Dauerdefizitäre Betriebe in der Verpachtung: Wie Kommunen steuerliche Fallstricke vermeiden und rechtssicher agieren können​

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​veröffentlicht am 1. September 2025​



Das BMF-Schreiben vom 15.12.2021 markiert eine grundlegende Neuausrichtung in der steuerlichen Beurteilung der Verpachtung dauerhaft defizitärer kommunaler Einrichtungen – etwa von Schwimmbädern oder dem öffentlichen Personennahverkehr. Ab dem 1.1.2027 ist eine strengere Auslegung der Entgeltlichkeit verpflichtend anzuwenden. Diese Änderung hat erhebliche Auswirkungen auf bestehende steuerliche Gestaltungen, insbesondere im Bereich des steuerlichen Querverbunds. Kommunen sollten daher ihre bestehenden Pachtverhältnisse frühzeitig und sorgfältig auf etwaigen Anpassungsbedarf hin überprüfen.

Verpachtet eine Kommune einen vollständig eingerichteten Betrieb, wie z. B. ein Schwimmbad oder eine Gaststätte, entgeltlich an einen Dritten, wird in der Regel ein sogenannter Verpachtungsbetrieb gewerblicher Art (BgA) im Sinne des § 4 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) begründet. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines entgeltlichen Pachtverhältnisses. Nach bisheriger Verwaltungspraxis genügte es häufig, Pachtzahlungen und etwaige Zuschüsse vertraglich zu trennen. Sofern Pachtvertrag und Zuschussvereinbarung in separaten Verträgen geregelt waren, wurde dies von der Finanzverwaltung anerkannt (vgl. Körperschaftsteuerrichtlinie 2015 R 4.3).

Mit dem genannten BMF-Schreiben wurde jedoch ein Paradigmenwechsel eingeleitet: Für die steuerliche Würdigung ist künftig allein die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung entscheidend. Eine rein formale Trennung reicht nicht mehr aus, wenn faktisch keine tragfähige Entgeltlichkeit vorliegt.

Zur Umsetzung dieser Neuregelung wurde zunächst eine Übergangsfrist eingeräumt. Mit BMF-Schreiben vom 14.1.2025 wurde diese Frist nochmals verlängert. Die neuen Vorgaben sind nun spätestens ab dem 1.1.2027 verbindlich anzuwenden. Die Verlängerungsfrist knüpft an die zeitliche Anwendbarkeit des Regimes des § 2b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) an. Voraussetzung ist allerdings, dass bei der betroffenen juristischen Person des öffentlichen Rechts (jPöR) § 2b UStG noch keine Anwendung findet und für den betreffenden Verpachtungs-BgA bereits bis zum 31.12.2024 von der Übergangsregelung Gebrauch gemacht wurde.

Hintergrund​

In der kommunalen Gestaltungspraxis werden regelmäßig – aus teils sehr unterschiedlichen Beweggründen – dauerhaft defizitäre Einrichtungen wie Hallen- und Freibäder oder andere Sportstätten an privatrechtlich organisierte Gesellschaften überlassen. Zur Begründung der Unternehmereigenschaft der jPöR wird mit der Betreibergesellschaft ein Pachtvertrag geschlossen, der auf Ebene der jPöR die Absicht der Einnahmenerzielung und damit das Vorliegen eines Verpachtungsbetriebs gewerblicher Art begründen soll.

Da jedoch sowohl die Betreibergesellschaft als auch die jPöR regelmäßig nicht in der Lage sind, den Betrieb der Einrichtung kostendeckend oder gar gewinnbringend zu führen, verpflichtet sich die jPöR in der Praxis häufig, die aus dem laufenden Betrieb entstehenden Verluste durch Zuschüsse auszugleichen.

Im Folgenden wird dargestellt, unter welchen Bedingungen es sich um einen steuerlich anzuerkennenden BgA der jPöR oder um eine steuerlich irrelevante hoheitliche Tätigkeit handelt.
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​Krite​​rium
​Betrieb gew​erblicher
Art (BgA)

Nichtwirtschaftliche
Tätigkeit

Rechtsgrundlage
​​​§ 4 Abs. 1 und 4 KStG
keine BgA-Begründung, daher außerhalb des Körperschaftsteuerrechts​
​Pachtverhältnis
entgeltlich (marktüblich oder wirtschaftlich tragfähig)
unentgeltlich oder nur
formal entgeltlich​
​Zuschüsse der jPöR 
keine oder nur geringfügige Betriebskostenzuschüsse
Zuschüsse übersteigen
die Pacht deutlich​
​Zielsetzung
Einnahmeerzielung, wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb​
Daseinsvorsorge, keine Gewinnerzielungsabsicht​
Verlustübernahme durch jPöR
​nicht vorgesehen oder
nur in Ausnahmefällen
regelmäßig vereinbart
zur Deckung laufender Defizite ​
Beispielhafte Einrichtungen
Verpachtung eines Restaurants mit marktüblicher Pacht​
Verpachtung eines Schwimmbads mit hohem Zuschussbedarf​
Folge für Körperschaftsteuer
BgA unterliegt der Körperschaftsteuer
keine Körperschaftsteuerpflicht​
​Folge für Umsatzsteuer
Regelbesteuerung möglich
​kein Leistungsaustausch
→ kein Vorsteuerabzug

Abbildung 1: Abgrenzung: Verpachtung kommunaler Einrichtungen – BgA oder
nichtwirtschaftliche Tätigkeit (eigene Darstellung)​

Neue Rechtslage ab 2021​

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 10.12.2019 (Az. I R 58/17) entschieden, dass ein BgA nicht vorliegt, wenn der Betriebskostenzuschuss die vereinbarte Pacht erheblich übersteigt. In einem solchen Fall fehlt es an der erforderlichen Entgeltlichkeit des Pachtverhältnisses.

