Teilwarmmietenmodell im Wohnungsmietrecht – Ein geeignetes Anreizinstrument zum Klimaschutz?

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​veröffentlicht am 7. Dezember 2021

 

SPD, Grüne und FDP haben mit dem Koalitionsvertrag die politischen Rahmenbedingungen der nächsten Legislaturperiode festgelegt. Der klare Fokus liegt hierbei auf den Bereichen Bauen, Wohnen und Klimaschutz. Neben den Zielen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und das Wohneigentum zu stärken sind insbesondere umfangreiche Änderungen im Gebäudeenergiegesetz geplant, welche die Energieeffizienzvorgaben für Gebäude in den kommenden Jahren deutlich anheben werden.


Ein mögliches Anreizinstrument auf Seiten der Vermietenden, bauliche und technische Verbesserungen zur Minderung von Treibhausgasemissionen vorzunehmen, könnte dabei die Umstellung des im Miet- und Heizkostenrecht angelegten bisherigen „Kaltmietensystems” auf ein „Teilwarmmietensystem” sein.


Die Frage, ob diese Umstellung für die Klimaschutzstrategie im Gebäudesektor sinnvoll und machbar ist, soll im Folgenden näher beleuchtet werden.


Teilwarmmietenmodell – Kurz erklärt

Bei dem Modell der Teilwarmmiete werden die Heizkosten in die Grundheizkosten und die nutzungsabhängigen Heizkosten aufgeteilt. Die Grundheizkosten werden mit der Nettomiete zu der sogenannten Teilwarmmiete zusammengefasst. Diese wird vom Mieter an den Vermieter entrichtet.
Als Gegenleistung für die nun um die Grundheizkosten erhöhte Mietzahlung hat der Vermieter für eine Grundbeheizung der Wohnung zu sorgen. Der nutzungsabhängige Teil der Heizkosten wird wie nach der heute üblichen Methode an den Vermieter gezahlt und am Ende des Jahres verbrauchsabhängig abgerechnet.


Der Vermieter zahlt den gleichen Betrag als Brennstoffkosten an den Energieversorger wie zu Beginn. Ihm stehen insoweit die gleichen Einnahmen zu.


Vor einer energetischen Modernisierung unterscheidet sich die Teilwarmmiete von der heutigen Situation also nur durch die Art, wie die Heizkosten gezahlt werden. Weder für den Vermieter noch für den Mieter ändert sich die Höhe der Zahlungen oder Einnahmen.


Die Unterschiede ergeben sich erst nach der Durchführung von Energiesparmaßnahmen.
Für den Mieter ändert sich auch nach der Umsetzung der Energiesparmaßnahmen nichts. Er zahlt weiterhin die Teilwarmmiete an den Vermieter, die neben der Nettomiete auch die Grundheizkosten enthält. Zusätzlich zahlt er nutzungsabhängige Heizkosten, die am Ende des Jahres verbrauchsabhängig abgerechnet werden.


Der Vermieter hingegen muss nach der energetischen Modernisierung wegen des geringeren Energieverbrauchs des Gebäudes nur noch einen geringeren Betrag an Brennstoffkosten an den Energieversorger abführen. Da er aber die gleiche Teilwarmmiete vom Mieter bekommt, wie vor der energetischen Modernisierung, ergeben sich für ihn zusätzliche Mieteinnahmen. Er erhält insoweit also einen Anreiz für Investitionen in klimaschonende Technologien, der mit steigendem CO2-Preis immer größer wird. Zumal über diese zusätzlichen Einnahmen die Energiesparmaßnahmen wieder refinanziert werden können.


Motivation und Ziele

Die Idee der Umstellung auf ein Teilwarmmietensystem zielt in erster Linie auf die Bestandsgebäude. Der Sinn derselben liegt darin, im Mietverhältnis einen Anreiz zur Senkung des Heizenergieverbrauchs auf der Seite der Vermietenden zu schaffen. Ein solcher Anreiz fehlt im gegenwärtigen Kaltmietensystem, weil der Vermieter keinen Nutzen aus einer Einsparinvestition hat, da es sich bei den Heizkosten für ihn um einen durchlaufenden, immer vom Mieter zu tragende Position handelt. Eine Heizosteneinsparinvestition würde deshalb seinen Gewinn mindern und Kapital binden. Der Mieter, der zur Entlastung von hohen Heizkosten einen Anreiz zur Einsparinvestition hat, kann und will keine Investition in ein fremdes Gebäude vornehmen.

