Corona und die Insolvenzantragspflicht – Bundes­re­gierung prüft derzeit Erleich­te­rungen zur Unternehmens­krisen­be­wältigung

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zuletzt aktualisiert am 14. April 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Die globale Ausbreitung des Coronavirus schreitet voran. Dadurch geraten immer mehr Unternehmen in Schieflage. Geht die Schieflage soweit, dass das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist, besteht grundsätzlich eine strafbewehrte Pflicht zur Insolvenzantragstellung. Auch wenn der Gesetzgeber die Insolvenzantragspflicht unter bestimmten Voraussetzungen vorübergehend ausgesetzt hat, befreit das den Unternehmer nicht von seiner Pflicht und seine Finanzierungspartner nicht von der Notwendigkeit Feststellungen insbesondere zur Zahlungsfähigkeit zu treffen.

 

 

Am 27. März 2020 wurde das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht verkündet, um Unternehmen zu schützen, die infolge der Corona-Pandemie in eine finanzielle Schieflage geraten bzw. geraten sind. Artikel 1 beinhaltet das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten Insolvenz. Dieses Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) tritt rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft.

 

Normalfall – Insolvenzantragspflicht mit kurzer 3-Wochen-Frist

Im Normalfall ist bei bestehender Insolvenzantragspflicht (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung), unverzüglich, regelmäßig spätestens innerhalb von drei Wochen ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Wer diese Frist verstreichen lässt, kann sich strafbar machen und ist potentiellen Gläubigern gegenüber gegebenenfalls zu Schadensersatz verpflichtet.

 

Ausnahmefall – Vorrübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht  

Die kurzen Fristen der Insolvenzordnung sind jedoch mit der aktuellen Ausnahmesituationen nicht zu vereinbaren. Die Covid-19-Pandemie ist eine wirtschaftliche Naturkatastrophe, die eine Vielzahl an sich gesunder Unternehmen in ihrem Bestand gefährdet. Bund und Länder haben daher umfangreiche Geldmittel zur Stützung von Unternehmen bereitgestellt, die unverschuldet in Existenznot geraten sind. Das damit verfolgte Ziel, an sich gesunde Unternehmen, zu retten, wäre jedoch nicht zu erreichen, wenn nicht auch die Insolvenzantragspflichten der Ausnahmesituation angepasst werden würden. Diesem Umstand trägt nun das Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) Rechnung. 

 

Das Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) umfasst Regelungen zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sowie zu den Folgen der Aussetzung der Antragspflicht.

 

Vermutungswirkung zugunsten des Unternehmers

Gemäß § 1 Satz 1 COVInsAG ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages bei bestehender Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung nach § 15 a der Insolvenzordnung (InsO) und nach § 42 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bis zum 30. September 2020 rückwirkend ab dem 1. März 2020 ausgesetzt.

 

Das gilt jedoch gemäß § 1 Satz 2 COVInsAG nicht wenn,

  1. die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (Covid-19-Pandemie) beruht oder
  2. keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

 

Dabei wird nach § 1 Satz 3 COVInsAG vermutet, dass die Insolvenzreife, auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, wenn der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war.

 

Nach der Systematik des § 1 COVInsAG ist mithin regelmäßig von einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht auszugehen. Nur ausnahmsweise besteht eine Antragspflicht unter den Voraussetzungen des Satz 2 fort. Dieses Regel/Ausnahme-Verhältnis bestimmt zugleich die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Es führt damit zu einer Stärkung der Position des Unternehmers, der von einem Insolvenzantrag absieht. Soweit eine Antragspflicht behauptet wird, wäre von der Gegenseite darzulegen und zu beweisen, dass eine Ausnahme gemäß § 1 Satz 12 COVInsAG vorliegt.

 

Die Position des Unternehmens wird noch weiter durch die Vermutung des § 1 Satz 3 COVInsAG gestärkt. Zwar handelt es sich dabei nach der Gesetzesbegründung um eine widerlegliche Vermutung, allerdings sind „höchste Anforderungen" an die Widerlegung zu stellen. Die Vermutung ist nur dann wiederlegt, wenn „keine Zweifel" an der fehlenden Ursächlichkeit der Pandemie bzw. an den fehlenden Aussichten auf eine Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bestehen.