Diese Rechtsauffassung wurde durch das BMF mit Schreiben vom 15.12.2021 übernommen. Eine rein formale Trennung von Pacht und Zuschuss reicht künftig nicht mehr aus. Gleichzeitig wurde jedoch eine Übergangsregelung zur Anwendung eingeräumt, deren Frist – wie oben dargestellt – inzwischen nochmals 
verlängert wurde.

Ergänzend hat die Oberfinanzdirektion (OFD) Nordrhein-Westfalen mit Verfügung vom 4.3.2025 konkretisiert, welche typischen Zuschüsse oder Leistungen bei der Beurteilung der Entgeltlichkeit im Rahmen der Verpachtung kommunaler Einrichtungen zu berücksichtigen sind. Beispiele (insbesondere bei Bäderbetrieben) sind:

  • ein fester Zuschuss pro Badegast,
  • Entgelte für Schulschwimmen,
  • die unentgeltliche Überlassung kommunaler
  • Mitarbeitender (z. B. Schwimmmeister),
  • oder die Übernahme von Betriebskosten wie Energie durch die Kommune.
  • Fazit der Rechtslagenänderung im Jahre 2021

Mit dem BMF-Schreiben vom 15.12.2021 und der ergänzenden Verfügung der OFD Nordrhein-Westfalen vom 4.3.2025 wird die steuerliche Behandlung der Verpachtung dauerhaft defizitärer kommunaler Einrichtungen – wie Schwimmbäder, Sportstätten oder ÖPNV-Betriebe – grundlegend neu ausgerichtet. Im Fokus steht dabei die Frage, ob ein entgeltliches Pachtverhältnis vorliegt, das zur Begründung eines steuerlich relevanten Verpachtungsbetriebs gewerblicher Art führt.

Während bislang eine formale Trennung von Pachtzahlungen und Zuschüssen ausreichte, rückt künftig die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung in den Mittelpunkt. Zuschüsse, die die Pacht deutlich übersteigen, können die Entgeltlichkeit und damit die steuerliche Anerkennung des BgAs gefährden – mit unmittelbaren Folgen für den steuerlichen Querverbund.
Die folgende Übersicht stellt die wesentlichen Unterschiede zwischen der bisherigen und der ab dem 1.1.2027 verbindlich geltenden Rechtslage kompakt gegenüber und zeigt, worauf Kommunen jetzt achten sollten:
 
​Aspekt
​Bisherige Rechtslage
Neue Rechtslage
(ab 1.1.2027)​

Beurteilungsmaßstab
​formale Betrachtung (Trennung von Pachtvertrag und Zuschussvertrag ausreichend)
​wirtschaftliche Gesamtbetrachtung maßgeblich
Entgeltlichkeit
​formell gegeben, wenn Pacht gezahlt und Zuschüsse separat geregelt
​nur gegeben, wenn die Pacht wirtschaftlich tragfähig ist und
die Zuschüsse untergeordnet sind
Zuschüsse der jPöR
​konnten neben der Pacht gewährt werden, ohne Entgeltlichkeit infrage zu stellen​
​Zuschüsse, die die Pacht
deutlich übersteigen, führen zur Verneinung der Entgeltlichkeit
Begründung eines BgAs
​möglich trotz hoher Zuschüsse, sofern formale Trennung eingehalten wurde
​kein BgA bei fehlender wirtschaftlicher Entgeltlichkeit
Rechtsprechung
​BFH-Urteil vom 10.12.2019
(IR 58/17) zunächst nicht konsequent umgesetzt
​BMF-Schreiben vom 15.12.2021 setzt BFH-Rechtsprechung verbindlich um
Verwaltungspraxis
​großzügige Anerkennung von Verpachtungs-BgA bei kommunalen Einrichtungen
​strengere Prüfung durch Finanzverwaltung
Übergangsregelung
​ursprünglich bis
2025 vorgesehen
​verlängert durch BMF-Schreiben vom 14.1.2025 – Anwendung spätestens ab 1.1.2027
Auswirkungen auf Querverbund
​steuerlicher Querverbund konnte trotz Zuschüssen genutzt werden
​Gefährdung des Querverbunds
bei fehlender Entgeltlichkeit

Abbildung 2: Rechtslagenvergleich (eigene Darstellung)​

Ausblick

Für betroffene Kommunen besteht dringender Handlungsbedarf. Zum einen sind die ertrag- und umsatzsteuerlichen Konsequenzen einer möglichen Nichtanerkennung des Verpachtungs-BgAs sorgfältig zu analysieren. Zum anderen sollten die bestehenden Vertragsverhältnisse zwischen Verpächter und Pächter kritisch überprüft werden. Denn häufig dienen diese Gestaltungen auch dem Ziel, die Ergebnisverrechnung im Rahmen des steuerlichen Querverbunds abzusichern.

Die geänderte Verwaltungsauffassung bringt erhebliche steuerliche Auswirkungen mit sich. Kommunen sollten daher zeitnah prüfen, ob ihre Pachtverhältnisse über dauerhaft defizitäre Einrichtungen – wie etwa Schwimmbäder oder den öffentlichen Personennahverkehr – unter die neuen Vorgaben fallen. Für betroffene Kommunen besteht u. a. für die folgenden Punkte akuter Handlungsbedarf:

  • Prüfung der ertrag- und umsatzsteuerlichen Folgen bei Nichtanerkennung eines BgAs
  • Analyse der bestehenden Vertragsverhältnisse zwischen Verpächter und Pächter
  • Sicherung der steuerlichen Wirkungen innerhalb des Querverbunds​

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