 

Schon mietrechtlich sind Nutzereinbauten regelmäßig problematisch. Für Heizungsanlagen verbietet sich ein Einbau, da diese in der Regel von mehreren Mietern genutzt werden, die in der Regel unterschiedlichen Interessen – z.B. in Bezug auf das Heizungssystem und die Brennstoffwahl – und vor allem aufgrund der nur langfristigen Nutzungsdauern von Heizungssystemen ein untragbares Verlustrisiko für den Fall eines vorzeitigen Auszugs tragen (sog. „Investor-Nutzer-Dilemma”).

 

Die Teilwarmmiete löst dieses Dilemma zugunsten des Vermieters auf. Dies eröffnet die Chance einer umweltpolitischen Lösung zur Auflösung des Dekarbonisierungs-Investitionsstaus im Immobiliensektor. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass dieses Modell mit sozialpolitischen Nachteilen für die Mieter und wirtschaftlichen Nachteilen für Energieversorger erkauft wird, da das Modell eine zusätzliche Renditemöglichkeit für Immobilieneigentümer in dem ohnehin schon überhitzten Immobilienmarkt schafft, obwohl der Energieabsatz und damit der Umsatz der Energieversorger gesenkt wird. Dabei ist zu erwarten, dass Energieversorger Immobilienbetreiber durch Contracting-Modelle bei der Finanzierung der Einsparinvestitionen unterstützen, um hierdurch an den Einspar-Gewinnen zu partizipieren.


Gleichwohl werden die in den nächsten Jahren absehbar steigenden Kosten der CO2-Bepreisung auch in dem bestehenden „Kaltmietensystem” vollständig von den Mietenden getragen werden. Insofern bedarf es auch aus Sicht der Mieter einer Lösung, um den sich verschärfenden Folgen des Kosten-Nutzer-Dilemmas zu entgehen. Insofern dürfte die Teilwarmmiete gegenüber den mit einfachsten volks- und betriebswirtschaftlichen Grundlagen der Immobilienwirtschaft unvereinbaren Vorschlägen der Vermieter-Beteiligung an den BEHG-Kosten auch aus Mietersicht vorteilhaft sein. Sozialpolitische Lösungen des Problems zu hoher Immobilienpreis- und Mietniveaus müssen damit in anderen Politikfeldern gesucht werden.


Insofern entspricht das Konzept der Teilwarmmiete auch dem umweltrechtlichen Verursacherprinzip. Denn nach der Verantwortungszuordnung im Mietrecht hat der Vermieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen (§ 535 BGB). Der überwiegende Teil der Treibhausgasemissionen einer Wohnung ist dadurch bedingt, welche baulichen und technischen Beschaffenheitsmerkmale Wohnung und Gebäude aufweisen. Hierfür sind die Vermietenden ursachenverantwortlich, denn in ihren Verantwortungsbereich fällt es, mit welcher energetischen Qualität sie die Wohnung zur Nutzung überlassen.


Andererseits droht durch die Überwälzung auf die Mietenden insbesondere der durch den 2021 eingeführten CO2-Preis für Brennstoffe angestrebte Anreiz zur Senkung des Heizenergieverbrauchs im Mietwohnsektor durch das Teilwarmmietenkonzept weitgehend zu verpuffen. Insofern bestehen aber gerade in einem politisch gesteuerten Markt wie dem Markt für Emissionsberechtigungen ausreichende Möglichkeiten, die Energieverbrauchskosten hochzuhalten und damit neue Verhaltensanreize für Mieter zu setzen.


Rechtlicher Rahmen und Umsetzung

Zu beachten ist, dass das EU-Recht für die Umstellung insoweit eine Rolle spielt, als in den Vorschriften der Energieeffizienz-RL (EED) geregelt ist, dass die Mitgliedstaaten, soweit nicht bestimmte Ausnahmevoraussetzungen bestehen, dafür Sorge zu tragen haben, dass der Wärmeverbrauch für Heizung und Warmwasser in zentralversorgten Wohngebäuden für jede einzelne Wohneinheit individuell durch Messeinrichtungen erfasst wird (vgl. Art. 9b Abs. 1 und 2 EED) und für die Verteilung der Kosten „transparente, öffentlich zugängliche nationale Regeln gelten, damit die Transparenz und die Genauigkeit der Abrechnung des individuellen Verbrauchs gewährleistet ist”, wobei solche Regeln „gegebenenfalls auch Leitlinien für die Art und Weise der Zurechnung der Kosten” enthalten (Art. 9b Abs. 3 EED).


Die Mitgliedstaaten haben daran anknüpfend sicherzustellen, dass Abrechnungs- und Verbrauchsinformationen bei allen Endnutzern zuverlässig und präzise sind und auf dem tatsächlichen Verbrauch oder den Ablesewerten von Heizkostenverteilern beruhen (siehe Art. 10a EED) – woraus zu schließen ist, dass eine von individuellen Verbräuchen unabhängige generelle Anlastung der gesamten Wärmekosten auf der Seite der Vermietenden („Warmmiete”) unzulässig ist.


