection.

 

Wird eine Holdingstruktur aus Sicht des Auslands nun als missbräuchlich da „substanzlos” erachtet, hat das Konsequenzen. Vergünstigungen bei bzw. Befreiungen von Quellensteuer auf Ausschüttungen zur deutschen Mutter werden nicht gewährt. Damit kommen deutlich höhere Quellensteuern (15 Prozent oder mehr) zur Anwendung. Wenn die Dividenden in Deutschland jedoch steuerfrei sind, können sie nicht angerechnet oder abgezogen werden. Folglich stellen die Quellensteuern eine (nun höhere) Definitivbelastung dar.

 

Gewiss dienen die Anti-Missbrauchsnormen ihrem Zweck. Kritisch ist jedoch zu sehen, dass neben miss­bräuchlichen Gestaltungen auch solche erfasst werden, denen keinerlei steuergestaltende Absicht zugrunde lag und die sich nun pauschal einem Missbrauchsvorwurf ausgesetzt sehen, den sie häufig nicht widerlegen können.

 

EuGH-Trendwende oder Reorganisation

Nach der EuGH-Rechtsprechung der letzten Jahre sind nationale Regelungen zur Verhinderung von Treaty Shopping ein zulässiges Mittel. Eine allgemeine Missbrauchsvermutung geht jedoch zu weit. Vielmehr ist laut EuGH eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände vorzunehmen.1 Diesen Überlegungen fiel mittlerweile auch der deutsche § 50d Abs. 3 StG zum Opfer.2 Nach jüngster Rechtsprechung3 bedarf es keiner nationalen spezifischen Missbrauchsnorm – wie etwa der oben genannten –, um Vergünstigungen zu verwehren. Allgemeine Normen zur Verhinderung von Gestaltungsmissbrauch (vgl. § 42 AO) sind ausreichend. Zudem muss das ausländische Finanzamt bei Missbrauchsverdacht nicht den nach seiner Ansicht tatsächlichen Nutzungsberechtigten benennen (Beweislast). Es genügt, wenn es beweisen kann, dass die (deutsche) Holding eine reine Durchleitungsgesellschaft ist, d.h. erhaltene Dividenden direkt weitergeleitet werden und weder die üblichen Substanz-Merkmale noch eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit vorhanden sind. Das bedeutet, dass auch Staaten, die bisher keine spezielle Missbrauchsnorm hatten, Quellensteuerreduzierungen nun mit Verweis auf ihre allgemeine Missbrauchsnorm verwehren können.

 

Eine Lösung, die bisher von vielen Staaten akzeptiert wurde ist, einer bisher funktionsarmen Holding weitere Konzernfunktionen zuzuweisen (z.B. Finanzfunktionen oder strategische Bereiche). Das erfordert, dass Mitarbeiter (und mit ihnen Räumlichkeiten usw.) in die Holding verlagert werden. Unklar ist jedoch, wieviel Substanz im Einzelfall erforderlich ist, um nicht weiterhin als missbräuchliche Struktur zu gelten. Ein erster Anhaltspunkt war bisher der Umfang der Gesamtkonzernfunktionen. In jedem Fall sollten Unternehmen, die bisher derartige Strukturen leben, eine genauere Analyse vornehmen und ggf. Maßnahmen einleiten, um einer deutlich höheren Quellensteuerbelastung zu entgehen.

 

Quellenverweise

 

1 Vgl. EuGH vom 12.9.2006 C-196/04 („Cadbury Schweppes”), EuGH vom 7.9.2007 C-6/16 („Equiom und Enka”) EuGH vom 08.3.2017 C-14715 („Euro Park Service”), EuGH vom 20.12.2017 C-504/16 („Deister Holding”) sowie EuGH C-613/16 („Juhler Holding”), EuGH vom 14.06.2018 C-440/17.
 

2 Siehe EuGH vom 20.12.2017 C-504/16 „Deister Holding”und EuG C-613/16 „Juhler Holding” EuGH vom 14.6.2018 C-440 / 17.

 

3 Vgl. EuGH vom 26.2.2019 C-116/16 sowie C-117/16 „T Danmark und Y Denmark”.

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