 

Vorsorglich gleichwohl Feststellungen zur Zahlungsfähigkeit

Auch wenn es nach dem beschriebenen Regel/Ausnahme-Verhältnis grundsätzlich nicht dem Unternehmer obliegt, die Voraussetzung für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht darzulegen, gebietet es jedoch die kaufmännische Sorgfalt mit Blick auf die Vermutung des § 1 Satz 3 COVInsAG zumindest Feststellungen zur Zahlungsfähigkeit am 31. Dezember 2019 zu treffen und zu dokumentieren. Das zum einen, weil spätere Feststellungen ggf. nicht bzw. nicht mehr vollständig möglich sind, so zum Beispiel wenn mündliche Stundungsabreden mit Lieferanten in Vergessenheit geraten. Zum anderen ergibt sich aus der Dauer der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ein erhebliches Risiko. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass die Antragspflichtigen nicht ausgesetzt waren, so steigt die Höhe der Ersatzpflicht zum Beispiel nach § 64 Satz 2 GmbHG mit der Dauer der Geschäftsfortführung ohne Stellung eines Insolvenzantrages.

 

Mit Blick auf die erheblichen Haftungsrisiken bei Verletzung einer ggf. fortbestehenden Insolvenzantragspflicht raten wir zudem dringend auch zu Feststellungen, ob die Insolvenzreife auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruht und ob Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Gerade bei Unternehmen, die schon zu Beginn der Covid-19-Pandemie wirtschaftliche Schwierigkeiten hatten, kann die Frage, ob die Covid-19-Pandemie ursächlich für eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage war, später streitig werden. Auch von der Erstellung einer Liquiditätsplanung und damit der Feststellung der Aussichten auf Beseitigung einer Zahlungsunfähigkeit, ist der Unternehmer durch das COVInsAG nicht grundsätzlich befreit. Können fällige Forderungen mangels liquider Mittel nicht beglichen werden, kann sich der Unternehmer auch unter Geltung des COVInsAG wegen Eingehungsbetrugs oder vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung straf- und haftbar machen.

 

Folgen der rechtmäßigen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

An die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht werden durch § 2 COVInsAG weitere Folgen geknüpft. Diese sollen die Erreichung des durch die Aussetzung verfolgten Ziels absichern. Betroffenen Unternehmen soll die Möglichkeit gegeben werden, den Geschäftsbetrieb fortzuführen und die Insolvenzlage zu beseitigen.

 

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne der § 64 Satz 2 GmbHG, § 92 Absatz 2 Satz 2 AktG, § 130a Absatz 1 Satz 2, auch in Verbindung mit § 177a Satz 1, HGB und § 99 Satz 2 GenG vereinbar.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG gilt, soweit nach § 1 COVInsAG die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist, die Rückzahlung eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung eines solchen Kredites bis zum 30.09.2023 als nicht gläubigerbenachteiligend.

 

Zudem sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 COVInsAG Kreditgewährungen und Besicherungen im Aussetzungszeitraum nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen.

 

Schließlich sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar. Das gilt nicht, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Entsprechendes gilt für Leistungen an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber, Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners, die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist, die Verkürzung von Zahlungszielen und die Gewährung von Zahlungserleichterungen.

 

§ 2 Abs.1 Nr. 2, 3 und 4 COVInsAG gilt auch für Unternehmen, die keiner Antragspflicht unterliegen, sowie für Schuldner, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind.

 

§ 2 Abs.1 Nr. 2 und 3 COVInsAG gilt im Fall von Krediten, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und ihren Finanzierungspartnern oder von anderen Institutionen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme anlässlich der Covid-19-Pandemie gewährt werden, auch dann, wenn der Kredit nach dem Ende des Aussetzungszeitraums gewährt oder besichert wird, und unbefristet für deren Rückgewähr.

 

Keine Privilegierung bei irrtümlichen Annahmen

Die vorstehenden Regelungen zu den Folgen einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gelten allerdings nur, wenn die Voraussetzungen der Aussetzung erfüllt sind. Insoweit sind, zum Beispiel mit Blick auf die Privilegien für Kredite, nicht nur für den Unternehmer, sondern auch für die kreditgewährende Bank, Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 1 COVInsAG angebracht.

 

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