Entwicklungen zu § 2b UStG

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​veröffentlicht am 01. Juli 2020

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Offene Fragen und mehr Zeit?

Die Neuregelung der Umsatzbesteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) durch die Einführung des § 2b UStG bringt zahlreiche wesentliche Änderungen mit sich. Aufgrund dessen hat der Gesetzgeber gemäß § 27 Abs. 22 UStG eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2020 gewährt, damit sich die jPdöR auf die Anwendung der neuen Vorschrift vorbereiten und wesentliche Fragen zur Umsetzung geklärt werden können.


Eine große Anzahl von Abgrenzungs- und Anwendungsfragen ist bis heute ungeklärt geblieben. Es ist wohl auch nicht zu erwarten, dass alle offenen Punkte bis Ende 2020 klargestellt werden.


Der Bundesrat hat am 20.12.2019 einen Beschluss zur Verlängerung der Übergangsfrist zu § 2b UStG um 2 Jahre gefasst. Der Beschluss wurde in den Entwurf des Corona-Steuerhilfegesetzes aufgenommen. Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren soll am 5.6.2020 abgeschlossen werden. Es ist von einer Verlängerung des Optionszeitraums auszugehen.


Eine Vielzahl von Auslegungsfragen wurde erst ab Herbst 2019 durch neue BMF-Schreiben beantwortet. Es ist zudem davon auszugehen, dass noch weitere Konkretisierungen innerhalb des verlängerten Optionszeitraums erfolgen. Bereits vorgenommene Bewertungen sind insoweit zu aktualisieren und fortzuentwickeln.


Von besonderer Bedeutung war die praktische „Einschränkung” des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG, der ursprünglich die Nichtsteuerbarkeit von Kooperationen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts begründen sollte.


Die folgenden Absätze sollen einen Überblick über die Verlautbarungen und Einblick in die Entwicklungen geben.


Was bislang geschah

Erstmalige Stellungnahme zu Anwendungsfragen des § 2b UStG

In seinem Schreiben vom 16.12.2016 „Anwendungsfragen zu § 2b UStG” hat das BMF erstmals zu Auslegungsfragen des § 2b UStG Stellung genommen.


Insbesondere wurden die Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt definiert sowie der Begriff der größeren Wettbewerbsverzerrung konkretisiert.


Weitere Erläuterungen zu diesem BMF-Schreiben können dem Rödl & Partner-Newsletter zum BMF-Schreiben vom 16.12.2016 entnommen werden.


EuGH-Rechtssprechung zu juristischen Personen des öffentlichen Rechts

Mit Schreiben vom 18.9.2019 erläutert das BMF, dass sich ausnahmsweise auch juristische Personen des Privatrechts auf das Urteil des EuGH berufen können, um unter besonderen Bedingungen wie eine juristische Person des öffentlichen Rechts behandelt zu werden.


Um diese Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen zu können, müssen die entsprechenden juristischen Personen des Privatrechts grundsätzlich eine Einrichtung des öffentlichen Rechts sein, die Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausführen. Hier ist zwingend eine Einzelfallprüfung und sorgfältige Gestaltung erforderlich. Die Hürden sind immens hoch und erfordern eine Vorababstimmung mit der Finanzverwaltung.


Erfüllung der Voraussetzungen des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG

Am 14.11.2019 hat das BMF in einem weiteren Schreiben erneut zu Anwendungsfragen des § 2b UStG Stellung genommen. Es wurde klargestellt, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG nur die Vermutung besteht, dass keine größeren Wettbewerbsverzerrungen vorliegen. Dementsprechend muss auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eine gesonderte Prüfung möglicher Wettbewerbsverzerrung nach § 2b Abs. 1 S. 2 UStG durchgeführt werden.

 

Dadurch findet § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG wohl praktisch keine Anwendung mehr.

 

Weitergehende Informationen können dem Rödl & Partner-Newsletter zum BMF-Schreiben vom 14.11.2019 entnommen werden.

 

Stellungnahmen zu Anfragen der Spitzenverbände

Das BMF hat auf Anfragen der Spitzenverbände reagiert. Gemäß Schreiben vom 15.11.2019 fällt der Verkauf von Strom und Altpapier auf privatrechtlicher Grundlage nicht unter den § 2b UStG und ist somit steuerbar.


Mit Schreiben vom 29.11.2019 stellte das BMF zudem klar, dass die privatrechtliche Gestaltung eines Anschluss- und Benutzungszwanges kein Handeln im Rahmen der öffentlichen Gewalt darstellt. Dementsprechend sind diese Leistungen grundsätzlich steuerbar und gegebenenfalls steuerpflichtig.


Ähnlich konsequent in der engen Auslegung des § 2b UStG bleibt das BMF auch bei Leistungsbeziehungen zwischen rechtlich selbstständigen Anstalten des öffentlichen Rechts (AöR) und ihren Trägerkommunen. Mit Schreiben vom 15.1.2020 hat das BMF ausgeführt, dass die tatsächlich verwirklichten Sachverhalte Grundlage der Umsatzbesteuerung sind. Es besteht keine Sonderstellung. Die Anstalten des öffentlichen Rechts nehmen insoweit grundsätzlich am Wettbewerb teil. Die Leistungsbeziehung der AöR zu ihrer Trägerkommune können demnach der Umsatzsteuer unterliegen.

