Kündigung bei beabsichtigter Mischnutzung

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​veröffentlicht am 21.5.2024 | Lesedauer ca. 2 Minuten

BGH, Urteil vom 10. April 2024, Az.: VIII ZR 286/22​

Beabsichtigt der Vermieter eine Mischnutzung der Mietwohnung, genügt für das Vorliegen eines berechtigten Interesses, dass ihm bei verwehrtem Bezug ein Nachteil entsteht. 

Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis über Wohnräume. Der Kläger als Vermieter kündigte dem Beklagten als Mieter der Wohnung das Mietverhältnis ordentlich. Zur Begründung gab dieser an, die Räume überwiegend für seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt mit einer Teilzeitkraft sowie eventuell mit Berufskollegen nutzen und dort auch seinen Wohnsitz begründen zu wollen. Die beabsichtigte Nutzung stelle ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses als Betriebsbedarf dar. Der Kläger erhob sodann Klage auf Räumung gegen den Beklagten.

Der BGH bejaht entgegen den vorherigen Instanzen den Anspruch des Klägers auf Räumung und Herausgabe der Wohnung und begründet seine Entscheidung wie folgt: Der Kläger beabsichtigt, die Mieträume gemischt zu nutzen, nämlich sowohl zur Ausübung seiner freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt sowie für eigene Wohnzwecke. Anders als bei einer Verwertungskündigung geht es dem Kläger damit nicht um die Realisierung des den Mieträumen innewohnenden materiellen Werts, etwa durch Vermietung oder Veräußerung. Vielmehr möchte der Kläger seine freiberufliche Tätigkeit ermöglichen. Ein (eigentlicher) Eigenbedarf ist ebenfalls abzulehnen, weil die geschäftliche Mitnutzung der Mieträume die ebenfalls beabsichtigte Nutzung für eigene private Wohnzwecke überwiegen soll. Der Kläger hat jedoch ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses. Bei der Prüfung des berechtigten Interesses ist eine Abwägung zwischen dem Erlangungsinteresse des Klägers und dem Bestandsinteresse des Beklagten vorzunehmen. Der Kläger muss vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung haben, die den Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen lassen. Dabei geben die typisierten Regeltatbestände des Eigenbedarfs einen ersten Anhalt für die von den Gerichten jeweils vorzunehmende Interessenbewertung und -abwägung. Es ist zu prüfen, mit welchem der Regeltatbestände das vom Vermieter geltend gemachte Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses am ehesten vergleichbar ist. Der ernsthafte, auf nachvollziehbare Gründe gestützte Entschluss des Vermieters, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer freiberuflichen Tätigkeit nachzugehen, weist eine größere Nähe zum Tatbestand des Eigenbedarfs auf. Der Kläger will nicht nur sein Wohnungseigentum zu eigenen geschäftlichen Zwecken nutzen, sondern er will in der Mietwohnung auch einen persönlichen Lebensmittelpunkt begründen. Aufgrund der besonderen Nähe zu dem Tatbestand des Eigenbedarfs ist daher nicht erforderlich, dass die Vorenthaltung der Mieträume für den Kläger einen gewichtigen Nachteil begründet. Es genügt bereits ein beachtenswerter Nachteil. In solchen Fällen ist dem Erlangungsinteresse des Vermieters der Vorzug vor dem Bestandsinteresse des Mieters zu gewähren. Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, dass er sein Nutzungskonzept vermutlich auch in einer anderen Wohnung umsetzen kann. Höhere Anforderungen sind nur zu stellen, wenn die Nutzung zu Wohnzwecken einen völlig untergeordneten Raum einnimmt. Abzustellen ist dabei auf die Umstände des Einzelfalls. 

Fazit:​

Die Absicht des Vermieters, seine Wohnung sowohl für eigene private Wohnzwecke als auch für seine freiberufliche Tätigkeit nutzen zu wollen, unterfällt nicht per se der Eigenbedarfskündigung, an die grundsätzlich keine überhöhten Anforderungen zu stellen sind. Aufgrund der besonderen Nähe zu dem Tatbestand des Eigenbedarfs genügt daher ein beachtenswerter Nachteil bei Vorenthaltung der Mieträume. Grundsätzlich wird dies bei einer auf nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen beruhenden Lebens- und Berufsplanung des Vermieters aufgrund lebensnaher Betrachtung häufig gegeben sein. Trotzdem sollte zwingend vor der Erhebung einer Räumungsklage geprüft werden, ob die Kündigung wirksam ist.



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