Neuer StVG-Referentenentwurf

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​veröffentlicht am 10. Februar 2021

 

Das BMJV hat seine notwendige Zustimmung zum Entwurf der StVG-Novelle nicht erteilt (wir berichteten Ausgabe 02/2021). Nun hat das BMVI in der letzten Januarwoche einen neuen Referentenentwurf in die Verbändeanhörung geschickt, wobei den Verbänden nur drei Arbeitstage Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt wurde, was vielfach kritisiert wurde.

 

Wir haben für ein Stimmungsbild einige für den ÖPNV besonders wichtige Punkte herausgegriffen.

 

Im Vergleich zu den vorangegangenen Entwürfen und der von uns beschriebenen Struktur, haben sich vor allem Details geändert. Größte Neuerung ist ein umfangreicher Paragraph zur Datenverarbeitung. In diesem wird festgelegt, welche Datenkategorien (abschließend), zu welchen Anlässen (nicht abschließend) gespeichert werden müssen. Darüber hinaus wird der Hersteller verpflichtet, den Halter über die Einstellungsmöglichkeiten zur Privatsphäre und Verarbeitung von Daten zu informieren und entsprechende Einstellungen zu ermöglichen.

 

Datenverarbeitung

Der BvD (Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands) mahnt an, nicht nur die Datenkategorien, sondern auch die Anlässe, zu denen die Datenkategorien gespeichert werden dürfen, abschließend festzulegen, bzw. zu regeln, wann keine Speicherung erfolgen dürfe.

 

Differenzen bestehen bei der Behandlung von Daten, die während des Betriebs des Fahrzeuges mit autonomer Fahrfunktion anfallen. Einerseits wird die Ansicht vertreten, dass die Verpflichtung, die Daten lokal im Fahrzeug zu speichern Sicherheitsrisiken berge (VDA – Verband der Automobilindustrie) und darüber hinaus in die „kommerzielle Freiheit” der Hersteller eingegriffen werde, wenn man diesen nicht mehr das Recht einräume, die Bedingungen zu bestimmen, zu denen und mit wem die Daten geteilt werden (bitkom). Andererseits wird eine Datensouveränität der Betreiber (VDV - Verband Deutscher Verkehrsunternehmen) bzw. Verbraucher (GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) begrüßt, aber auch angeregt, ein verkehrsmittelübergreifendes Mobilitätsdatengesetz zu etablieren (VZBV – Verbraucherzentrale Bundesverband).

 

Technische Aufsicht

Die Technische Aufsicht ist grundsätzlich kein Fahrzeugführer und hat daher auch keinen unmittelbaren Einfluss auf die Fahrzeugsteuerung. Sie kann lediglich jederzeit Fahrmanöver selbst vorgeben, oder solche der autonomen Fahrfunktion freigeben, die von dem System aber jeweils selbstständig umgesetzt werden. Darüber hinaus kann die Technische Aufsicht die Fahrfunktion nur deaktivieren, mit der Konsequenz, dass sich das Fahrzeug in den risikominimalen Zustand (Stillstand) begibt. Aus Gründen der Gefahrenabwehr könne es jedoch aus Sicht des VDV als ultima ratio geboten sein, für Notfälle auch eine teleoperierte Fahrzeugsteuerung vorzusehen, um das Fahrzeug und die Insassen nach einer Havarie in Sicherheit zu bringen.

 

Weitgehend Einigkeit besteht bei den Stellungnahmen darüber, dass die Technische Aufsicht entsprechend dem Gesetzesentwurf nicht gesondert wie ein Fahrzeugführer aus dem StVG wegen vermutetem Verschulden haften solle, sondern die verschuldensabhängige allgemeine deliktische Haftung genüge (bitkom, VDV). Für den GDV stellt sich jedoch noch die Frage, ob die Technische Aufsicht als Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe des Halters tätig werde, da dies für die Zurechnung des Verschuldens unterschiedliche Konsequenzen habe.

 

Unklarheit herrscht insbesondere bei der Frage, ob die Technische Aufsicht permanent einem einzigen Fahrzeug zugeordnet werden muss, welches sie dann wie von der VZBV gefordert, ständig überwachen und im Blick haben müsse, oder ob auch ein Betreuungsschlüssel von einer Technischen Aufsicht auf mehrere Fahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion vorgesehen sei. Der GDV stellt sich daher die Frage, wie viele Fahrzeuge durch eine einzige Technische Aufsicht pro Schicht überwacht werden dürften.

