Bezugnahme auf nicht existente Anlage: Schriftformmangel?

PrintMailRate-it

KG Berlin, Urteil vom 4. November 2021, Az.: 8 U 1106/20

Es begründet für sich genommen keinen Schriftformmangel i.S.v. § 550 BGB, dass der Mietvertrag auf Anlagen Bezug nimmt, die nicht existieren.

 
Die beklagte Mieterin mietete vom Kläger ein Objekt zum Betrieb als Pension an. Das Mietvertragsformular verwies auf verschiedene Anlagen, etwa eine Betriebskostenaufstellung, eine Mietraumbeschreibung und eine Vollmacht. Beigefügt war aber nur eine Anlage zum Gewerbemietvertrag. Der Kläger erklärte wegen vermeintlicher Schriftformmängel die Kündigung. Der Mietvertrag sieht eine Laufzeit bis 31. Oktober 2020 mit Option für 2 x 5 Jahre vor. Die Beklagte beanspruchte die Optionsrechte für sich und übte diese mit Schreiben vom 1. August 2018 aus. Die Beklagte hat die Miete für April und Mai 2020 bis heute nicht gezahlt , weshalb der Kläger vorsorglich eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs erklärte.

 
Anders als die Vorinstanz, sieht das KG in dem Verweis auf die fehlenden Anlagen keinen Schriftformverstoß. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die Schriftform des § 550 BGB gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Da auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, reicht es aus, wenn der Inhalt der Vertragsbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar ist. Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. In Bezug genommene Unterlagen, die für den Inhalt des Vertrags ohne Bedeutung sind, brauchen in keinem Fall beigefügt werden. Eine Anlage, die lediglich Klarstellungs- oder Beweiszwecken dient, ist für die Schriftform ohne Bedeutung, weil sie keinen eigenen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert verkörpert. Dass der Mietvertrag eine Anlage benennt, die nicht existiert, begründet also nicht per se einen Formmangel.

 
Unter Anwendung dieser Grundsätze führt das KG Berlin aus, dass ein Schriftformverstoß insoweit nicht vorläge, wie der Mietvertrag auf die nicht existierenden Anlagen Bezug nimmt. Zum einen führe das Fehlen der Betriebskostenaufstellung als Anlage zu keinem Formmangel. Zwar gehöre die Vereinbarung, welche Nebenkosten umgelegt werden, zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen. Allerdings ergäbe sich bereits mittels Auslegung, dass unter Betriebskosten sämtliche Kostenarten zu verstehen sind, die nach der gesetzlichen Definition im Zeitpunkt des Vertragsschlusses umfasst sind. Ebenso begründe es keinen Formmangel, dass die Anlage Mietraumbeschreibung und Übergabeprotokoll fehlt. Eine solche Anlage sei nur notwendiger Vertragsbestandteil, wenn sie zur Individualisierung der Mieträume erforderlich ist. Eine Individualisierung der Räume sei hier aber nicht erforderlich, da das gesamte Gebäude vermietet war. Auch ist das Fehlen der Vollmacht unschädlich, da diese kein (wesentlicher) Vertragsinhalt, sondern ein Mittel zur Vertragsdurchführung sei. In Betracht käme allerdings die Annahme eines Schriftformmangels wegen unvollständiger Beurkundung der Optionsabrede, weil daraus nicht hervorgehe, welcher der Parteien das Optionsrecht zustehen solle. Das Gericht warf sodann die Frage auf, ob allein der empirische Umstand, dass Optionsrechte in aller Regel (nur) dem Mieter eingeräumt werden, zu der Annahme führe, dass dies dann Vertragsinhalt ist oder ob die Angabe des Optionsberechtigten bestimmbar ausgewiesen sein muss. Diese Frage ließ das Gericht aber offen, weil nach Ansicht des Senats die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs ohnehin griff.

 

Fazit:

Selbst wenn das Fehlen von Anlagen auch nach der Rechtsprechung des BGH nicht per se zu einem Schriftformmangel führt, muss im Hinblick auf die Folgen eines Verstoßes gegen § 550 BGB stets sorgfältig gearbeitet werden, insbesondere weil sich die Abgrenzung der wesentlichen von den unwesentlichen Vereinbarungen im Einzelfall als schwierig und uneindeutig darstellen kann.

Kontakt

Contact Person Picture

Harald Reitze, LL.M.

Rechtsanwalt, Attorney at Law (New York)

Partner

+49 911 9193 1325

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Johannes Gruber

Rechtsanwalt

Associate Partner

+49 911 9193 1308

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Andreas Griebel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Partner

+49 911 9193 3579

Anfrage senden

Profil

wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu