Kein Zerrüttungsprinzip in der Wohnraummiete

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veröffentlicht am  21.5.2024 | Lesedauer ca. 2 Minuten

BGH, Urteil vom 29. November 2023, Az.: VIII ZR 211/22​

Das aus dem Familienrecht bekannte Zerrüttungsprinzip erlaubt in der Wohnraummiete keine fristlose Kündigung. Im Wohnraummietrecht reicht eine Zerrüttung des Mietverhältnisses im Sinne einer Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage allein, ohne dass festgestellt werden kann, dass diese zumindest auch durch ein pflichtwidriges Verhalten des anderen Vertragsteils verursacht worden ist, nicht aus, um einer Mietvertragspartei ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses zuzubilligen.

Gegenstand der Entscheidung war ein seit dem Jahr 2011 bestehendes Mietverhältnis über eine im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses gelegene Vierzimmerwohnung. Der klagende Vermieter bewohnt die Wohnung im Erdgeschoss des Hauses. Seit 2014 kam es zwischen den Parteien zu regelmäßigen Auseinandersetzungen wegen angeblicher beidseitiger Vertragsverletzungen. 2020 erstattete die Beklagte Strafanzeige wegen Verleumdung. Aufgrund dieser Strafanzeige und der „Zerrüttung”​ des Mietverhältnisses erklärte die Klägerin die außerordentliche fristlose, hilfsweise die fristgerechte Kündigung.

Die Räumungsklage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des BGH hat die fristlose Kündigung das Mietverhältnis nicht beendet. Es lag kein wichtiger Kündigungsgrund i.S.v. §§ 543 Abs. 1 S. 2​, 569 Abs. 2 BGB ​vor.

Im Wohnraummietrecht genügt grundsätzlich allein die Zerrüttung des Mietverhältnisses im Sinne einer Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage nicht, um dieses fristlos zu kündigen. Insbesondere dann, wenn die auf die Kündigung gestützten Umstände, vom Kündigenden herrühren. Es verhielt sich vorliegend so, dass die in der Strafanzeige erhobenen Vorwürfe der Wahrheit entsprachen. Es müssten einzelne Vorfälle vorgetragen werden, die eine Kündigung rechtfertigen. Eine Strafanzeige mit im wesentlichen richtigen Tatsachenbehauptungen ist dabei untauglich.

Ein wichtiger Grund zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen besteht nur, wenn der Grund, auf den die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich der anderen Partei liegt. Eine Zerrüttung kann nur angenommen werden und die Kündigung rechtfertigen, wenn die weitere Vertragsdurchführung durch die Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage derart gefährdet ist, dass dem Kündigenden unter Abwägung der beidseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Dies gilt auch, obwohl die nachhaltige Störung des Hausfriedens gem. § 569 Abs. 2 BGB​ einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bildet. Dies setzt jedoch voraus, dass eine Mietpartei das Gebot der Rücksichtnahme in solch schwerwiegender Weise verletzt, dass die Nutzung der Mietsache durch die anderen Mieter sowie den im Haus lebenden Vermieter massiv gestört wird.

Fazit:​​

Um die außerordentliche fristlose Kündigung von Dauerschuldverhältnissen zu rechtfertigen, muss die Durchführung des Vertrags durch die Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage durch das Verhalten eines Vertragsteils derart gefährdet ist, dass diese dem Kündigenden bei strenger Prüfung nicht mehr zuzumuten ist. Die auf die Kündigung gestützten Gründe dürfen nicht vom Kündigenden selbst herbeigeführt werden.



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