 

Diese Frage ist auch für den VDV von Interesse, da es bei einem Betreuungsschlüssel von Eins-zu-Eins kaum wirtschaftlich sinnvoll für Unternehmen sei, den Fahrzeugführer lediglich durch die Technische Aufsicht zu ersetzen, zumal die Anforderungen an die Qualifikationen bei Letzterer wesentlich höher seien (VDV).

 

Dies ist auch gleich der nächste Kritikpunkt, der aus den Stellungnahmen hervorgeht. Großes Unverständnis herrscht gegenüber der Anforderung, dass die Technische Aufsicht hohe akademische Qualifikationen haben müsse. Dies sei zum einen aus der Perspektive des Fachkräftemangels überarbeitungsbedürftig (VDA, VDV) und zum anderen auch nur für das Personal, welches die technische Wartung vornehme, wirklich erforderlich (bitkom).

 

Eine weitere Frage wirft der VDA in seiner Stellungnahme auf. So sei es vorgesehen, dass die Technische Aufsicht veranlasse, dass sich das Fahrzeug selbstständig in den risikominimalen Zustand versetze, wenn es dies nicht selbstständig schaffe. Hierbei handele es sich um einen Zirkelschluss, da das Fahrzeug ja gerade nicht in der Lage sei, diesem Befehl selbstständig Folge zu leisten.

 

Fähigkeiten des Fahrzeuges

Das Fahrzeug mit autonomer Fahrfunktion muss innerhalb gesondert zugelassener Betriebsbereiche die Fahraufgabe selbstständig wahrnehmen können und sich bei Erreichen der Systemgrenze oder einer Störung selbstständig in den risikominimalen Zustand versetzen können.

 

Kritisiert wird, dass bei einem Abbruch der Funkverbindung, unabhängig von der Dauer des Abbruchs, die Anforderung besteht, dass sich das Fahrzeug sogleich in den risikominimalen Zustand zu begeben habe (bitkom, VDA). Nach Auffassung des bitkom solle das Fahrzeug in der Lage sein, auch ohne jede Funkverbindung fahren zu können. Bei dieser Ansicht drängt sich jedoch die Frage auf, wie dann gewährleistet werden kann, dass die Technische Aufsicht jederzeit Manöver erteilen/freigeben, oder die Fahrfunktion deaktivieren kann, wenn nicht sichergestellt ist, dass eine permanente Verbindung zwischen Fahrzeug und Leitstelle besteht.

 

Auch sei es nicht verhältnismäßig, dass die Technische Aufsicht die Freigabe eines durch die autonome Fahrfunktion vorgeschlagenen Fahrmanövers, welches aufgrund eines bevorstehenden StVO-Verstoßes erforderlich werde, nur aus dem risikominimalen Zustand heraus freigeben dürfe und nicht aus der laufenden Fahrt (bitkom).

 

Dem VDV fehlen konkrete Regelungen darüber, wie mit „sonstigen Verkehrsvorschriften”, die sich nicht an die Fahrzeugsteuerung richten, umgegangen werden soll. So könnten viele Verkehrsvorschriften zwar von dem Fahrzeug „selbst” ausgeführt werden, andere würden hingegen ein menschliches Handeln erfordern, welches ohne verantwortliche Person innerhalb des Fahrzeuges ja gerade nicht erfüllt werden könne. Eine Verantwortungszuteilung für die Einhaltung „sonstiger Verkehrsvorschriften” an Betreiber und Halter müsse daher hinreichend klar und bestimmt formuliert sein.

 

Rolle der Hersteller

Mit zunehmender Automatisierung werden Entscheidungen, die die Fahraufgabe betreffen nicht mehr von der fahrzeugführenden Person, sondern bereits bei der Programmierung der Fahrfunktion getroffen, sodass der programmierende Hersteller letztlich vorgibt, wie das Fahrzeug die Fahraufgabe erfüllt. Der VDV und die VZBV halten dementsprechend eine Haftungsverlagerung auf die Hersteller für erforderlich, da diese bei autonomen Fahrsystemen den maßgeblichen Einfluss auf deren Verhalten und Sicherheit hätten.

 

Bewertung für die Praxis

Die Darstellung zeigt, dass es noch einiger Detailklärungen bedarf, dass die Verbände aber mit dem Gerüst und vielen Inhalten bereits auf einem recht hohen Niveau einig sind, sodass nach wie vor die Hoffnung besteht, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht wird und sich das Vorhaben nicht weiter verzögert.

 

 

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