 

Weitere Ausführungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Anstalten des öffentlichen Rechts unter § 2b UStG Gesichtspunkten können dem Rödl & Partner- Newsletter zur Antwort des BMF vom 15.1.2020 entnommen werden.

 

Zu einer Vielzahl von Auslegungsfragen, die dem BMF durch den Verband kommunaler Unternehmen e. V. und die kommunalen Spitzenverbände übermittelt wurden, hat das BMF mit Schreiben vom 20.2.2020 Stellung genommen.

 

Bei der Behandlung von interkommunalen Rechenzentren ist auf die Leistung abzustellen. Werden Leistungen erbracht, die gleichartig im Wettbewerb auch von privaten Dritten erbracht werden können, ist regelmäßig von einer Unternehmereigenschaft auszugehen. Des Weiteren führt auch die entgeltliche Personalgestellung regelmäßig zu einer Unternehmereigenschaft. Diese Leistungen sind dann steuerbar und gegebenenfalls steuerpflichtig.

 

Werden wesentliche Teilaufgaben für eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts in den Bereichen der Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung übernommen, ist nur dann keine Unternehmereigenschaft gegeben, wenn die Übertragung der Aufgaben auf private Dritte gesetzlich ausgeschlossen ist.

 

Die Feuerwehren erbringen grundsätzlich keine steuerbaren Leistungen, können allerdings dann eine Unternehmereigenschaft annehmen, wenn sie nicht im Rahmen der Gefahrenabwehr handeln.

 

Bei der steuerlichen Behandlung von Parkplätzen kommt es auf die Widmung an. Die Überlassung von unselbstständigen Parkbuchten auf öffentlich-rechtlich gewidmeten Straßen gegen Entgelt ist nicht umsatzsteuerbar. Dagegen ist die Überlassung selbstständiger Parkplätze auf nicht dem Straßenverkehr gewidmetem Grund sowie von Parkplätzen für Behördenbesucher und Mitarbeiter gegen Entgelt ein steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz. Weiterhin wird - wie auch in den vorhergehenden Schreiben des BMF - deutlich, dass Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage nicht in den Anwendungsbereich des § 2b UStG fallen und dementsprechend grundsätzlich steuerbar sind.

 

Die Fragestellungen zur gemeinsamen Beihilfe-, Besoldungs- und Gehaltsabrechnung, zu Konzessionsabgaben und Friedhofsgebühren sowie die Erstellung einer Positiv-/Negativliste von hoheitlichen Hilfsgeschäften werden noch auf Bund-Länder-Ebene erörtert. Weitere Schreiben sind zu erwarten und werden (hoffentlich) zu mehr Klarheit führen.

 

Verbindliche Auskünfte

Trotz der bisher veröffentlichten BMF-Schreiben und Antworten auf Auslegungsfragen bleiben viele Fragen offen. Rechtssicherheit könnte durch verbindliche Auskünfte des Finanzamtes erlangt werden. Dies ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

 

Es muss sich um einen ernsthaft geplanten und noch nicht verwirklichten Sachverhalt im Sinne des § 89 Abs. 2 Satz 1 AO handeln. Dieser liegt wohl auch dann vor, wenn ein Dauersachverhalt aufgrund einer grundlegenden Gesetzesänderung nur dann unverändert fortgeführt werden soll, wenn keine wesentlichen negativen Steuerfolgen eintreten. Darüber hinaus wäre schlüssig darzulegen, dass eine Sachverhaltsveränderung für die Zukunft möglich wäre.

 

Verbindliche Auskünfte durch die Finanzämter werden nicht erteilt, wenn zu einer grundlegend geänderten Rechtslage in absehbarer Zeit eine Verwaltungsanweisung zu erwarten ist (vgl. Nr. 3.5.4 Satz 2 des AEAO zu § 89). Hiervon kann derzeit regelmäßig ausgegangen werden.

 

Die Möglichkeit der Anrufungsauskunft wurde durch das BMF mit Schreiben vom 3.4.2020 abgelehnt. Somit kann weiterhin ausschließlich das Mittel der verbindlichen Auskunft in Anspruch genommen werden.

 

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Wie die Entwicklung des § 2b UStG zeigt, gibt es immer wieder neue Informationen, die juristische Personen des öffentlichen Rechts beachten müssen. Dennoch sind die bisher getätigten Vorarbeiten und Vorbereitungen essenziell wichtig für die Umstellung auf die Neuregelung der Umsatzbesteuerung. Auch mit Verlängerung der Umsetzungsfrist darf nicht vergessen werden, dass die Anwendung von § 2b UStG nur aufgeschoben und nicht aufgehoben wird. Vielmehr sollte diese Chance effizient genutzt werden.

 

Auch wenn viele Fragen weiterhin offen oder nicht eindeutig beantwortet sind, so sind durch die bereits ergangenen BMF-Schreiben viele Sachverhalte hinsichtlich ihrer Steuerbarkeit und Steuerpflicht (neu) bewertbar. Dementsprechend sollten die Mitarbeiter jetzt auf den neuesten Stand gebracht werden, um für die verpflichtende Umstellung der Umsatzbesteuerung gerüstet zu sein.

 

Gerne unterstützen wir Sie durch unsere praxiserprobte Expertise und die von uns entwickelten Tools in Ihren Bemühungen.

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Maik Gohlke

Steuerberater, Diplom-Finanzwirt

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