Ein Teilwarmmietenmodell führt dagegen zu einer Verschleierung der tatsächlichen Heizungskosten und kollidiert deshalb mit den europarechtlichen Transparenzvorgaben aus der EU-Energieeffizienzrichtlinie – es sei denn, Deutschland könnte nach Maßgabe der Befreiungsvorschrift des Art. 9b Abs. 1 Abs. 2 EED nachweisen, dass es kosteneffizient nicht möglich ist, den Wärmeenergieverbrauch individuell je Nutzeinheit oder für jeden Heizkörper zu messen.


Aus Art. 9b Abs. 3 EED lässt sich jedoch nicht schließen, dass es eine Pflicht gäbe, die Kosten der Energieversorgung „eins zu eins” nach den gemessenen Energieverbräuchen abzurechnen. Die Aufforderung der Vorschrift, die Art und Weise der Zurechnung der Kosten zu regeln, lässt sich dahin verstehen, dass sie dem Mitgliedstaat einen Gestaltungsspielraum gibt, insoweit eigenständige Regelungen zu treffen, sofern dabei sichergestellt ist, dass die Abrechnung auf Grundlage und unter Berücksichtigung der ermittelten Verbräuche erfolgt. Damit spricht Überwiegendes dafür, dass ein Kostenteilungsmodell wie die „Teilwarmmiete” grundsätzlich möglich ist, sofern der individuelle Verbrauch einen nicht nur unerheblichen Einfluss auf die abgerechneten Kosten hat.


In rechtstechnischer Hinsicht lässt sich ein solches Modell in das bestehende Mietrechtsgefüge einbauen. Erforderlich ist insofern jedoch eine gezielte Abstimmung der mietrechtlichen Regelungen im BGB und der energieverbrauchsbezogenen Regelungen im Gebäudeenergierecht (Heizkostenverordnung und Gebäudeenergiegesetz).

Fazit

Ein Wechsel von dem heutigen „Kaltmietenmodell”, in dem die Mietenden sämtliche Kosten des laufenden Wärmeverbrauchs zu tragen haben, zu einem System, in dem sich Mietende und Vermietende die Wärmeverbrauchskosten teilen („Teilwarmmietenmodell”), ist aus klimaschutz- und sozialpolitischer Sicht grundsätzlich sinnvoll. Über eine Umsetzung durch Energiedienstleistungen könnte die aktuelle Investitionsblockade für die Wärmewende durch eine win-win-win-Situation auch für Energieversorger aufgelöst werden.


Letzten Endes gilt jedoch, dass von dem Teilwarmmietenansatz wie bei allen anderen Modellen, bei denen es lediglich um die Umverteilung von Kosten geht, nur eine begrenzte Anreizfunktion ausgehen kann, da die Frage der Finanzierbarkeit gelöst werden muss. Für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors sind für jedes einzelne Gebäude sehr anspruchsvolle energetische Gebäudesanierungen notwendig, für deren Anschub ein größerer Mitteleinsatz erforderlich ist. Deshalb kann einem Teilwarmmietensystem unabhängig von der konkreten Ausgestaltung nicht die Rolle des zentralen finanziellen Anreizinstruments für die Wärmewende zukommen, sondern nur eine insoweit unterstützende Funktion. Es kann namentlich staatliche Förderprogramme oder spezielle Fördermechanismen für weitreichende energetische Verbesserungen nicht ersetzen, aber neben und auch in Kombination mit diesen einen wichtigen Anreizbeitrag leisten, weil beide Seiten des Mietverhältnisses von den Energieeinsparungen und von der Förderung profitieren würden.


Zudem würde die Umstellung auf ein Teilwarmmietenmodell bei allen Gestaltungsvarianten praktisch dazu führen, dass Wohnungsmietverträge in Deutschland angepasst werden müssten. Insofern ist die Umsetzbarkeit in zeitlicher Hinsicht durch das Erfordernis einer Mieterfluktuation begrenzt.


Um eine einheitliche Umsetzung sicherzustellen und Missbräuche zu vermeiden, sollten die Konditionen der Umstellung ggf. gesetzlich exakt vorgegeben werden. Hierbei sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass keine intransparente Verknüpfung mit „normalen” Mieterhöhungen erfolgt. Insofern ist es naheliegend, das Instrument der Teilwarmmiete mit den aktuellen Ansätzen der sog. „Mietpreisbremse”, d.h. durch Mieterhöhungsverbote, zu kombinieren.

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