Künstliche Intelligenz – Ein Handlungsfeld für Beratungen und Wirtschaftsprüfer

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veröffentlicht am 5. Februar 2019
   

Künstliche Intelligenz (KI) ist eine Gründungsdisziplin der Informatik und wird seit Jahrzehnten an den Universitäten gelehrt. Heute gibt es jedoch einen noch nie dagewesenen Wettbewerb um KI-Fachkräfte und das Thema steht auf der Agenda von Konzernen und Regierungen. Handelt es sich dabei um einen kurzweiligen Hype? Oder stehen wir tatsächlich vor tiefgreifenden Veränderungen unserer Arbeits- und Lebenswelt, wie sie in den Feuilletons prophezeit werden?

Dr. Lars Schwabe kommentiert

Dr. Schwabe leitet bei der Lufthansa Industry Solutions, einer Lufthansa-eigenen IT-Be­ratung, das Geschäftsfeld Data Analytics, Artificial Intelligence & Blockchain im Tech­no­logy Consulting. Sein Team berät im Lufthansa-Konzern und in der deutschen Wirtschaft zu KI-Themen und setzt produktive Lösungen um. Zuvor hatte Dr. Schwabe ein Data Science-Team im Online-Marketing geleitet. Er war Juniorprofessor für Infor­ma­tik an der Universität Rostock und hat für seine Dissertation an der TU Berlin den Young Investigtor Award der Neural Network Society erhalten. Neben dem Be­ra­tungs­geschäft ist sein Team aktiv in Bitkom-Arbeitskreisen und in der Öffentlichkeits­ar­beit, um über KI zu informieren.

 

Vertraut man Stephen Hawking oder Elon Musk, dann ist KI eine der größten Gefahren für die Menschheit. Glaubt man den Verheißungen der großen Digitalkonzerne, dann wird uns KI das Leben künftig radikal erleichtern. Ich postuliere: KI ist kurzfristig überschätzt, langfristig unterschätzt.
 
In den letzten 10 Jahren gab es enorme Fortschritte in der angewandten KI, die im Kern weiterhin Algorithmen und Ansätze aus den 80er Jahren nutzt. Durch den Zugang zu Massendaten, kostengünstiger Rechenleistung und einigen mathematisch-technischen Innovationen ist es gelungen, Modelle von Nervensystemen (sog. „Neuronale Netze”) aus Daten so zu erstellen, so dass einige zuvor als praktisch unmöglich betrachtete Leistungen durch Computer möglich wurden. Dazu zählen Objekterkennung (bekannt von Foto-Apps auf Mobitelefonen), zuverlässige Spracherkennung (bekannt von Home-Assistenten) oder die maschinelle Übersetzung (bspw. mittels Google Translate).
 
Die KI hatte seit Jahrzehnten intelligente Computer versprochen, konnte jedoch nicht liefern. Die Leistungen der modernen KI sind ohne Zweifel beachtenswert. Es ist jedoch weiterhin eine große Herausforderung für KI-Forscher, hohe Erkennungsraten  –  z.B. in der Sprach- oder visuellen Objekterkennung  –  zu gewährleisten. Trotzdem werden die Erfolge oft hemmungslos extrapoliert.
 
Heute werden KI-Systeme noch für stark eingeschränkte Domänen genutzt. U.a. werden sie  zur visuellen Erkennung von Objekten mit Bildern trainiert anstatt das Sehen  –  wie beim Menschen  –  als eine aktive Fertigkeit zu erlernen. Das ermöglicht die maschinelle Analyse von klinischen Daten aus bildgebenden Verfahren. Eine derartige KI und ein normal aufgewachsenes Kind nutzen beim Sehen somit wohl radikal unterschiedliche Ansätze.
 
Wenn die Daten künftig reichhaltiger werden und es KI-Systemen ermöglicht wird, über Versuch und Irrtum in Umgebungen zu lernen, deren Regeln komplexer sind als die von Brettspielen, dann befinden wir uns bereits in Situationen, vor denen Hawking und Musk heute schon warnen: KI-Systeme werden uns beim Argumentieren für oder gegen beliebige Positionen übertreffen. Als „Robot Scientists” werden sie Wissenschaft betreiben. Sie werden Handlungen von Individuen und Firmen nicht nur genau vorhersagen, sondern auch digitale Doppel­gänger synthetisieren können. Manipulation von Wertpapierkursen wird zum Tagesgeschäft gehören und durch Fortschritte in der Neurotechnologie werden KI-Systeme auch Gedanken lesen. Das illustriert: KI wird langfristig unterschätzt, weil es vielen potenziellen Kritikern noch an Expertise und der nötigen Phantasie fehlt, um solche Szenarien zu durchdenken.
 
Was bedeutet das für Beratungen und Wirtschaftsprüfer? Einerseits müssen sie trotz des stetig wachsenden Reifegrads von KI-Services ein breites und tiefes Fachwissen vorhalten, um KI-Services bewerten und die Kunden beraten zu können. Darüber hinaus werden sie in der Lage sein müssen, mit „Open Source”-Techno­logien Individuallösungen zu konzipieren und umzusetzen. Eine proaktive Rolle sollte man ihnen auch beim kritischen Umgang mit KI zuschreiben, gerade weil der aktuelle KI-Hype durch Goldgräberstimmung von Wirtschaftsunternehmen verursacht wurde anstatt durch Erkenntnisdrang oder das Militär. Wenn Daten tatsächlich das Öl für KI und die Wertschöpfung eines Unternehmens sind, dann sind sie auch als Assets zu bewerten. Aber wie werden Daten oder Datennutzungsrechte als Wirtschaftsgüter richtig beurteilt? Was sind mehrere Terabyte an Sensordaten eines Industriebetriebs oder die Tracking-Daten auf der Webseite eines Unternehmens wert? Und was ist für die Einwilligung für ausgewählte Nutzungsrechte von Kundendaten nach DSGVO zu veranschlagen? Die intensive Auseinandersetzung mit KI ist für Beratungen und Wirtschaftsprüfer eine unumgängliche Herausforderung.

Entrepreneur per E-Mail

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