Die Verkehrswende und ihre Finanzierung

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veröffentlicht am 16. November 2022​

 

Gemeinsam mit der Unternehmensberatung Mobilité berät Rödl & Partner den Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) zur Erreichung der klimapolitischen Verkehrsziele. Der VRS möchte wissen, welche Investitionen in den ÖPNV notwendig sind, um das bundes- und landespolitische Ziel einer Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 im Gebiet des VRS zu erreichen. Um eine entsprechende Verlagerung zugunsten des ÖV zu erreichen, soll laut Koalitionsvertrag in NRW das Angebot bis 2030 um 60 % ausgebaut werden. Hierzu sind für das Gebiet des VRS zusätzliche Investitionen in Höhe von voraussichtlich 540 Mio. Euro pro Jahr notwendig.

 

Notwendigkeit einer dritten Finanzierungssäule


Derzeit wird der ÖPNV aus dem Fahrkartenverkauf und öffentlichen Zuschüssen finanziert. Einnahmen aus Werbung und Vermietung spielen eine untergeordnete Rolle. Als sog. dritte Finanzierungssäule kommen Beiträge und Sonderabgaben in Betracht.

 

Ziele, welche mit der Auswahl der Finanzierungsinstrumente verfolgt wurden:

  • Deckung des Finanzierungsbedarfs;
  • Steuerungswirkung zugunsten des Umstiegs auf den ÖPNV;
  • Rechtssicherheit der Umsetzung;
  • Vermeidung einseitiger und übermäßiger Belastung einer bestimmten Personengruppe;
  • Berücksichtigung der Bewohnerstruktur (Stadt/ Land).


Zusammengefasst kam die Beratung zu folgenden Ergebnissen, die in diesem Beitrag vertieft nachgelesen werden können: Um den Ausbau zu ermöglichen, sind erhebliche Finanzmittel notwendig, die u. a. durch den Einbezug sog. Drittnutzer erreicht werden können. Durch eine Drittnutzerfinanzierung werden Anlieger an der Finanzierung beteiligt, die durch die vorhandene ÖPNV-Infrastruktur einen (ökonomischen) Nutzen haben. In Deutschland gibt es bislang sehr wenig Beispiele für eine Drittnutzerfinanzierung.

 

Als denkbare Finanzierungsmodelle wurden näher betrachtet:

  • City-Maut, Gebühr für die Durchfahrt einer Stadtzone
  • Parkraumbewirtschaftung
  • ÖPNV-Grundbeitrag, von allen Bürger*innen zu erhebender Beitrag, Ticketerwerb bleibt notwendig
  • Bürger*innenticket, vergünstigtes Ticket mit begrenztem Fahrkontingent, darüber hinaus Ticketerwerb notwendig
  • Kfz-Abgabe für die nutzungsunabhängige Haltung eines Kraftfahrzeugs
  • Einbezug in Hebesatz der Grundsteuer für alle Eigentümer und durch Umlage auch Mieter

 

Taugliche Finanzierungsmodelle beruhen auf dem Gedanken, dass der Drittnutzer von einer geringeren Verkehrsdichte (City-Maut, Parkraumbewirtschaftung, Kfz-Abgabe) oder einer verbesserten Anbindung (ÖPNV-Grundbeitrag, Bürger*innenticket, Berücksichtigung im Rahmen des Hebesatzes der Grundsteuer) profitiert.

 

Rechtliche Erwägungen


Zur rechtskonformen Ausgestaltung dieser Maßnahmen bedarf es der Erwägung der folgenden Punkte:

 

Bei den Finanzierungsmitteln des ÖPNV-Grundbeitrags, Bürger*innentickets und der City-Maut ist die Schaffung einer tauglichen Rechtsgrundlage durch das Land notwendig. Bei der Parkraumbewirtschaftung, die derzeit im Sicherheits- und Ordnungsrecht geregelt ist, wäre eine Ausgestaltung der Rechtsgrundlage zu Verkehrssteuerungszwecken sinnvoll.

 

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Maßnahmen des ÖPNV-Grundbeitrags und Bürger*innentickets an eine realistische Nutzungsmöglichkeit der Bürger geknüpft ist (Äquivalenzprinzip). Um dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG gerecht zu werden, ist es sinnvoll, die Beiträge aufgrund der Anbindungsqualität zu staffeln. Reduzierungs- und Befreiungsmöglichkeiten sollten für Personen mit geringerem Einkommen und solche, die den ÖPNV nachweislich nicht nutzen können, geschaffen werden. Hinsichtlich der Kfz-Abgabe ist, neben einer Befreiungsmöglichkeit für zwingend auf ein Fahrzeug angewiesene Menschen, eine Abgrenzung zu Kfz-Steuer des Bundes zu gewährleisten, um eine Doppelbelastung der Halter auszuschließen.

 

Mittelverwendung


Auf der Einnahmenseite ist schließlich die sog. Zweckbindung der Einnahmen zu berücksichtigen. Sichergestellt werden muss, dass die Erträge dem ÖPNV zugutekommen. Bei der City-Maut kann nur der Teil der Maut für den ÖPNV Verwendung finden, der die Lenkungswirkung (Umstieg) erzeugen soll. Hingegen können die Einnahmen aus dem ÖPNV-Grundbeitrag und Bürger*innenticket direkt Verwendung finden. Ein erhöhter Hebesatz wäre in seiner Verwendung flexibel, da Steuern zweckungebundene Einnahmen darstellen.

 


Bewertung für die Praxis


Die oben beschriebenen Erwägungen zeigen, dass es zur rechtskonformen Ausgestaltung einer Drittnutzerfinanzierung einer genauen Prüfung verschiedener Aspekte bedarf. Zuvor muss der genaue Bedarf und seine Erreichbarkeit durch die zur Verfügung stehenden Mittel untersucht werden. Welche Mittel in Betracht kommen, hängt auch stark von der Gebietsstruktur des Raumes ab. Letztendlich sind zur Einführung einer Drittnutzerfinanzierung Gesetzesanpassungen erforderlich, sodass politischer Handlungsbedarf erforderlich ist, um den Ausbau des ÖPNV und damit die Verkehrswende zu erreichen.

 

Ähnliche Erwägungen werden derzeit im Rahmen der Mittelverwendung aus der reformierten LKW-Maut angestellt: Bisher wurden die LKW-Mauteinnahmen für den Autobahnausbau verwendet. Möglich wäre, diese in den Schienenausbau zu investieren, um einen klimafreundlichen Umstieg der Logistik zu fördern (Vorstoß Bündnis 90/ Die Grünen).

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