BGH Urteil zur Begrenzung der Schadensersatzpflicht des Grundstücksverkäufers bei unverhältnismäßig hohen Mängelbeseitigungskosten

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 04.04.2014 (Az.: V ZR 275/12) entschieden, dass bei unverhältnismäßig hohen Mängelbeseitigungskosten der Schadensersatzanspruch des Käufers eines Grundstücks gegen den Verkäufer auf den Ersatz des mangelbedingten Minderwerts des Grundstücks beschränkt ist.

In dem zu entscheidenden Fall war die beim Verkauf von Gebrauchtimmobilien übliche und auch hier vereinbarte Haftungsausschlussklausel nicht anwendbar, da der Mangel arglistig verschwiegen wurde.
 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb im Jahr 2004 von den Beklagten ein mit einem Miethaus bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 260.000 Euro, der Verkehrswert des Grundstücks mit dem Gebäude lag bei mind. 600.000 Euro. Nach Übergabe stellte die Käuferin fest, dass das Gebäude mit echtem Hausschwamm befallen war und verlangte deshalb Schadensersatz von den Verkäufern. In dem Kaufvertrag hatten die Parteien den Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen vereinbart; dieser sollte u.a. nicht für arglistig verschwiegene Mängel gelten. Im von der Käuferin angestrengten Prozess stellte sich heraus, dass in dem Haus bereits im Jahr 1987 Sanierungsarbeiten zur Beseitigung des Befalls mit echtem Hausschwamm stattgefunden hatten und von der Sanierungsfirma ein Angebot zur Reinigung der angrenzenden Mauerflächen vom Hausschwammbefall unterbreitet worden war. Offensichtlich wurden diese Arbeiten nicht fachgerecht ausgeführt, insbesondere nicht die Reinigung der angrenzenden Bereiche. Echter Hausschwamm birgt die Gefahr, dass er immer wieder auftritt, wenn er nicht sachgemäß entfernt wird. Diese Gefahr hat sich im vorliegenden Fall realisiert.
 
Die Klägerin ließ das Gebäude sanieren, die Kosten betrugen insgesamt 639.230,38 Euro. Die Beklagten wurden vom Kammergericht zur Zahlung dieser Summe verurteilt, obwohl der Schaden weit über dem tatsächlichen Kaufpreis des Objektes lag. Nach Ansicht des Gerichts ist für die Beurteilung, ob ein Schaden unverhältnismäßig hoch ist, der Verkehrswert von 600.000 Euro und nicht der Kaufpreis zugrunde zu legen. Hier ergab sich eine Abweichung von ca. sechs Prozent und somit keine unangemessene Höhe des Schadens. Der Schadensersatz wurde daher in voller Höhe zugesprochen.
 

Entscheidungsgründe des BGH

Der BGH beurteilte zum einen die Frage der Unverhältnismäßigkeit des Schadens anders als die Vorinstanz und entschied zum anderen, dass im Falle der Unverhältnismäßigkeit der Schadensersatzanspruch der Käuferin auf den Minderwert beschränkt sein müsse, den das Grundstück wegen des Mangels hatte. Die Grundlage für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit ist nach Ansicht des BGH der Wert des Grundstücks mit oder ohne Mangel. Der Schaden kann dann unverhältnismäßig hoch sein, wenn er den Verkehrswert, hier ca. 600.000 Euro, übersteigt. Legt man den Wert des Gebäudes mit dem Mangel zugrunde, der hier auf ca. 500.000 Euro beziffert wurde, kann der Schaden unverhältnismäßig sein, wenn er mehr als das Doppelte der Wertdifferenz mit und ohne Mangel beträgt. Das wäre hier der Fall, wenn der Schaden mehr als 200.000 Euro betrüge. Der Schadensersatzanspruch könnte damit auf den Minderwert, hier ca. 100.000 Euro, beschränkt werden. Die tatsächliche Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit darf der BGH selbst nicht vornehmen, er gibt dem Kammergericht nur die Richtlinien für dessen Entscheidung vor. Das Kammergericht muss den Fall nun wieder aufnehmen und die Frage der Begrenzung des Schadens unter Berücksichtigung dieser Vorgaben neu entscheiden.
 
Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit kommt es auf den Zeitpunkt des Beginns der Mangelbeseitigung an. Hat der Käufer bereits mit den Sanierungen begonnen und stellt sich dann später heraus, dass die Kosten die Verhältnismäßigkeitsgrenze überschreiten werden, muss der diese nicht unbedingt unterbrechen oder den übersteigenden Betrag selbst tragen. Durfte der Käufer bei Beginn der Arbeiten annehmen, die Kosten werden sich im Rahmen halten, weil er z.B. einen entsprechenden Kostenvoranschlag oder ein Angebot eingeholt hat, darf er diese zu Ende führen und kann die Kosten erstattet verlangen. Sieht der Käufer aber bereits zu Beginn der Arbeiten, dass diese unverhältnismäßig sein werden, muss er den unverhältnismäßigen Teil der Kosten selbst tragen.
 

Bedeutung des Urteils

Bemerkenswert an diesem Urteil ist die Beschränkung der gesetzlichen Haftung eines Verkäufers eines Grundstücks; es handelt sich um die erste Entscheidung des BGH zu diesem Thema und wird somit wegweisend für die Rechtsprechung sowie für die Vertragsgestaltung und die anwaltliche Beratung sein.
 
Wie beim Grundstücksverkauf üblich, wurde auch im vorliegenden Fall die gesetzliche Haftung vertraglich ausgeschlossen. Statt eines vollständigen Ausschlusses wird häufig auch eine Beschränkung der Anspruchshöhe in Verträgen geregelt, die im Ergebnis den Verkäufer vor überzogenen Schadensersatzansprüchen schützen sollen. Diese Regelungen sind sinnvoll und wichtig und sollten in jedem Vertrag zugeschnitten auf das konkrete Objekt gestaltet werden.
 
Die vertraglichen Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen schützen den Verkäufer jedoch nicht uneingeschränkt, so auch im Fall des BGH. Wenn ein Verkäufer einen Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht oder das Vorliegen eines Mangels arglistig verschweigt, kann er sich auf eine vereinbarte Haftungsbeschränkung nicht berufen und haftet nach den gesetzlichen Vorschriften. Der Verkäufer im Beispielsfall hatte den Käufer dadurch arglistig getäuscht, dass er ihn über den vorhandenen Mangel nicht informiert hatte. Ebenso vorsichtig und sorgfältig sollten die Beschreibungen des Verkäufers oder gar Versprechen oder Garantien hinsichtlich des Zustands von Immobilien gestaltet werden. Für diese gelten Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen naturgemäß nicht.
 
Der Grundstücksverkäufer ist verpflichtet, den Verkäufer über wesentliche Eigenschaften der Immobilie zu informieren, die für diesen kaufentscheidend sein können. Ein typisches Beispiel ist der Befall mit echtem Hausschwamm, der sich im Objekt verbreitet und große Schäden an der Bausubstanz verursacht, wenn er nicht fachgerecht und vollständig entfernt wird. Wahrheitsgemäß aufklären muss der Verkäufer immer, wenn der Erwerber konkret nach bestimmten Sachverhalten fragt, oder – für bestimmte Fälle wie z.B. dem echten Hausschwamm – auch ungefragt.
 
Auch bei einer verkäuferfreundlichen Vertragsgestaltung kann der Verkäufer sich daher nicht zurücklehnen, sondern muss sich selbst über den Zustand seiner Immobilie informieren, um dem Käufer ausreichende Auskünfte darüber geben zu können. Tut er das nicht, stellen ungeprüfte, sogenannte Auskünfte ins Blaue hinein ebenso eine arglistige Täuschung dar wie das völlige Verschweigen oder gar bewusst unrichtige Angaben über wichtige Eigenschaften der Immobilie. Folge ist die Unwirksamkeit der Haftungsbeschränkungen für diese Mängel.
 
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt der Entscheidung des BGH ist, dass er hier den arglistig täuschenden Verkäufer schützt und auch zu dessen Gunsten die gesetzliche Haftung auf ein angemessenes Maß beschränkt. Ob – und wenn ja – wie sich der BGH mit diesem Aspekt auseinander gesetzt hat, wird man der erst vollständig veröffentlichten Entscheidung entnehmen können, die bisher nicht vorliegt.

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